​Vor den Friedensgesprächen zum Südsudan im Vatikan

Zwei Erzrivalen halten "geistliche Einkehr"

Der "jüngste Staat der Welt" kennt Frieden nur als fernen Traum. Seit der Gründung 2011 tobt im Südsudan ein blutiger Machtkampf. Die beiden größten Kontrahenten reisen nun zu Gesprächen in den Vatikan.

Autor/in:
Burkhard Jürgens und Joachim Heinz
Südsudanesisches Mädchen im Gebet / © Ben Curtis (dpa)
Südsudanesisches Mädchen im Gebet / © Ben Curtis ( dpa )

Es war ein veritabler diplomatischer Coup, den der Vatikan vor einigen Tagen ankündigte. In dieser Woche sind der südsudanesische Präsident Salva Kiir und sein Erzrivale Riek Machar zu einem Austausch eingeladen. 

Zum genauen Zeitpunkt gibt es keine offiziellen Angaben, Beobachter gehen von Mittwoch aus; abschließend - möglicherweise Donnerstag - könnte es eine Begegnung von Kiir und Machar mit Papst Franziskus geben. Das Friedenstreffen der Kontrahenten, das der Vatikan fromm als "geistliche Einkehr" bezeichnet, hat einen gewissen Vorlauf.

Präsident Salva Kiir (dpa)
Präsident Salva Kiir / ( dpa )

Vom 21. bis 25. März reiste der Außenbeauftragte des Heiligen Stuhls, Erzbischof Paul Richard Gallagher, in die südsudanesische Hauptstadt Juba und sprach dort sowohl mit Kiir, den er eine Woche zuvor noch im Vatikan getroffen hatte, als auch mit einer Delegation der oppositionellen SPLM-IO, geleitet von deren sicherheitspolitischer Sprecherin Angelina Teny, die auch Ehefrau Machars ist. Thema war laut Vatikan die Implementierung des im September geschlossenen Abkommens, das den seit der Loslösung vom Sudan 2011 immer wieder aufbrechenden Dauerkonflikt lösen soll.

Katholische Kirche beklagt Rückstand im Zeitplan 

Offenbar versucht die katholische Kirche mit größerem Nachdruck, den Prozess anzuschieben. Ende Februar beklagten die katholischen Bischöfe des Landes - anders als im benachbarten Sudan dominieren im Südsudan die Christen - in einer gemeinsamen Erklärung den Rückstand im Zeitplan, weiter andauernde Menschenrechtsverletzungen und fehlende Justiz vor dem Hintergrund einer katastrophalen humanitären Lage. Als Signal der Kirchenleitung ist auch die Berufung eines neuen Nuntius für den Südsudan im März zu werten, Hubertus Matheus Maria van Megen.

Riek Machar (dpa)
Riek Machar / ( dpa )

Der 57-jährige niederländische Vatikandiplomat diente seit 2014 als Botschafter im Sudan. Er residiert nun zwar in Kenia; um aber im Südsudan personell stärker präsent zu sein, ernannte der Papst schon im Juni einen eigenen Nuntiatur-Geschäftsträger für Juba, den kenianischen Geistlichen Mark Kadima. 

Jubas Erzbischof Paulino Lukudu, der seinen Gläubigen schon 2015 seinen altersbedingten Rücktritt ankündigte, ist auf Wunsch des Papstes mit 78 immer noch im Amt. Der Vatikan will anscheinend erfahrene und kompetente Mitarbeiter auf den Schlüsselposten im Südsudan.

Flucht und drohender Hunger

Gründe für das Engagement liegen auf der Hand: Schätzungsweise 1,9 Millionen Menschen leben im Südsudan als Binnenvertriebene, weitere 2,2 Millionen Menschen sind in Nachbarländer geflohen; mehr als 6 Millionen droht schwerer Hunger. Ursachen sind eine Vielzahl von sozialen und politischen Auseinandersetzungen, die teils auch noch aus dem Unabhängigkeitskampf mit dem Sudan herrühren.

Als weiterer wichtiger Treiber gilt laut Analysen von UN und Hilfsorganisationen die Kontrolle über die Ölvorkommen, den bedeutendsten Reichtum des Landes. Ein Beispiel: Weil Gemeinden und Bundesstaaten, auf deren Gebiet die Vorkommen liegen, seit 2013 ein Anrecht auf einen Anteil aus den Einnahmen haben, eskalieren immer wieder Streitigkeiten um Grenzziehungen. 

Seit längerem gibt es laut Beobachtern Bestrebungen, möglichst viele Ölfelder unter Kontrolle der Dinka zu bringen. Das ist die größte Volksgruppe im Südsudan - der auch Präsident Kiir angehört.

Gespräch mit möglichst vielen Seiten

Angesichts der verworrenen Lage sucht der Heilige Stuhl auch das Gespräch mit möglichst vielen Seiten. So beriet Erzbischof Gallagher in Juba mit dem UN-Sonderbeauftragten David Shearer über die politische Situation, die Sicherheitslage und das internationale Engagement. 

Bei zwei anderen Gelegenheiten traf er sich mit dem diplomatischen Corps - einmal am Sitz US-Botschafter Thomas Hushek, tags darauf bei EU-Botschafterin Sinead Walsh.

Natürlich feierte Gallagher auch eine Sonntagsmesse in Jubas Kathedrale, predigte laut "Osservatore Romano" über Gottes Ruf in dieser Fastenzeit, das Leben zu wählen und die Waffen niederzulegen, sich zu bekehren, zu vergeben und den Dialog zu suchen, wo vorher Hass war. Unter den Hörern: Präsident Kiir.

Südsudan

 © Mizkit (shutterstock)

Das afrikanische Land Südsudan erlangte am 9. Juli 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan und wird deswegen auch als "jüngster Staat der Erde" bezeichnet. Hauptstadt ist Juba. Auf einer Fläche von der ungefähren Größe Frankreichs leben rund zwölf Millionen Menschen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei gerade einmal 17 Jahren.

Die Einwohner gehören einer Vielzahl unterschiedlicher Ethnien an; die größte Gruppe stellen mit 35 Prozent die Dinka. Anders als im muslimisch geprägten Sudan überwiegen im Südsudan die Christen.

Quelle:
KNA