Brasiliens Präsident Bolsonaro ist 100 Tage im Amt

Twittern statt Regieren

Jair Messias Bolsonaro ist angetreten, um Brasilien aus der ökonomischen und moralischen Misere herauszuführen. Doch in seinen ersten 100 Tage als Brasiliens Präsident gab es mehr Polemik statt Politik.

Ein T-Shirt mit einem Foto von Jair Bolsonaro / © Fabio Teixeira (dpa)
Ein T-Shirt mit einem Foto von Jair Bolsonaro / © Fabio Teixeira ( dpa )

Am Sonntagabend twitterte Jair Messias Bolsonaro wieder. Mit "hahahaha" kommentierte er eine Umfrage, wonach nur 58 Prozent seiner Landsleute ihn als «sehr intelligent» einstufen - deutlich weniger als bei seinen Amtsvorgängern Luiz Inacio Lula Da Silva und Dilma Rousseff, die, so glaubt es Bolsonaro, Brasilien zugrunde gerichtet hatten.

Überhaupt kommt Bolsonaro, der am 1. Januar sein Amt angetreten hatte, nicht gut weg. Von seinem Erdrutschsieg im Oktober ist wenig Euphorie geblieben, seine Bewertung nach 100 Tagen ist die schlechteste aller gewählten Präsidenten der letzten 30 Jahre. Er werde keine Zeit damit verschwenden, diese Umfrage zu kommentieren, lachte der Rechtspopulist am Sonntag Journalisten in die Kameras.

Auch seine Anhänger sind enttäuscht

Dabei meinen viele Beobachter, dass Bolsonaro bisher vor allem eins getan hat: seine Zeit zu verschwenden. Brasilien steckt seit fünf Jahren in einer Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit stagniert auf hohem Niveau, die Wirtschaft springt nicht an. Es droht der Bankrott.

Doch statt mit dem Regieren zu beginnen, habe Bolsonaro lieber sinnlos polemisiert, meint der Politikwissenschaftler Oliver Stuenkel aus Sao Paulo. "Ich habe den Eindruck, dass Bolsonaro noch nicht aus dem Kampagnenmodus herausgekommen ist." Auch seine Anhänger sind enttäuscht. Weder hat er, wie versprochen, das Tragen von Waffen freigegeben, noch hat er die Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegt. Der selbsternannte Hardliner schwächelt.

Offenbar hat Bolsonaro seine Rolle als Präsident noch nicht verstanden. Lieber greift er deshalb reale und imaginäre Gegner an, am liebsten in den sozialen Medien. Achtundzwanzig kritische Äußerungen hat eine Zeitung in den ersten 100 Tagen gezählt. Alle entweder von Bolsonaro selbst, seinen drei in der Politik aktiven Söhnen oder seinem Umfeld entfacht.

Rentenreform soll Staat vor dem Bankrott retten

Da war sein Tweet über den angeblichen moralischen Verfall des Karnevals, zu dem er ein Video teilte, in dem sich zwei Männer anpinkelten. Kritik der Palästinenser-Organisation Hamas an Bolsonaros Israel-Besuch konterte sein Sohn Flavio mit dem Tweet, die Hamas solle sich doch selbst in die Luft sprengen. Ebenfalls in Israel sagte Bolsonaro, dass Hitler und die Nationalsozialisten in Wahrheit Linksradikale waren. Historiker aus aller Welt waren entsetzt.

Bereits vor seinem Amtsantritt hatte er angekündigt, Brasilien um "40 oder 50 Jahre" in die Zeit der Militärdiktatur (1964-85) zurückführen zu wollen. Bis heute ist das seine Wohlfühlzone. Den 55. Jahrestag des Putsches ließ er Ende März in den Kasernen feiern, demnächst sollen auch die Schulbücher überarbeitet werden. Statt "Putsch" heißt es dann "Revolution", und der Begriff "Diktatur" soll komplett gestrichen werden.

Währenddessen überlässt er das Regieren Wirtschaftsminister Paulo Guedes, der mit seiner Rentenreform den Staat vor dem Bankrott retten soll. Unterstützung von Bolsonaro bekommt er nicht; im Gegenteil, wenn überhaupt, dann spricht der Präsident sein Bedauern über die harten Reformen aus.

"Ich wurde nicht geboren, um Präsident zu sein"

Auch das bunt zusammengewürfelte Kabinett blockiert sich selbst. Da sind rechts-nationale Ideologen wie Außenminister Ernesto Araujo, die die Globalisierung für ein marxistisches Komplott halten, gegen das eine christliche Allianz mit Donald Trump und Wladimir Putin zu schmieden sei. Das kommt nicht gut an bei den liberalen Kräften rund um Guedes, die Brasiliens Wirtschaft öffnen wollen.

Und da sind die Militärs, die vergeblich zwischen den beiden Gruppen zu schlichten versuchen und Angst haben, dass ein Scheitern der Regierung ihren Ruf ruinieren wird. "Es gibt offenen Disput zwischen diesen Gruppen", urteilt der Politologe Paulo Calmon von der Universität Brasilia. "Aber Bolsonaro scheint sich nicht an diesen Konflikten zu stören."

Immerhin scheint er mittlerweile erkannt zu haben, im falschen Film zu sein. Das Amt bringe "nichts als Probleme", sagte der ehemalige Fallschirmjäger am Freitag. "Ich wurde halt nicht geboren, um Präsident, sondern um Militär zu sein." Auch das eine gewagte Aussage, schließlich war er Ende der 80er Jahre dort unehrenhaft entlassen worden, nachdem er eine Bombe in seiner Kaserne zünden wollte. Von Thomas Milz


Bolsonaros Anhänger feiern in Brasilia / © Fabio Rodrigues Pozzebom/Agencia Brazil (dpa)
Bolsonaros Anhänger feiern in Brasilia / © Fabio Rodrigues Pozzebom/Agencia Brazil ( dpa )
Quelle:
KNA
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