DOMRADIO.DE: Das Land, in dem die Bibel lebendig wird, so heißt es ja. Wie macht sich das in diesen Tagen bemerkbar, dieses lebendig werden?
Dr. Georg Röwekamp (Leiter des Jerusalem-Büros des Deutschen Vereins vom Heiligen Land): Es hat sich schon besonders am Palmsonntag bemerkbar gemacht. Das ist eigentlich einer der Tage, wo das besonders im Stadtbild präsent ist, wenn wirklich unzählige Einheimische, Pilger und Touristen am Ölberg den Berg hinab in die Stadt Jerusalem hineinziehen und den Einzug Jesu in Jerusalem nachspielen. Voran der Apostolische Administrator, der lateinische Bischof, andere Kleriker. Und die Menschen singen, schwenken Palmzweige. Das ist wirklich schon ein sehr lebendiges Zeichen, dass Ostern nahe ist.
Das merkt man auch jetzt an den darauffolgenden Tagen. Die Stadt ist voll von Pilgergruppen. Sie ist noch internationaler als sonst, könnte man fast meinen, alle möglichen Sprachen hört man, verschiedene Gruppen sind unterwegs. Gerade in der Altstadt ist das jetzt in den Tagen direkt vor Ostern eine besondere Atmosphäre.
DOMRADIO.DE: Karfreitag gibt es in der Via Dolorosa wieder eine Prozession den Weg entlang, den Jesus sein Kreuz trug. Wer ist da dabei? Eher Touristen oder eher Einheimische oder alle?
Röwekamp: Es gibt eigentlich mehrere Prozessionen. Es gibt sozusagen die offizielle, die von den Franziskanern angeführt wird. Da mischt es sich wirklich. Das sind Einheimische, Pilger und Touristen. Dann gibt es eben noch viele kleine Prozessionen, weil vor und nach dieser Mittagsprozession auch andere Gruppen unterwegs sind, die dann in ihrer Sprache den Kreuzweg beten und das eben besonders gern am Karfreitag tun.
DOMRADIO.DE: Das heißt, die gehen alle nacheinander über die Via Dolorosa oder gehen die woanders lang?
Röwekamp: Nein, die gehen wirklich nacheinander über die Via Dolorosa. Zwar ist diese offizielle Prozession die größte, aber davor und danach ist der Weg ja auch gangbar. Manche wollen das in einer etwas kleineren Gruppe tun und eben auch in der Sprache, die ihnen vertraut ist.
DOMRADIO.DE: Tausende Menschen gehen mit Kreuzen da lang. Wo kommen diese Kreuze eigentlich her, die bringt man ja wahrscheinlich nicht unbedingt mit?
Röwekamp: Nein. Tatsächlich werden an der ersten Station, dort wo der Kreuzweg beginnt, Kreuze bereitgehalten, die aber auch das ganze Jahr über dort bereitgehalten werden. Diese Kreuze können sich die Gruppen ausleihen und dann bei der Grabeskirche wieder abstellen. Aber viele kommen auch mit kleinen Kreuzen, die sie vielleicht hier im Land irgendwo gekauft haben und tragen sozusagen ihr persönliches Kreuz mit. Darum geht es ja eigentlich auch bei dieser Idee. Nicht um irgendeine Show, sondern um leibhaftig zu spüren, es geht hier nicht nur um das eine Kreuz Jesu, es geht um das Kreuz eines jeden Einzelnen.
DOMRADIO.DE: Spielt das eigentlich eine Rolle, dass in diesem Jahr das christliche Osterfest und das jüdische Pessachfest zeitlich zusammentreffen?
Röwekamp: In der Stadt ist es dadurch an manchen Stellen natürlich noch voller und manche Hotels sind noch teurer, weil sie sozusagen doppelten Zuschlag nehmen. Aber an sich werden die christlichen, heiligen Stätten nicht von vielen Juden besucht und die Pessachfeier ist eben eher eine häusliche Feier, die in den jüdisch-israelischen Häusern stattfindet. Von daher gibt es da relativ wenig Berührungspunkte.
Mich persönlich fasziniert das allerdings immer sehr, dass es in diesem Jahr vielleicht wieder so ist, wie im Todesjahr Jesu, dass am Abend des Karfreitag Pessach gefeiert wird. Ich frage mich manchmal, wie es damals gewesen ist, mit welchen Gedanken, mit welchen Gefühlen die Apostel, die gerade ihren Meister zu Grabe getragen hatten, dann dieses Fest der Befreiung gefeiert haben oder ob sie es überhaupt getan haben.
DOMRADIO.DE: Wie begehen Sie denn eigentlich das Osterfest in Jerusalem?
Röwekamp: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man kann sich wirklich in den Trubel, das muss man auch sagen, der großen Feiern stürzen. Die römisch-katholische Osternacht ist in der Grabeskirche, wie es vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil üblich war, früh am Samstagmorgen. Das konnte hier gar nicht geändert werden, weil durch den Status quo genau festgelegt ist, wann welche Konfession, welche Feier abhält. In der Nacht gibt es dann nochmal eine große Vigil direkt am Grab. Das ist auf jeden Fall eine für mich attraktive Feier.
Wir haben das Glück in unserem Paulus-Haus, das hier direkt am Damaskus-Tor liegt, eine etwas kleinere, stillere Feier mit Osterfeuer auf der Terrasse feiern zu können, Blick hinüber zur Grabeskirche und dann doch in den vertrauten Formen und mit den vertrauten Liedern. Ich glaube, das ist für mich und andere die attraktivste Feier.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.