Fünf-Sterne-General als Macrons Bauaufseher für Notre-Dame

Zackzack, Kunst machen!

Emmanuel Macron hat einen pensionierten General zum Antreiber und Oberaufseher der Wiederherstellung von Notre-Dame gemacht. Ans Werk – mal schauen, wie gut Tagesbefehl und Denkmalpflege so zusammenpassen können.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Nach dem Brand der Kathedrale Notre-Dame / © Marcel Kusch (dpa)
Nach dem Brand der Kathedrale Notre-Dame / © Marcel Kusch ( dpa )

Er habe nicht vor, diese fünf Jahre mit kunsthistorischen Symposien zu verlieren, erklärte Jean-Louis Georgelin schon am Tag seiner Ernennung. Diese Mission sei "ein Kampf", "eine Schlacht"; eine "Frage des Willens". Eins muss man den Franzosen lassen: Da wird nicht lange lamentiert nach dem katastrophalen Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame.

Schon zwei Tage später ist eine knappe Milliarde Euro Spenden angekündigt. Und der President de la Republique hat einen "Monsieur Wiederaufbau" zu seinem persönlichen Repräsentanten und Berichterstatter ernannt. Und was für einen.

"Er weiß, wie man Leute anschnauzt", sagt einer, der den Fünf-Sterne-General und Ex-Generalstabschef zu Wasser, zu Lande und in der Luft Georgelin während seiner Militärkarriere live erlebt hat.

Ernennung trotz Differenzen mit Macron

Der 70-jährige Junggeselle, bis 2016 Großkanzler der französischen Ehrenlegion, wohnhaft in der Pariser Banlieue, gilt als kultiviert, historisch gebildet und hoch politisch - auch wenn er sich sogar in seiner Zeit als Generalstabschef von Staatspräsident Jacques Chirac der Parteipolitik konsequent fernhielt.

Dass Macron ausgerechnet Georgelin damit betraute, den Wiederaufbau der Pariser Kathedrale als Symbolfigur antreibend zu beaufsichtigen, hat ihn offenbar selbst überrascht - denn die beiden sind sich keineswegs grün.

Das einzige Mal, dass sich der Ex-General in den vergangenen Jahren aus seinem Ruhestand zu Wort meldete, war, um seinem Nachfolger als Generalstabschef, Pierre de Villiers, nach dessen Entlassung durch Macron im Streit um das Verteidigungsbudget zur Seite zu springen - und er ging dabei hart mit Macron ins Gericht.

Auch die Konflikte des Generals mit der Denkmalpflege sind schon programmiert. Gar nicht mal eine Frage des Geldes - das sicher reichlich fließen wird. Es geht um Zeit. Experten gehen davon aus, dass eine seriöse Schadensaufnahme mehrere Jahre dauern dürfte - und erst danach könne man in Planung und Bauausführung gehen.

Dies alles wäre also eine Frage von Jahrzehnten. Georgelin hat zum Amtsantritt von allen Beteiligten eine komplette Bestandsaufnahme verlangt - binnen zwei Monaten.

Was würde man in Deutschland sagen, wenn ein ranghoher Offizier den Oberbefehl über Kunsthistoriker, Denkmalpfleger und Restauratoren übernähme; für den Kölner Dom, Schloss Neuschwanstein oder das Grüne Gewölbe in Dresden? Zumindest wäre es kein sonderlicher Ausweis für zu erwartende Wertarbeit.

Kaum eine Woche vergeht derzeit ohne Pannen an Bundeswehr- und Regierungsmaschinen. Die Kanzlerin wie ihre Minister stranden auf Dienstreisen überall auf der Welt. Besser Linie fliegen...

Fachliche Fragen werden die Geduld des Benediktineroblaten fordern

In Frankreich sind sowohl das Ansehen des Militärs als Ordnungsmacht als auch das Selbstverständnis als Repräsentanten des Staates ein anderes. Georgelin hat an der Seite mehrerer Staatspräsidenten die große Parade am 14. Juli abgenommen. Da wird er vor Uniprofessoren und Kunsthistorikern samt ihren Expertisen sicher nicht zurückschrecken.

Dabei gibt es fachlich eine ganze Menge zu diskutieren, bevor tatsächlich die Maurerkelle losschwingt. Nicht nur, welche Restaurierungstechniken angesichts welcher Schäden die angemessenen sind. Von vielen Bauteilen sind keinerlei historische Pläne erhalten.

Welcher Dachstuhl ist für die kommenden Jahrhunderte der richtige: einer aus Eichenbalken wie das jetzt verbrannte Original? Ein eiserner wie der des Kölner Doms aus dem 19. Jahrhundert? Oder bieten sich noch leichtere Materialien an? Auch über den eingestürzten Vierungsturm gibt es in der Fachwelt deutlich geteilte Meinungen.

Solche Fragen werden die Geduld des Generals auf die Probe stellen.

Ohnehin bringt der Südfranzose Georgelin weniger okzitanische Lässigkeit als bergbäuerische Sturheit mit. Geboren im Dorf Aspet im Departement Haute-Garonne 70 Kilometer östlich von Lourdes am Fuß der Pyrenäen, ist ihm eine tiefe katholische Überzeugung zu eigen - mit der er allerdings nach Aussage von Vertrauten nicht hausieren geht.

Georgelin ist Benediktineroblate; er lebt also als Laie in Verbindung mit einem Benediktinerkloster - und er ist Mitglied der Academie catholique de France. Notre-Dame, so plauderte ein Freund, liebe Georgelin so, wie ein "nach Paris versetzter Provinzler" es lieben könne.


Jean-Louis Georgelin, ehemaliger Stabschef und Sonderbeauftragte für den Wiederaufbau der Kathedrale Notre-Dame / © Thibault Camut (dpa)
Jean-Louis Georgelin, ehemaliger Stabschef und Sonderbeauftragte für den Wiederaufbau der Kathedrale Notre-Dame / © Thibault Camut ( dpa )

Trümmerteile und verkohlte Holzbalken liegen im Inneren der Kathedrale Notre-Dame / © Christophe Petit Tesson (dpa)
Trümmerteile und verkohlte Holzbalken liegen im Inneren der Kathedrale Notre-Dame / © Christophe Petit Tesson ( dpa )
Quelle:
KNA