DOMRADIO.DE: Die Demos an sich finden Sie erstmal so richtig und wichtig, dass Sie da selbst mitmachen. Was genau gefällt Ihnen nicht an der Haltung mancher Demonstranten?
Jessica Bonn (Schülerin und Landessiegerin des Wettbewerbs "Jugend debattiert"): Ich finde es erst mal wichtig, dass überhaupt demonstriert und über das Thema geredet wird. Ich denke, häufig haben einige Demonstranten aber diese Haltung, wir demonstrieren jetzt gegen die bösen Erwachsenen, die alles kaputt gemacht haben. Und das trägt zu keiner guten Diskussion bei. Ich denke, letztendlich kann dabei nichts Positives bei rum kommen. Förderlicher wäre es, wenn man mit einer positiven Einstellung herangeht, von wegen: "Guck mal, es läuft etwas schief, lasst uns das gemeinsam ändern".
DOMRADIO.DE: Sie sind ja jetzt selbst für das gute Debattieren in Hamburg ausgezeichnet worden. Was genau kritisieren Sie an dieser Debatte um "Fridays for Future", die da entbrannt ist?
Bonn: Dass sie häufig gar nicht erst geführt wird und das ist etwas, wo ich die andere Seite, die Politik kritisieren muss. Denn häufig kommt als Gegenargument erst einmal, die Schüler sollten in die Schule gehen. Das mag man so sehen oder nicht. Mit dem Thema hat es aber gar nichts zu tun. Und häufig werden die Schüler aufgrund ihres Alters gar nicht ernst genommen. Dass ihre Forderungen aber auch von der Wissenschaft unterstützt werden, fällt dabei offensichtlich gar nicht ins Gewicht. Das finde ich sehr schade, denn es ist ein wichtiges Thema, das nun mal diskutiert werden muss. Und da würde ich mir wünschen, dass die Politik uns Schüler auch ernst nimmt.
DOMRADIO.DE: Kommen wir noch zurück auf die Seite der Demonstranten. Da sagen Sie, es geht Ihnen um die Haltung. Nur wenn ich selbst eine klare Haltung habe, kann ich auch andere überzeugen. Nur wenn ich das, was ich fordere, auch selbst lebe, bin ich überzeugend. Stimmt das?
Bonn: Ja. Ich denke, dass es besser ist auf die Straße zu gehen und selbst nichts zu machen, als gar nicht auf die Straße zu gehen. Aber glaubhaft wirkt es natürlich nicht, wenn ich für Klimaschutz auf die Straße gehe und selber die ganze Zeit mit dem Auto herumfahre, alles mache, was irgendwie klimaschädlich ist. Ich denke, bei sich selber muss man auch ansetzen. Durch die Demonstrationen habe ich zum Beispiel beschlossen, mich vegetarisch zu ernähren und achte auch viel mehr auf nachhaltigen Konsum insgesamt in meinem Leben.
DOMRADIO.DE: Und was haben Sie bei den anderen um Sie herum festgestellt? Sind die auch ins Nachdenken geraten und versuchen auch selbst bei sich etwas zu ändern?
Bonn: Das ist tatsächlich ein Trend, den ich bei sehr vielen sehe. In meinem Freundeskreis haben mehrere Leute beschlossen, sich jetzt vegetarisch oder zumindest mit weniger Fleisch zu ernähren und insgesamt wird das Thema auch einfach mehr diskutiert. Wenn man vor den Demonstrationen im Freundeskreis den Klimaschutz angesprochen hat, war die Meinung: Ja, irgendwie gut und wichtig, aber so richtig gewusst hat eigentlich niemand etwas. Und jetzt sind eben mehr Leute über das Thema informiert und interessieren sich auch dafür, was sie konkret selbst tun können.
DOMRADIO.DE: Was sagen Sie denen, die die Schüler kritisieren, weil sie Schule schwänzen und nicht stattdessen in ihrer Freizeit protestieren?
Bonn: Denen sage ich, dass das erst einmal nicht realitätsgetreu ist. Auf einer der Demonstrationen, auf denen ich war, war zum Beispiel in den Ferien und die war größer als einige der normalen Freitagsdemos. Es gibt auch teilweise Demos am Nachmittag. Es stimmt einfach nicht, dass Schüler nur um zu schwänzen da hingehen. Mal abgesehen davon kam dieses Streikelement ja gerade daher, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und das hat schließlich auch funktioniert und vor allem finde ich es sehr schade, wenn die Diskussion über "Fridays for Future" so sehr auf das Schuleschwänzen abdriftet, wenn das doch eigentlich gar nicht das wichtige Thema dabei sein sollte.
DOMRADIO.DE: Immer wieder gab es Gerüchte, um gekaufte Demonstranten. Was sagen Sie dazu?
Bonn: Das ist Mist! Ich weiß natürlich nicht, ob da hinter den Kulissen bei den großen Organisatoren irgendwas läuft. Ich bin kein Organisator, aber ich bin aus eigener Motivation hingegangen. Alle Leute, die ich kenne, in meinem Freundeskreis, in meinem Bekanntenkreis, aus meiner Schule, aus anderen Schulen. Da kenne ich nicht eine einzige Person, die aus einem anderen Grund als aus eigener Überzeugung hingegangen ist. Insofern: Also wenn ich gekauft sein soll, dann hätte ich jetzt langsam gerne mal mein Geld.
DOMRADIO.DE: Viele denken jetzt ja, okay, die Forderungen liegen auf dem Tisch. Die Demos haben wir zur Kenntnis genommen, die gehen auch immer weiter. Das kann ja jetzt nicht zu einer Endlosschleife werden. Was wünschen Sie sich, wie sich das weiterentwickeln soll?
Bonn: Naja, ich denke einmal, dass jetzt jeder das selbst in sein Leben integrieren sollte. Ich finde aber vor allem, dass jetzt die Politik wirklich darauf eingehen muss. Was ich sehr schön finde, es gab beispielsweise in Magdeburg bereits Gespräche zwischen Politikern und "Fridays for Future"-Aktivisten. Das ist etwas, was ich in der Zukunft auch gerne mehr sehen würde. Und im Anschluss daran, das kann natürlich alles nicht von heute auf morgen passieren, das ist auch mir klar, möchte ich dann aber schon auch konkrete Änderungen von der Politik sehen. Und kein "Wir haben es zur Kenntnis genommen, aber wir machen weiter wie bisher." Das fände ich sehr schade.
Das Interview führte Hilde Regeniter.