DOMRADIO.DE: "Wir heißen Flüchtlinge willkommen und wir setzen uns für ihre Integration ein". Das ist der Kerngedanke der "Aktion Neue Nachbarn" im Erzbistum Köln. Vor vier Jahren wurde die Aktion von Kardinal Woelki ins Leben gerufen. Die Zahl der Neuankömmlinge ist mittlerweile zurückgegangen, der Bedarf zur Integration bleibt aber. Wie ist die Lage denn heute im Erzbistum Köln?
Klaus Hagedorn (Koordinator der Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln): Nicht mehr so angestrengt und angespannt wie 2015. Damals hatten sich ja sehr viele Ehrenamtliche spontan gemeldet und geholfen. Da ging es sehr stark darum, ein erstes Ankommen zu ermöglichen, um Sachspendenverteilung, um Wohnraumversorgung und anderes mehr. Heute geht es mehr um eine langfristige und nachhaltige Integration. Dafür werden Ehrenamtliche weiterhin immer gebraucht. Ohne die Ehrenamtlichen geht es auch nicht.
DOMRADIO.DE: Sind denn viele da, die wirklich bei der Stange geblieben sind?
Hagedorn: Wir hatten im letzten Jahr über 10.000 Ehrenamtliche, die im gemeindlichen oder übergemeindlichen Kontext nach wie vor in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe aktiv sind. Da kommt also eine Energie rüber, die ist ungebrochen.
DOMRADIO.DE: Nennen Sie doch einmal ein konkretes Beispiel, welche Herausforderungen für Ehrenamtliche jetzt gegeben sind.
Hagedorn: Es geht zum Beispiel um das Thema Präsenz und Selbsteinschätzung. Ehrenamtliche müssen auch lernen, sich sich selbst zu behaupten und eine gewisse Selbstsicherheit zu gewinnen. Das ist nötig in der heutigen Zeit, weil viele Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe sich in ihrem privaten und beruflichen Umfeld mittlerweile rechtfertigen müssen, warum sie diese Arbeit immer noch tun, obwohl der politische Mainstream ja leider in eine ganz andere Richtung geht. Da ist heutzutage eher eine Abwehrhaltung bei vielen Menschen zu spüren.
DOMRADIO.DE: Bei der Flüchtlingsinitiative des Erzbistums Köln ging es bei der Gründung um Soforthilfe. Jetzt lautet das große Thema Integration. Was konkret tun Sie da, wie können Sie unterstützen?
Hagedorn: Wir weiten unsere Angebote im Grunde immer mehr aus. Die Sprachkurse beispielsweise, die die Katholischen Bildungswerke anbieten, werden immer intensiver. Es geht mehr und mehr auch um Kinderbetreuung. Verstärkt wird jetzt den Frauen geholfen. Viele hatten sich zu Beginn noch nicht in der Lage gefühlt, an solchen Kursen teilzunehmen. Es geht um eine Stärkung der schulischen Integrationsarbeit durch die Schaffung neuer Sozialarbeiterstellen. Es geht nach wie vor um die Unterstützung der Ehrenamtlichen. Wir bieten Coaching und Supervision für schwierige Situationen von ehrenamtlichen Gruppierungen an. Es geht um die Arbeitsmarktintegration. Wir haben ein tolles Jobpatenprojekt im Erzbistum Köln begründet, wo sich 350 Ehrenamtliche persöhnlich um eine berufliche Orientierung und Eingliederung von Geflüchteten kümmern. Es gibt genug zu tun.
DOMRADIO.DE: Und das wird auch weiterhin so bleiben, oder?
Hagedorn: Ja, wir sind eine lernende Aktion. Wir schauen immer, was vor Ort in den Gemeinden passiert. Was passiert in den Flüchtlingsinitiativen, welche Bedarfe ergeben sich neu in der Integrationsarbeit? Wir reagieren also eher, als dass wir agieren. Das ist eigentlich ein ganz schönes Merkmal der "Aktion Neue Nachbarn". Ich glaube, wir werden noch gebraucht. Ich fände es natürlich toll, wenn wir uns selbst irgendwann überflüssig machen könnten.
Das Interview führte Verena Tröster.
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