Ordensfrau spricht über Bäume als Sinnbild für den Glauben

"Christen sollten ruhig waldbaden gehen"

Schwester Theresia Wittemann berührt den Baumstamm gerne, auch wenn er vom Regen klitschnass ist. Die Dillinger Franziskanerin liebt Holzgewächse wie die Linde draußen vor ihrem Büro.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Theresia Wittemann  / © Christopher Beschnitt (KNA)
Theresia Wittemann / © Christopher Beschnitt ( KNA )

KNA: Schwester Theresia, nach Ihrem Lieblingslied brauche ich wohl nicht zu fragen, oder?

Schwester Theresia Wittemann (promovierte Germanistin, Referentin im Seelsorgeamt des Bistums Augsburg): "Mein Freund, der Baum" von Alexandra gefällt mir schon gut. Dieser Schlager aus den 60er-Jahren handelt ja zum einen von dem, was Bäume Menschen geben können: Trost, Zuflucht und Geborgenheit. Und zum anderen davon, was wir verlieren, wenn wir so einen Baum einfach fällen.

KNA: Genau das hat der "Apostel der Deutschen", der heilige Bonifatius, der Überlieferung nach im 8. Jahrhundert getan: Er hieb im heute hessischen Geismar eine Donar-Eiche um, um die Machtlosigkeit der germanischen Götter unter Beweis zu stellen, von denen Donar einer der wichtigsten war.

Wittemann: Das war ein Gewaltakt, und nicht im Sinne der heutigen Inkulturation. Man hätte auch einfach ein Kreuz an dem Baum befestigen können!

KNA: Bevor wir gleich zum Kreuz kommen: Der Baum lässt sich aus Christensicht ...

Wittemann: ... multiperspektivisch betrachten. Schon im ersten Buch der Bibel erfahren wir von zwei Bäumen im Garten Eden: dem Baum des Lebens und dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Von einem stammt die Frucht, die Adam und Eva verbotenerweise gegessen haben - der berühmte Sündenfall.

KNA: Und später starb Jesus am besagten Kreuz - einem hölzernen.

Wittemann: Ja, durch Jesu Tod wurden wir von unseren Sünden erlöst.

Der Baum ist für Christen also Todes- und Lebensbaum zugleich. In der Geschichte haben Menschen - Christen - immer wieder Bäume als Hinrichtungswerkzeug missbraucht, Scheiterhaufen aufgerichtet oder Galgen gezimmert. Auch die Kirchengeschichte ist leider voll von solchen Momenten, in denen das Evangelium so verdunkelt wurde. Doch gab es auch Zeiten, in denen die Kirche Bäume insofern positiv genutzt hat, als sie sie Gläubigen als Vorbilder empfahl.

KNA: In welcher Hinsicht?

Wittemann: Bäume wachsen ja dem Himmel entgegen und, wenn sie kahl sind, sieht es so aus, als streckten sie ihre Äste im Gebet nach oben. Sie sind fest im Boden verwurzelt, wie es Christen im Glauben sein sollten. Und was für das Leben auf der Erde ganz wesentlich ist:

Sie wandeln Kohlendioxid in Sauerstoff um. Schließlich leben sie mit Verletzungen beziehungsweise integrieren Fremdkörper, was man gut bei Einritzungen oder an eingewachsenen Schildern beobachten kann. Damit werden sie zum Sinnbild dafür, dass man mit dem Glauben Schlechtes zum Guten wandeln kann und dass derjenige, der das Unabänderliche mit Gottvertrauen annimmt, auch verwundet weiterleben kann.

KNA: Klingt das nicht fast ein wenig kitschig?

Wittemann: Mag sein, das ist aber gerade das Faszinierende am Glauben! Man kann es auch rührselig finden, wenn jemand im Frühling das Ausschlagen der Bäume als Symbol für die Auferstehung deutet.

Dennoch ist eine solche Analogie naheliegend für alle, die an ein Weiterleben nach dem Tod glauben. Als Christ kann ich mich freuen, dass ich das Wunder des ewigen Lebens schon hier auf Erden erahnen darf, wenn ich nach Monaten der Kälte und Dunkelheit wieder Licht sehe und frisches Grün entdecke. Ein jahrhundertealter Baum, der austreibt, lehrt mich Ehrfurcht - und Zuversicht. Bäume sind aber nicht nur spirituelle Lehrer, sondern stärken uns auch körperlich.

KNA: Über den Sauerstoff hinaus?

Wittemann: Ja, es ist zum Beispiel längst medizinisch erwiesen, dass sich unser Organismus entspannt, wenn unsere Augen Grün sehen. Der Atem wird ruhiger, der Blutdruck auch. Von der heilsamen "Grünkraft" hat schon die heilige Hildegard von Bingen vor bald tausend Jahren gesprochen. Insofern finde ich an dem Trend des Waldbadens, bei dem Leute die Aromen von Kiefernnadeln einatmen oder das Licht- und Schattenspiel unter den Blättern einer Buche bewundern, nichts Verkehrtes. Aus christlicher Sicht sollte man das ruhig machen: Der Mensch erfährt so seine Naturverbundenheit und sich selbst als Teil eines großen Ganzen, in dem nichts absolut ist, außer Gott.


Mischwald / © Harald Oppitz (KNA)
Mischwald / © Harald Oppitz ( KNA )

Seminar im Wald / © Angela Krumpen (ak)
Seminar im Wald / © Angela Krumpen ( ak )
Quelle:
KNA