Die Zeit drängt. Nordrhein-Westfalen hat zwar als erstes Bundesland im Jahr 2012 islamischen Religionsunterricht eingeführt - aber nur auf Basis eines verfassungsrechtlichen Provisoriums. Weil die muslimischen Verbände noch nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt sind, installierte das Landesparlament ersatzweise einen Beirat, der über Lehrinhalte und -personal bestimmt.
Übergangsgremium läuft aus
Dieses Übergangsgremium aus jeweils vier Vertretern der Landesregierung und der Islamverbände läuft zum 31.Juli aus. Kurz vor Fristende versuchen die Regierungsparteien CDU und FDP ein Alternativmodell durchzubringen - nicht ohne Widerstand.
In Grundgesetz und Landesverfassung ist Religion als ordentliches Lehrfach verankert. Über die Inhalte sollen die religiösen Gruppen selbst bestimmen, so wie es bei den Kirchen der Fall ist.
Voraussetzung ist eine staatliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft. 2011 wurde von SPD, Grünen und CDU die Beiratslösung in der Erwartung beschlossen, dass dies bis 2019 bei den Islamverbänden gelingt. Doch ein solcher Schritt ist bislang nicht erfolgt. Nachdem Ditib-Imamen Spitzel-Tätigkeiten vorgeworfen wurden, kann der deutsch-türkische Moscheeverband dies am wenigsten erwarten.
Öffentlich-rechtlicher Vertrag angestrebt
Der Anfang April eingebrachte Gesetzentwurf von CDU und FDP geht davon aus, dass die Islamorganisationen "im Regelfall" keine Religionsgemeinschaften sind. Die Fraktionen sehen erneut eine bis 2025 befristete Übergangslösung vor. Mit den einzelnen Organisationen soll künftig ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden.
Sie entsenden jeweils einen Vertreter in eine Kommission, die mit Mehrheit über Unterrichtsinhalte und Lehrerauswahl befindet.
Die Fraktionen verweisen auf die "Staatsferne" des neuen Gremiums, in das die Landesregierung keine eigenen Vertreter mehr entsendet. Zudem sei das Gremium offen für viele Organisationen; im Beirat waren neben der Ditib nur der Islamrat (IR), der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime (ZMD) vertreten.
Grundsätzlich könnte auch die neue und für einen weltoffenen Islam stehende "Muslimische Gemeinschaft NRW" des Münsteraner Theologen Khorchide mitwirken.
Von den Islamorganisationen wird erwartet, dass sie landesweit aufgestellt sind, Demokratie und Rechtsstaat achten und dem Land "auf absehbare Zeit" als Ansprechpartner dienen. Sie dürfen aus dem Ausland unterstützt werden, müssen aber ihre Angelegenheiten selbst regeln.
Opposition kritisiert Vorstoß
Die Opposition von SPD und Grünen kritisiert den Vorstoß der Koalition. Wie diese wollen sie den Islamunterricht in deutscher Sprache weiter etablieren. Aber es bedürfe viel mehr Zeit, die verfassungsrechtlichen Fragen zu erörtern, betont der schulpolitische Sprecher der SPD, Jochen Ott.
Die Landesregierung habe viel zu lange mit einem eigenen Gesetzgebungsverfahren gezögert. In einem Antrag fordert die SPD, die jetzige Regelung um ein Jahr zu verlängern. Auch die Grünen-Schulexpertin Sigrid Beer betont, dass "Gründlichkeit vor Schnelligkeit" gehe.
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sieht im Kommissions-Modell eine Weiterentwicklung, da es auch die Vielfalt des Islam berücksichtige. Wie Experten die Sache sehen, wird sich am Dienstag kommender Woche bei einer Anhörung des Schulausschusses zeigen.
Islamverbände zeigen rote Karte
In einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme zeigen die Islamverbände der Regierungskoalition schon mal die rote Karte: Sie pochen auf den Status als Religionsgemeinschaft. Die aktuelle Übergangslösung sei ein Jahr zu verlängern und in dieser Zeit der entsprechende Prüfprozess der Landesregierung abzuschließen.
Die CDU/FDP-Pläne bedeuteten nur eine Fortsetzung des verfassungswidrigen Zustandes. Denn das Land bestimme über die Zusammensetzung der Kommission und bekomme damit indirekt Zugriff auf die Inhalte des Religionsunterrichts.
In einer Zusatzerklärung warnt die Ditib davor, dass der Verband und die anderen etablierten Religionsgemeinschaften zu "Statisten degradiert" würden. Befürchtet wird, dass die Politik "regionale Vereine" nach ihrem Kalkül und nicht "nach Basisrelevanz" aussuche.