Die Entscheidung wurde am Samstagnachmittag auf dem Filmfestival von Cannes bekanntgegeben: Der US-amerikanische Regisseur Terrence Malick erhält für "A Hidden Life" den Preis der Ökumenischen Jury. Die von den kirchlichen Filmorganisationen SIGNIS und INTERFILM getragene Jury zeichnet seit 1974 einen Film aus dem Wettbewerbsprogramm aus, der sich in besonderer Weise den christlich-spirituellen Dimensionen menschlicher Existenz verpflichtet weiß.
Im Mittelpunkt der diesmal für preiswürdig befundenen Produktion steht das Schicksal von Franz Jägerstätter.
Selig gesprochener Jägerstätter nur wenig bekannt
Der von den Nazis wegen "Wehrkraftzersetzung" am 9. August 1943 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtete Bergbauer ist eine in der Öffentlichkeit bislang nur wenig bekannte Gestalt. Während die Biografien vieler Widerstandskämpfer in den letzten Jahrzehnten ausführlich erforscht und gewürdigt wurden, blieb die Figur des aus der oberösterreichischen Gemeinde St. Radegund stammende Bergbauern weitgehend unbeleuchtet.
Das hat wohl auch damit zu tun, dass seine Weigerung, den Eid auf Hitler abzulegen, nicht auf politischen Widerstand abzielte, sondern aus christlichen Überzeugungen erwuchs, die auch innerhalb der katholischen Kirche lange als Ärgernis galten. So dauerte es mehr als ein halbes Jahrhundert, bis Jägerstätter 2007 schließlich doch als ein um seines Glaubens willen verfolgter Märtyrer seliggesprochen wurde.
Malick hat mit seinem Film dieses "verborgene Leben" dem Vergessen entrissen und widmet ihm ein bildgewaltiges Epos, das Glück und Tragik, aber auch die heroische Größe und die exemplarische Dimension Jägerstätters mit großer filmischer Kraft auslotet und von den ersten Bildern an das universale Ringen zwischen Gut und Böse inszeniert.
Jägerstätters Widerstand gegen die braunen Machthaber
Schon die mit einem Choral aus der Matthäus-Passion von Bach unterlegte Eingangssequenz einer paradiesischen Bergwelt wird abrupt mit Ausschnitten aus Leni Riefenstahls NS-Propagandafilm "Triumph des Willens" und Wochenschauaufnahmen vom Überfall auf Polen kontrastiert, die das Glück der trunkenen Idylle in den Kontext des zerstörerischen Nationalsozialismus zwingt.
Der Ungeist der neuen Zeit breitet sich auch in der bäuerlichen Bergwelt aus, wo Jägerstätter und seine Frau Fani mit drei kleinen Kindern ein zwar arbeitsames, aber glücklich-frommes Leben führen.
Sein wachsender innerer Widerstand gegen die braunen Machthaber eckt bald an. Einer ersten Einberufung zum Militärdienst leistet er zwar Folge, doch ein zweites Mal will er nicht mitmachen, allen Ratschlägen des Dorfpfarrers oder auch des Bischofs zum Trotz. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen; diese Überzeugung kann Jägerstätter nicht relativieren, selbst wenn dies in der Konsequenz darauf hinausläuft, dass er hingerichtet würde und seine Frau und Kinder einem ungewissen Schicksal entgegengingen.
Ökumenische Jury lobt differenzierte Darstellung
Der epische Film gibt den äußeren und inneren Anfeindungen Jägerstätters durch die Dorfgemeinschaft, aber auch den Torturen im Gefängnis viel Raum, emotional mitunter extrem zugespitzt, was neben den herausragenden Leistungen der Schauspieler - August Diehl als Franz Jägerstätter, Valeria Pachner als seine Frau Fani - zu den großen Stärken der Inszenierung zählt. Sie verweilt lange auf den Qualen in der Zelle oder der Ungewissheit der Ehefrau verweilt.
Die Ökumenische Jury lobt in ihrer Preisbegründung nicht nur die differenzierte Darstellung des menschlichen Dramas von Franz und Fani Jägerstätter, sondern hebt auch den Umgang mit dem Gewissensthema hervor. Der Film, so die Jury, vermittle eine Ahnung davon, dass die innere Richtschnur im Extremfall keine Rücksicht auf konkrete materielle oder gesellschaftliche Bedingungen nehme.
Auch Hauptdarsteller Diehl unterstrich in Interviews, wie sehr ihn der Gewissensaspekt an der Figur von Franz Jägerstätter faszinierte, der aus einem tiefen inneren Impuls heraus gehandelt habe, einem "Nein", das in der Gegenwart allzu oft rationalisierend relativiert und verwässert werde. Jägerstätter hingegen sei einer gewesen, der die Überzeugung "Das ist falsch" nicht beiseiteschieben wollte oder konnte.
Von Josef Lederle