Vorbereitung auf Evangelischen Kirchentag in Dortmund

"Aus der Krise neue Chancen gewinnen"

Es soll ein lebendiger und diskussionsfreudiger Kirchentag werden, der in drei Wochen in Dortmund beginnt. Er biete auch eine Chance für die Evangelische Kirche. Sie stecke in einer Vertrauenskrise, so der Kirchentagspräsident.

Kreuz auf einem Altar / © Markus Nowak (KNA)
Kreuz auf einem Altar / © Markus Nowak ( KNA )

DOMRADIO.DE: Das Thema "Vertrauen" spielt eine große Rolle auf dem Kirchentag, schließlich lautet Ihre diesjährige Losung, aus dem 2. Buch der Könige, "Was für ein Vertrauen". Kann man den christlichen Kirchen noch vertrauen?

Der Journalist und Kirchentagspräsident Hans Leyendecker / © Oliver Berg (dpa)
Der Journalist und Kirchentagspräsident Hans Leyendecker / © Oliver Berg ( dpa )

Hans Leyendecker (Kirchentagspräsident): Die christlichen Kirchen werden, wie andere Institutionen auch,  von Krisen durchgeschüttelt und es fehlt oft an Vertrauen. Das gilt für Parteien, das gilt für Gewerkschaften, das gilt auch für Kirchen. Aber die Kirchen sind ja nicht für sich allein, sondern sie sind Kirche Jesu Christi. Und einer Kirche Jesu Christi muss man vertrauen können, sonst hat man gar keinen Boden mehr in der Gesellschaft. Ich glaube, dass Kirchen eine Menge tun können, um auch mehr Vertrauen zu finden und auch um die Krise, die es zweifelsohne gibt, entweder kleiner zu machen oder aus der Krise auch neue Chancen zu gewinnen.

DOMRADIO.DE: Und dennoch: Die Zahl der Kirchenmitglieder ist rückläufig. Sehen Sie das als Chance für die Ökumene?

Leyendecker: Die Zahl ist stark rückläufig und man soll aus rückläufigen Zahlen nicht unbedingt etwas Positives machen. Ich glaube aber, dass wir darüber reden können, dass sich möglicherweise dann auch eine Menge mehr in Bereichen tut, in denen sich bisher zu wenig tut: Das gilt für die Ökumene; dass also beide großen Kirchen Häuser gemeinsam nutzen; dass man vor Ort sehr viel stärker zusammenarbeitet. Ich glaube auch, dass man lernen muss, andere Gottesdienste zu machen. Da gibt es viele Ideen, in Gemeinden Mission neu zu denken: Wohnzimmer-Gottesdienste, Cafés, Vesper-Gottesdienste; also sich mehr um den Auftrag zu kümmern und nicht so zu verharren in dem, was man immer schon gemacht hat.

DOMRADIO.DE: Wir wissen, dass die Wiedervereinigung der Kirche spätestens am Eucharistieverständnis scheitert. Wie stellen Sie sich Ökumene in 40 Jahren vor?

Leyendecker: Ich glaube, dass Dogmatiker Dogmen lieben, und dass es auch ganz feinsinnige Erklärungen dafür geben kann, warum nicht Katholiken und Protestanten gemeinsam zum Abendmahl, zur Eucharistie gehen. Nur darüber wird auch die Zeit hinweggehen. Ich glaube, da findet man wirklich selbst seinen Weg. Die Not macht auch das, was man immer mit Formeln bedeckt, was man immer sagt, warum es nicht sein kann, obsolet. Es wird sehr viel mehr gemeinsame Arbeit in den Gemeinden geben, davon bin ich überzeugt.

2017 haben wir Ansätze gesehen. Wenn wir auf die Probleme der jeweiligen Kirchen sehen – beispielsweise bei den Katholiken sind glaube ich seit 2000 über 300 Kirchen entweiht worden – da muss man was tun. Dazu gehört auch, dass man diejenigen, die an Jesus Christus glauben, einbezieht.

DOMRADIO.DE: Kirchentage, Katholikentage, Weltjugendtage – sind ja in der Regel Glaubensfeste für die Kirchen-MITGLIEDER. Wie kann es denn gelingen, wieder Menschen zurückzugewinnen, die der Institution Kirche misstrauen?

Leyendecker: Das müssen die Kirchen zum einen selbst machen. Kirchentage sind davon ein bisschen unabhängig. Wir sind kein Kirchentags-Event, wir sind eine Laien-Bewegung. Der Kirchentag hat sich auch immer unterschieden von dem was in der Kirche passiert. Wenn wir auf die Zahlen gucken: 30 Prozent der Leute, die zum Kirchentag kommen, sind unter 30. Wenn Sie sonntags zum Gottesdienst kommen, da haben Sie ein anderes Bild. Da haben Kirchentage auch durch die Vielzahl der Formen etwas erreicht, was die Kirchen nicht schaffen.

Ich habe viele Rundreisen gemacht, war viel in der Kirche, war auf Fachkonferenzen und habe auch viel Frust erlebt. Also so Leute, die sagen: "Ich habe alles gemacht", also Lukas Fünf: "Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen." Das gibt es ganz häufig. Aber es gibt auch ganz tolle Entwicklungen und es gibt großartige Leute, die versuchen zurückzugewinnen. Ich glaube, diesen großartigen Leuten den Rücken zu stärken, auch darauf kommt es an.

Das Interview führte Julia Reck.

Inhalt fehlt.

Quelle:
DR