Papst Franziskus am zweiten Tag seiner Rumänien-Reise

Prediger gegen zunehmenden Nationalismus

Am zweiten Tag in Rumänien lobt Papst Franziskus kulturellen Reichtum und widerspricht Tendenzen einer nationalistischen Wallfahrt. An diesem Sonntag beendet Franziskus seine Reise. Er wird sieben Bischöfe selig sprechen.

Papst Franziskus vor dem Kulturpalast in Iasi / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus vor dem Kulturpalast in Iasi / © Andrew Medichini ( dpa )

Petrus meint es nicht gut mit seinem Nachfolger am zweiten Tag von dessen Rumänienreise. Wegen schlechten Wetters muss die Route der päpstlichen Anreise in den Wallfahrtsort Sumuleu Ciuc in den Ostkarpaten verlegt werden. Dorthin sind etwa 80.000 bis 100.000 Gläubige gekommen. Seit den frühen Morgenstunden haben sie sich die feuchten Abhänge des Geländes hochgekämpft.

Etliche hätte den Papst beinahe nicht einmal auf den Großbildschirmen sehen können. Doch kurz bevor Franziskus mit dem Papamobil auf dem schlammigen Schotterweg des Gottesdienstgeländes eine Runde dreht, lichten sich die niedrig hängenden Wolken. Auch der bis dahin anhaltende Regen hört auf.

Papst: Wallfahrt hrt rumänische und ungarische Tradition

Seit dem 15. Jahrhundert ist die Muttergottes von Sumuleu Ciuc das Ziel ungarischer und ungarischstämmiger Wallfahrer. Unter den Kommunisten verboten, wurde die Wallfahrt ab 1990 langsam wiederbelebt. In den vergangenen 15 Jahren aber wurde sie zunehmend auch zu einer Demonstration des ungarischen Nationalismus unter Rumäniens größter Minderheit. Die Regierung beobachtet diese Entwicklung nicht ohne Sorge.

Der Papst setzt dem in seiner Predigt eine andere Interpretation entgegen: Die Wallfahrt ehre "zugleich die rumänische wie die ungarische Tradition", sei "ein Symbol des Dialogs, der Einheit und der Brüderlichkeit". Die Menschen sollten sich "durch das Gerede und die Verwundungen, die Spaltung und Zersplitterung hervorrufen", nicht ihre "gelebte Brüderlichkeit rauben lassen".

Papst: Brüderliches Zusammenleben

"Tausend Jahre lang gehörten wir zu Ungarn, erst seit 100 Jahren zu Rumänien", ist hier öfter zu hören. Vertreter von Rumäniens größter Minderheit debattieren mit Bukarest über weitere Rechte. Und so wird Franziskus noch deutlicher: "Die verwickelten und traurigen Geschichten der Vergangenheit sollen nicht vergessen oder geleugnet werden, aber sie dürfen auch kein Hindernis oder ein Argument dafür sein, das ersehnte brüderliche Zusammenleben zu verhindern."

Dass die auf Italienisch gehaltene Predigt des Papstes zuerst auf Rumänisch und dann auf Ungarisch übersetzt wird, hat daher auch politische Bedeutung. Zunächst, so berichteten Mitarbeiter des Bistums Alba Iulia, habe es angeblich auf Drängen der staatlichen Behörden nur eine rumänische Übersetzung geben sollen.

Franziskus im Papamobil umjubelt

Als Papst Franziskus nachmittags in Iasi eintrifft, hat Petrus sich eines Besseren besonnen. Die Sonne bricht durch die Wolken und trocknet die Straßen der Stadt im Nordosten Rumäniens langsam ab. Mittags hatte es hier noch gehagelt. Hier, wie schon in Bukarest, sind die Straßen mit rumänischen und vatikanischen Flaggen geschmückt. Hunderte Menschen säumen an mehreren Stellen die Route, die der päpstliche Tross in die Innenstadt nimmt.

Rund um die erst 2005 errichtete, sehr modern in Form einer Krone gestaltete katholische Kathedrale "Maria Königin", haben sich rund 100.000 Menschen versammelt. Diese Zahl nennen zumindest die örtlichen Veranstalter. Da sich die Gläubigen und Neugierige auch auf Seitenstraßen verteilen, ist eine Schätzung schwierig. Nach einem kurzen Gebet in der Kirche fährt Franziskus umjubelt im Papamobil zu dem einen Kilometer entfernten Kulturpalast.

Rede vor dem Kulturpalast

Das neugotische Gebäude mit einem Uhrturm, der entfernt an Big Ben in London erinnert, bietet eine imposante Kulisse für das katholische Oberhaupt, das auf dem Platz davor seine zweite Ansprache dieses Tages hält. Zumal Iasi mit rund 100 orthodoxen Kirchen als ein Zentrum der orthodoxen Kultur gilt. Seit Anfang Mai ist Iasi zudem für ein Jahr lang auch Rumäniens "Hauptstadt der Jugend".

Das Land will damit Ausbildung und Engagement junger Menschen fördern, zu internationaler Begegnung einladen und das allgemeine Bewusstsein für die Jugend stärken. Für das auswanderungsgeschwächte Rumänien ist dies eine Zukunftsfrage, für Franziskus eine Steilvorlage. Zu seinem Glauben stehen, gemeinsame Wege in die Zukunft eröffnen, Gastfreundschaft erweisen, menschliche Beziehungen in Liebe pflegen - das mache "Pilger des 21. Jahrhunderts" aus, die zu werden Franziskus die Menschen aufruft. Der Himmel über Iasi ist inzwischen fast ganz blau.

Sonntag: Seligsprechung auf dem Programm

An diesem Sonntag wird Franziskus seine Rumänien-Reise beenden. Im siebenbürgischen Blaj spricht er sieben Bischöfe selig, die in der Zeit kommunistischer Unterdrückung im Gefängnis starben. Weiter steht eine Begegnung mit Angehörigen der Roma auf dem Programm. Sie bilden die zweitgrößte Minderheitengruppe in Rumänien und sind besonders von Armut und Ausgrenzung betroffen.


Papst Franziskus feiert eine Messe in Sumuleu Ciru / © Andreea Alexandru (dpa)
Papst Franziskus feiert eine Messe in Sumuleu Ciru / © Andreea Alexandru ( dpa )

Papst Franziskus bei der Messe / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus bei der Messe / © Andrew Medichini ( dpa )

Familie beim Treffen mit Franziskus in Iasi / © Paul Haring (KNA)
Familie beim Treffen mit Franziskus in Iasi / © Paul Haring ( KNA )

Ein Mädchen umarmt Franziskus in Iasi / © Andrew Medichini (dpa)
Ein Mädchen umarmt Franziskus in Iasi / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
KNA