Vor 40 Jahren starb Heinz Erhardt

Komiker, Literat, Pianierer

Im kollektiven Gedächtnis steht er bis heute vor allem für den "Willi Winzig" der Wirtschaftswunderzeit. Doch Heinz Erhardt war viel mehr, ein Multitalent; ein leiser Literat, ein Schelm, ein Pianist mit List. Vor 40 Jahren starb er.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Heinz Erhardt in dem Film "Natürlich die Autofahrer" / © akg-images GmbH (epd)
Heinz Erhardt in dem Film "Natürlich die Autofahrer" / © akg-images GmbH ( epd )

Wenn der US-Kollege Groucho Marx einst witzelte, er besitze die drei kürzesten Bücher der Weltliteratur - "Geheimnisse der britischen Küche", "Italienische Kriegshelden" und "Tausend Jahre deutscher Humor", so strafte ihn Heinz Erhardt zumindest im letzten Fall Lügen. Sein nie enden wollender Wortwitz ließ ihn immer "noch'n Gedicht" verfassen. Vor 40 Jahren, am 5. Juni 1979, ist Erhardt gestorben.

Hintersinnige Wortverdrehungen

Der Humor des multitalentierten Literaten und Pianierers basiert auf hintersinnigen Wortverdrehungen. Sein lyrisches Talent, das sich "klassisch-erstklassisch", "tierisch-satirisch" oder in verblüffend pointierten Vierzeilern äußern konnte, erklärte er selbst ganz profan: Eines Tages sei ihm eine gute Fee erschienen und habe gefragt, was er einmal werden wolle. Und er habe mit Blick auf seine etwas feuchten Windeln entgegnet: "Liebe Tante, ich möcht' gern dichter werden!"

Der Weg dahin verlief allerdings nicht schnurgerade. Seinen Geburtstag 1909 in Riga beschrieb er selbst so: "Es war an einem 20. Februar. Das Thermometer zeigte 11 Grad minus und die Uhr 11 Uhr vormittags, als vor unserem Haus das Hauptwasserrohr platzte. Im Nu war die Straße überschwemmt und im gleichen Nu gefroren. Die umliegenden Kinder kamen zuhauf, um auf ihren Schuhen schlitt zu laufen. Ich selbst konnte mich an diesem fröhlichen Treiben nicht beteiligen, weil ich noch nicht geboren war. Dieses Ereignis fand erst gegen Abend statt. Und da war die Eisbahn längst gestreut und unbrauchbar geworden. Das Eislaufen habe ich bis heute nicht gelernt."

Es folgten: die Kindheit bei den Großeltern in Riga, herumgeschoben zwischen den getrennt lebenden Eltern; insgesamt 15 Schulwechsel, die ihn letztlich das Abitur schmeißen ließen. In einem Internat bei Hannover entstanden ab 1921 die ersten Werke. Lustlos blieb er als Musikalienhändler im großväterlichen Geschäft; lustvoller war es dagegen, auf den Instrumenten im Laden zu spielen und zu komponieren.

Die Liebe seines Lebens, Gila, lernte Erhardt 1934 in einem Rigaer Fahrstuhl kennen. Die Diplomatentochter schickte ihn erst nach oben, dann nach Berlin, wo er kurz vor Kriegsausbruch reüssierte.

Selbstkritischer Perfektionist

Zeitlebens blieb seine Ehefrau die entscheidende Testperson für die Pointen des selbstkritischen und stets lampenfiebernden Perfektionisten.

Viel bekannter noch als seine ausgefeilten Bühnenauftritte - wenn auch weit weniger witzig - sind dem breiten Publikum seine Film-Charaktere der 50er Jahre. In der "Komiker"-Ecke immer ein wenig unterschätzt, steht er tatsächlich in einer Reihe mit Erich Kästner, Wilhelm Busch, Ringelnatz oder Morgenstern. Die Namen fallen oft, wo man seine Gedichte vom Alten Fritz, von der Nase, den alten Zähnen oder dem Pechmariechen rezitiert.

So blieb er, "auch wenn's mir schwer ward", immer der ... Heinz Erhardt. Seit einem Schlaganfall 1971 konnte er nicht mehr sprechen und schreiben - eine Tragödie für den Wortartisten. Erhardt zog sich zurück. Vier Tage vor seinem Tod ehrte ihn die Bundesregierung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.

Posthum unveröffentlichte Texte und Lieder

Knapp vier Jahrzehnte danach dann durften Erhardt-Fans noch einmal jubeln. Im Oktober 2016 erschienen posthum einige unveröffentlichte Texte und Lieder aus seiner Jugendzeit, als noch gar keine Karriere "am Klavizimbel" abzusehen war. Sie hatten über Jahrzehnte unbeachtet als Bündel ungeordneter Notizen und Notenblätter verschnürt auf dem Dachboden seines Hauses in Hamburg-Wellingsbüttel, dann im Musikarchiv geschlummert.

Das späte Frühwerk brachte ihm dann auch fast noch neue Engagements ein. Über die offizielle Erhardt-Homepage gingen Anfragen bei den Erben ein. So fragte ihn Ende 2016 eine Mitarbeiterin einer Pharmafirma für ein "Kundenevent in der Steiermark" an.

Erhardts Enkelin antwortete: Ein Auftritt ihres Großvaters sei leider nicht mehr möglich, "da er bereits 1979 verstorben ist. Zudem wäre er mittlerweile fast 108 Jahre alt und wahrscheinlich nicht mehr so richtig geeignet für einen Showauftritt." Heinz Erhardt selbst hätte wohl geantwortet: "Nicht immer war ich schon so alt, das machten erst die Jahre."


Quelle:
KNA