Mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen, möglichst frei sprechen und die Leute dabei anschauen. Nicht zuviel mit den Händen gestikulieren und dennoch Lebendigkeit und Zugewandtheit ausstrahlen. Eine aufrechte Körperhaltung einnehmen, die Stimme bei einzelnen Wortbetonungen heben und vor allem gut artikulieren. Auch für die Zuhörer in der vorletzten Kirchenbank. Das sind viele Hinweise auf einmal, die Markus Höfer gleichzeitig abrufen muss, will er sich der Gemeinde als "Neuer" im Seelsorgeteam vorstellen. Aber auch die Auslegung eines Bibeltextes soll überzeugen. Da hilft es, alle sprachtechnischen Kniffe zu beherrschen. Sprecherzieherin Barbara Schachtner jedenfalls gibt gut gemeinte Tipps, an welchen Stellen es noch hapert und der Priesteramtskandidat seinen Vortrag optimieren könnte. "Improvisatorisches Reden" lautet diese Unterrichtseinheit auf dem Stundenplan der Seminaristen, mit denen sie auf die Praxis vorbereitet werden sollen. Und die Dozentin für das Fach Praktische Rhetorik spart nicht mit konstruktiver Kritik. Schließlich weiß sie: Auch die Verpackung muss stimmen. Wichtig ist nicht allein, was gesagt, sondern wie es gesagt wird.
Kochkurs und Medienpädagogik gehören zur Ausbildung
Am späten Vormittag schnibbelt Höfer dann mit den anderen Kandidaten seines Weihejahrgangs Gemüse. Unter Anleitung von Hauswirtschafterin Dorothea Stahl bereitet er mit Paolo R. und Benedikt Kellermann in der Küche des Kölner Priesterseminars ein Drei-Gänge-Menü mit Suppe, Rouladen und Apfelkuchen vor. Die Selbstversorgung in einem Single-Haushalt, der immer seltener eine Haushälterin vorsieht, will ebenfalls möglichst realitätsnah geübt werden. Denn wer dauerhaft rund um die Uhr für die Menschen da sein will, muss trotzdem zunächst einmal in der Lage sein, seinen eigenen Alltag zu organisieren, und möglichst eine Vielzahl an praktischen Fertigkeiten aufweisen. Neben einem Kochkurs gehört dazu auch der Umgang mit den sozialen Medien, die zum Beispiel sinnvoll in der Jugendpastoral eingesetzt werden können. Aber auch der mit den Medien überhaupt. Schließlich gibt es dazu in der Ausbildungsstätte für angehende Priester in der Kardinal-Frings-Straße bereits seit vielen Jahren eine regelmäßige Schulung durch Profis.
Denn trotz aller Konzentration auf den geistlichen Teil dieses Weges mit Stundengebet und täglichen Gottesdiensten, wie er hier von Regens Hans-Josef Radermacher und seinem Team behutsam begleitet wird – auch auf die Außenwirkung eines Priesters kommt es heutzutage an. Und auf die Kunst, mit der eigenen Lebensführung jederzeit Vorbild zu sein und trotzdem mit besonderen Begabungen nicht hinterm Berg zu halten. Menschenfischer in kirchlich unruhigen Zeiten zu sein – das erfordert vor allem Authentizität, will diese Berufung dauerhaft gesund gelebt werden.
Individuelle Biografie und spezielles Profil
Höfer, R. und Kellermann gehören zu den fünf Seminaristen, die Mitte Juni zu Diakonen geweiht werden. Damit gehen sie konsequent den nächsten Schritt in ihrer dreijährigen Ausbildungszeit im Priesterseminar. Auch wenn jeder Weihejahrgang zu einer eigenen kleinen Gemeinschaft zusammenwächst, bringt doch der Einzelne seine sehr individuelle Biografie und natürlich auch ein spezielles Profil mit. Höfer zum Beispiel, der zunächst eine Ausbildung zum Kommunikationselektroniker absolviert, seinen Arbeitsalltag in einem kleinen Betrieb aber nicht als ausfüllend erlebt hat und mit 40 bereits der Älteste unter seinen Kollegen ist, betrachtet die Kirche als einen Ort seiner Kindheit, der ihm vertraut ist und an dem er sich immer wohl gefühlt hat.
Rückblickend gibt es da kein Aha-Erlebnis, das am Anfang seiner Entscheidung für das Priestertum stand. Eher spricht er von einer "organischen Berufungsgeschichte". "Ich bin als Messdiener und Gruppenleiter bei Ferienfreizeiten in die Gemeindestruktur hineingewachsen und wollte in der Kirche schon immer mitmachen." Als Höfer nach dem frühen Tod des Vaters mit 19 Jahren auch seine Mutter verliert, erlebt er in seiner Gemeinde Seelsorger, die sich kümmern und ihn auffangen. "Ein Kaplan, der Tag und Nacht für die Menschen erreichbar ist, ein Ohr für den anderen hat – das fand ich einfach cool. Seine Begeisterung für diese Aufgabe wirkte ansteckend."
Seminaristen bilden gesellschaftlichen Querschnitt ab
Die Anforderungen an einen Priester würden immer größer, schildert er seine Wahrnehmung und betont: "In diesem Beruf kann man nicht nur Mitläufer sein. Da muss man mit ganzem Herzen dabei sein. Wenn wir das Seminar verlassen, sind wir unmittelbar auf uns alleine gestellt." Gerade deshalb sei es auch wichtig, neben der Ausbildung im Priesterseminar an privaten Kontakten festzuhalten: zu Freunden wie auch zu Freundinnen. Allein schon, um sich nicht in einer reinen Männergesellschaft vor den Problemen der Welt abzukapseln. Andererseits freue er sich schon jetzt, bei Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen Menschen in wichtigen Situationen ihres Lebens zur Seite zu stehen. "Solche Gelegenheiten sind pastoral einmalige Chancen." Aber die Unwiederbringlichkeit eines solchen punktuellen Kontakts erhöhe eben auch den Druck, dass er gelingen muss.
"Die Zeit im Seminar ist wie eine Schonzeit, bevor es ernst wird, und die Gemeinschaft Gleichgesinnter trotz sehr unterschiedlicher Persönlichkeiten sicher auch ein eigener Mikrokosmos, findet Höfer. Trotzdem bildeten auch die Seminaristen nur den gesellschaftlichen Querschnitt ab, seien daher Menschen mitten aus dem Leben. "Denn die Kirche lebt nun mal in dieser Welt. Also sind auch wir ein ganz normaler Teil von ihr."
Sein Leben in den Dienst Gottes stellen
Eine ganz andere Facette bringt Paolo R. in die Gruppe der angehenden Diakone ein. Er stammt aus einer italienischen Großfamilie mit zehn Kindern, gehört der geistlichen Gemeinschaft des Neokatechumenalen Weges an und kennt es nicht anders, als dass man sein Leben in den Dienst Gottes stellt. Denn als sich seine Eltern innerhalb dieser Bewegung dazu entschieden, als "Familie in Mission" – ein bekanntes Charisma innerhalb des Neokatechumenalen Weges – von Rom nach Hamburg zu gehen, wuchs R. ganz selbstverständlich in die Erfahrung hinein, der Vorsehung zu vertrauen.
Der 31-Jährige gehört dem "Redemptoris Mater" an, einem der weltweit über 120 Priesterseminare des Neokatechumenats, und ist überzeugt davon, dass ihm die neokatechumenale Gemeinschaft dabei geholfen hat, seine Berufung zum Priestertum zu entdecken. Und sie sorgt auch dafür, dass er in Köln – neben seinen Ansprechpartnern im Seminar – ein verlässliches Beziehungsgeflecht hat. Das ist für R. sehr konkret eine Gemeinschaft, die er zweimal pro Woche trifft und die für ihn wie eine zweite Familie ist. Hier begegnet er Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen: jungen Familien, Alleinstehenden, Priestern und Studenten.
"Wir sprechen dieselbe Sprache, haben dieselbe Prägung und geistliche Basis. Das ist sehr hilfreich und das Fundament, auf dem ich stehe." Seit zehn Jahren fühlt er sich in dieser Gemeinschaft spirituell beheimatet, wo er viele Einblicke in das reale Leben bekommt – "auch in das von Seelsorgern, die nicht frustriert, sondern in ihrer Art, den Glauben zu leben, überzeugend sind", erklärt R. Trotzdem habe er zu keiner Zeit den Druck verspürt, auf jeden Fall auch Priester werden zu müssen. Das sei kein Automatismus gewesen, sagt er.
"Niemand muss für sich bleiben"
Nach dem Studium hat R. ein dreijähriges Missionspraktikum in Spanien absolviert. Nun spricht er zu Deutsch und Italienisch auch noch fließend Spanisch und verkörpert überhaupt den Typ Seelsorger, der sich – angesichts seiner großen Herkunftsfamilie – gut mit Menschen auskennt und gelernt hat anzupacken. Er joggt gerne, kocht in Gesellschaft mit anderen, geht schon mal ins Kino oder aber outet sich als begeisterter "Tifoso" seines Lieblingsvereins Juventus Turin.
Angst vor dem Alleinsein? Der junge Mann mit seiner gewinnenden Natürlichkeit weiß, dass er beim letzten Schritt auf die Entscheidung zur Weihe ohnehin allein ist. "Aber es hilft mir, dass wir uns als Kurs gemeinsam auf dieses Ziel vorbereiten, hier im Seminar eine feste Tagestruktur mit Gebetseinheiten, Gesprächen, aber auch Freiräumen haben. Niemand muss für sich bleiben. Wir erleben denselben Kampf gemeinsam. Trotzdem flüchten wir nicht vor der Welt. Ganz im Gegenteil. Wir folgen dem Ruf Gottes, um am Ende in die Gemeinden hinein missionarisch zu wirken." Er werde aus einer zutiefst geistlichen Motivation heraus Priester.
Gott hat für jeden Menschen einen Plan
Das schließt nicht aus, dass der jahrelange Weg zur Weihe nicht auch holprig verlaufen kann. Benedikt Kellermann, ebenfalls spirituell beheimatet beim Neokatechumenat, nennt seine Entscheidung da eher ein Ringen mit Gott – und auch umgekehrt: Gott habe immer wieder spürbar um ihn geworben. Angefangen hat das bei einem der traditionellen Treffen dieser geistlichen Gemeinschaft im italienischen Porto San Giorgio. Dort wollte sich der damals 18-Jährige, der ebenfalls aus einer großen Familie mit sieben Geschwistern stammt, prüfen. Denn er ist davon überzeugt, dass Gott für jeden Menschen einen Plan hat. In seinem Fall ist es die Berufung zum Priestertum und damit zur Verkündigung der Frohen Botschaft. Da ist sich Kellermann mittlerweile sicher.
Doch das war nicht immer so. Nach dem Abitur und dann auch während der ersten Semester seines Theologiestudiums habe er die Priesterweihe lange eher nur "als Option" betrachtet – auch weil er eigentlich mehr der lösungsorientierte Mathe-Physik-Typ sei, wie er sagt. Die Theologie war ihm da zu abstrakt: "nicht ganz meine Welt". So fiel ihm diese Wissenschaft, gepaart mit Philosophie, zunächst auch richtig schwer und habe immer wieder Zweifel an dem Ruf Gottes gesät, bekennt er rückblickend.
Missionspraktika in Brasilien, Israel und Dubai
Die Wende bringt ein Missionspraktikum in Brasilien nach dem Weltjugendtag in Rio. Die Lektüre der Bibel – das einzige Buch auf Deutsch, das er mithat – stößt ihn immer wieder auf dieselbe Stelle: Auch der Prophet Jona tut zunächst das Gegenteil von dem, was Gott von ihm will. "In dieser Geschichte habe ich mich wiedererkannt", erzählt Kellermann, der in dieser Zeit für sich erfährt, dass er Gott nicht entkommen kann. "Dort, weit weg von daheim, habe ich ihn als ein konkretes Gegenüber erfahren. So oft ich auch weglaufe oder auch in eine andere Richtung – immer holt er mich doch zurück." Ein Auslandsjahr in Israel und auch ein dreimonatiger Aufenthalt in Dubai in der weltgrößten katholischen Gemeinde – vertieft für den Studenten aus München die Erfahrung: Gott begegnet mir, er führt mich und wird mich nicht enttäuschen, wenn ich mich ganz für ihn entscheide. "Gott zeigt sich in einer bedingungslosen Liebe und antwortet immer mit Liebe, auch wenn ich ihn mit meiner eigenen Unfähigkeit verrate."
Als begeisterter Fußballspieler liebt Kellermann Ballsportarten aller Art, die für ihn ein wichtiger Ausgleich zu der vielen geistigen und geistlichen Arbeit sind. Und er liebt es, unter Menschen zu sein. "Wer aus einer Großfamilie kommt, kennt das nicht anders." Auch im "Redemptoris Mater", wo er während seines Studiums gelebt hat, und jetzt im Kölner Priesterseminar helfe ihm bei Durchhängern die "Vita communis", erklärt er. Außerdem betrachtet er die Zeit in der Priesterausbildung als eine Konkretisierung seiner Zusage – wie auch die praktischen Einsätze in der Gemeinde mit konkreten Aufgaben und konkreten Menschen. Heute sagt der 28-Jährige: "Sich ganz für Gott zu entscheiden bedeutet, eine totale Liebesbeziehung mit einem persönlichen Du einzugehen. Nach diesen neun Jahren der Vorbereitung, in denen ich auch viel mit Gott gekämpft habe, bin ich nun fast angekommen."