DOMRADIO.DE dokumentiert in Auszügen die Ansprache von Frère Timothée (Bruder der Gemeinschaft von Taizé) während der Lichterfeier auf dem Kirchentag in Dortmund. Hier geht's zum Video der Ansprache, zur Lichterfeier und den schönsten Bildern.
Frère Timothée (Bruder der Gemeinschaft von Taizé)
"Manche Lieder mag man kaum singen, wenn man an die Betroffenen von Unrecht denkt. Und an die Dinge die Menschen anderen Menschen antun können. Wir sind als Communauté in einer schwierigen, aber notwendigen Phase unserer Geschichte. Wir haben vor zwei Wochen fünf Missbrauchsfälle aus den 50er bis 80er Jahren durch drei Brüder unserer Gemeinschaft der französischen Staatsanwaltschaft gemeldet - mit Einverständnis der Betroffenen.
Natürlich gehen unsere Gedanken zuerst zu den betroffenen Personen und ihren Angehörigen. Als sie auf uns zugekommen sind, haben wir Ihnen ohne Zögern geglaubt. Zunächst war es nicht ihr Anliegen, das Geschehene öffentlich zu machen. Aber mit der Zeit haben wir gemeinsam mit ihnen verstanden, wie notwendig es ist auch öffentlich darüber zu sprechen. Wir Brüder denken, dass wir die Offenlegung den betroffenen Personen schuldig sind. Wie auch all denen, die einen Ort der Wahrheit und des Vertrauens suchen.
"Vorfälle sind erschütternd"
Wir sind uns unter uns Brüdern bewusst, dass auch für Menschen, die nicht selbst oder im eigenen Umfeld Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht haben, die Vorfälle erschütternd sind - wie auch für uns selbst. Für viele ist Taizé ein Ort des Vertrauens. Dieses Vertrauen verpflichtet uns und wir wollen alles tun, dieses Vertrauen zu wahren und ihm gerecht zu werden.
Ich verurteile in aller Deutlichkeit, sollte ein Bruder seine Autorität missbrauchen um einer anderen Person Schaden zuzufügen. Gleichzeitig möchte ich heute Abend auch sagen: Wir Brüder sind keine besseren Menschen als irgendjemand sonst. Wir haben eine Wahl getroffen, unser Leben in einem bestimmten Rahmen zu leben.
"Wir sind nicht näher an Gott"
Dieser Rahmen ist geprägt vom Gemeinschaftsleben und vom gemeinsamen Gebet. Wir sind aber deswegen nicht näher an Gott und schon gar nicht moralisch oder geistlich höher stehender als jemand anderes. Wir sind genauso auf dem Weg wie alle anderen auch.
Taizé ist keine heile Welt. Das haben wir nie behauptet und wollen wir auch nicht vorspiegeln. Die schmerzvollen Ereignisse führen uns das vor Augen. Auch wenn viele mit unserem kleinen Dorf auf einem Hügel in Burgund viele positive Erinnerungen verbinden. Wir sind nicht eine Stadt auf einem Berg. Und schon gar nicht die Stadt, die vom Himmel herabkommt.
"Im Blick aufs Kreuz miteinander"
So hilfreich kirchliche und christliche Kontexte manchmal sein können, diese Neuschöpfungen und Hoffnungsvisionen stehen leider oder glücklicherweise noch aus. Nach ihr können wir uns nur ausstrecken inmitten der Gebrochenheit unserer Welt. Diese Gebrochenheit können wir manchmal nur leidend aushalten. In Stille. Im Gebet. Im Blick aufs Kreuz miteinander.
Aber vielleicht kann uns manchmal mitten in diesem Aushalten das Wort des Auferstandenen erreichen, das wir im Evangelium gehört haben. Er sagt nicht platt 'Alles wird gut'. Nein, er sagt: 'Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt und darüber hinaus.'
Gott wird abwischen alle Tränen von unseren Augen. Das ist die Zusage die im Evangelium steht. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger."
Interview mit Frère Alois zu den Missbrauchsvorwürfen