In der Evangelischen Trinitatiskirche in Köln erzählen Ensembles der Erzbischöflichen Liebfrauenschule Köln an diesem Nachmittag eine musikalische Geschichte von Krieg und Frieden.
Es ist eine Geschichte, die von Tod und Trauer handelt, von Schrecken und Leiden des Kriegs. Lauter Klang der Trompeten bläst zum Angriff, die Flöten rufen zu den Waffen, erzürnte Streichermotive erzählen von der wütenden Erde und von den Meeren, die dunkel von Zorn sind. Aber sie klingen auch nach Hoffnung, nach lang ersehntem Frieden und Gottes Beistand in dunkelsten Stunden. Sanfte Violinklänge preisen den, der kommt im Namen des Herrn, schweigen still, da die Waffen schweigen und loben im Einklang mit den Stimmen des Chores zuletzt den Gott, der alle Tränen abwischen wird – dann, wenn kein Tod, kein Leid und kein Geschrei mehr sein wird.
Eine musikalische Geschichte von Krieg und Frieden
Vor zwei Jahrzehnten komponierte der walisische Komponist und Musiker Karl Jenkins zur Jahrtausendfeier des Museums Royal Armouries das Werk "The Armed Man: A mass for peace". Am 25. April 2000 wurde das Stück erstmals in der Royal Albert Hall in London aufgeführt. Jenkins widmete sein Antikriegsstück den Opfern des Kosovokriegs.
Der Komponist bediente sich verschiedenster historischer und religiöser Quellen und schuf auf diese Weise ein Werk, das auf der einen Seite die Schrecken des Krieges, aber auch den langersehnten Frieden in die melodiösen Worte der Musik kleidet. Neben den klassischen Teilen der lateinischen Messliturgie besteht Jenkins Werk aus einem Soldatenlied "L’homme armé" aus dem 15. Jahrhundert, einem islamischen Gebetsruf oder "Mahabharata", dem bekanntesten indischen Epos. Auch Texte eines Überlebenden des Atombombenabwurfs auf Hiroshima oder die "Hymn before Action" des britischen Dichters Rudyard Kipling lassen das Werk zu einem multireligiösen Oratorium werden, in dem ganz unterschiedliche Stimmen dazu aufrufen, für den Frieden zu kämpfen.
Vor einigen Jahren erwuchs in Musiklehrerin Kathrin Schmitt der Gedanke, dieses bemerkenswerte Stück mit verschiedenen Ensembles der Liebfrauenschule Köln aufzuführen. Nur selten kommt es vor, dass alle musikalischen Ensembles, die sich jeden Mittwochnachmittag in den Musikräumen der Kölner Liebfrauenschule zusammenfinden, über Monate hinweg an ein und demselben Stück proben. Doch Karl Jenkins' "The Armed Man" hat in diesem Schuljahr sowohl die Chöre der Unter-, Mittel- und Oberstufe als auch die Big Band, das Orchester und den Elternchor der Schule zusammengeführt. Ein ganzes Schuljahr lang probten die Ensembles wöchentlich, um am 6. und 7. Juli 2019 eine musikalische Friedensbotschaft in die Welt zu senden.
Mühsame Probenarbeit bis zum großen Durchbruch in Altenberg
"Das Proben war hartes Brot", muss der Leiter des Orchesters Thomas Greifenberg zugeben. "Das Stück ist für Instrumentalisten nicht besonders dankbar komponiert. Die Streicher langweilen sich manchmal mehrere Seiten lang zu Tode, während die Blechbläser völlig überfordert sind. Das war mühselig", erzählt er von der Probenarbeit.
Auch eine Sängerin des Oberstufenchors, Antonia Küppers, berichtet, dass sie bei den ersten Proben alle sehr daran zweifelten, dass aus diesem ambitionierten Projekt wirklich etwas Vorzeigbares erwachsen würde. "Bei der ersten gemeinsamen Probe klang alles furchtbar schief. Wir haben nicht gedacht, dass doch etwas so Gewaltiges dabei herauskommen könnte," erzählt sie über den Entstehungsprozess dieses musikalischen Projekts.
Erst eine Woche vor den Aufführungen gelang dann der große Durchbruch. Von Montag bis Donnerstag fuhren alle Ensembles der Schule zu gemeinsamen Probentagen nach Altenberg. Dort nutzten sie für mehrere Tage die Räumlichkeiten der Jugendbildungsstätte des Erzbistums, um ungestört zu proben und die einzelnen Teile der Friedensmesse in Einklang zu bringen.
Dass die alljährliche Fahrt vor dem Konzert ein sehr wichtiger Bestandteil der Probenarbeit ist, wissen die Ensembleleiter inzwischen aus Erfahrung. "Das ist meistens so bei Schüleraufführungen. Über das ganze Schuljahr hinweg ist die Motivation noch nicht besonders hoch. Wenn dann kurz vor den Konzerten langsam die Aufregung hinzukommt, wird das Endergebnis oft viel, viel besser als gedacht," weiß Musiklehrer Thomas Greifenberg von vielen anderen musikalischen Projekten der vergangenen Jahre zu berichten.
Ein ganzes Kulturwochenende
Die Aufführungen der Friedensmesse von Karl Jenkins sind eingebunden in das diesjährige Kultur-Wochenende der Erzbischöflichen Liebfrauenschule. Zwei Tage lang gestalten Schülerinnen und Schüler das Kulturleben der Kölner Innenstadt mit. Im Museum Kolumba trifft die aktuelle Ausstellung "Pas de deux" auf beeindruckende Gemälde, Fotografien und Installationen der jungen Künstlerinnen und Künstler. Sie haben sich im Vorhinein viele Gedanken darüber gemacht, wie ihre Projekte besonders gut mit Räumlichkeiten und bereits vorhandenen Kunstwerken des Museums in Beziehung zu setzen sind.
Auch hier sind Themen von Krieg und Frieden künstlerisch in Szene gesetzt. Gesellschaftliche Zwänge, Ausgrenzung, Diskriminierung von Minderheiten und Umweltschutz sind Themen, denen sich die Schülerinnen und Schüler der Kunstkurse in ihren vielgestaltigen Werken gewidmet haben.
Künstlerisches und musikalisches Talent – das beweisen die Schülerinnen und Schüler an diesem Wochenende in außerordentlichem Maße. Aber auch die organisatorischen Dinge durften sie im Vorbereitungsprozess nicht außer Acht lassen. Der musikpraktische Kurs der Schule stand in der großen Verantwortung, dieses Projekt auf die Beine zu stellen. Schon seit Anfang des Jahres war das einzige Thema nur noch "The Armed Man". "Wir mussten an vieles denken. Die Gestaltung von Programmheften, Eintrittskarten, unsere Bilderausstellung, die Versorgung des KulturCafés … Am Ende haben wir auch alle einen ganz persönlichen Kommentar zu dem Stück geschrieben. Manche von uns sogar ziemlich kritisch," erzählt Elias Stoffel, der nicht nur mit seiner Violine das Orchester unterstützt, sondern auch im musikpraktischen Kurs der Stufe Q1 mitgewirkt hat.
Wir senden heute eine Friedensbotschaft an Köln
Diesen Einsatz der Schülerinnen und Schüler beobachtet Musiklehrerin und Chorleiterin Kathrin Schmitt mit Begeisterung. "Ja, manchmal wird unsere LFS als die Insel der Seligen angesehen. Aber unsere Schülerinnen und Schüler fangen langsam an, etwas politischer zu werden", bemerkt die Musiklehrerin, der es seit Jahren ein großes Herzensanliegen war, dieses Stück an der Liebfrauenschule aufzuführen. "Wir hoffen sehr, dass wir heute eine Friedensbotschaft an unsere Stadt Köln senden konnten."
Auch Ali Akdam, der als Gast den fest zu Jenkins Werk gehörenden zweiten Teil des Muezzin-Gebetsrufs gesungen hat, hofft, dass er Teil dieses Friedensrufs sein kann. Der in Syrien sehr bekannte Sänger, der vor drei Jahren aus seinem Heimatland nach Deutschland geflohen ist, legt seine Hand aufs Herz und sein Dolmetscher übersetzt seine anrührenden Worte: "Ich bin sehr glücklich. Es hat mir gut gefallen, mit diesen jungen Menschen Musik zu machen und ich habe versucht, aus ganzem Herzen zu singen."
"Vielleicht ist das kein besonders schöner Grund, aber es ist so gut und wichtig, dass ihr in diesen Zeiten, hier und heute, dieses Stück aufgeführt habt." Zwischen immer wieder neu aufbrandenden Wellen tosenden Applauses bedankt sich Schulleiterin Ingrid Schulten-Willius bei allen Mitwirkenden.
Mit einer Rose in der Hand, kriegerische und auch ganz friedliche Melodien summend, strömen die vielen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten und Sängerinnen und Sänger langsam aus der Trinitatiskirche, in Vorfreude auf ihre jetzt wohlverdienten Sommerferien.