Lebenskrise mit Mitte 20: Was soll ich nur tun?

Vom Leben nach der Schulbank

Den Schulabschluss geschafft, die Uni gemeistert - und jetzt? Immer mehr "Twentie-Somethings" fragen sich, wie es für sie beruflich weitergehen soll - denn die Auswahl ist riesig. Es droht die Quarterlife-Crisis.

Was tun nach dem Schulabschluss? / © Lemon Tree Images  (shutterstock)
Was tun nach dem Schulabschluss? / © Lemon Tree Images ( shutterstock )

Vier bis fünf Stunden, so lange dauert ein Gespräch mit Katrin Busch-Holfelder meist. Sie stellt die Fragen, ihre Kunden überlegen, überdenken, antworten. Am Ende wissen sie hoffenlich nicht nur, was sie können, sondern vor allem, was sie wollen.

Busch-Holfelder, das brünette Haar zum Zopf gebunden, ist Coach und Karriereberaterin. Zu ihr kommt, wer in seinem Beruf nicht glücklich ist - oder von vorneherein unsicher ist, was auf Schule oder Studium folgen soll. Denn mit der steigenden Anzahl der Berufe, so die Expertin, steige auch die Zahl der Ratsuchenden. 2011 hat die studierte Betriebswirtschaftlerin, die als Kind Kunstreiterin im Zirkus werden wollte, in Bonn begonnen, Menschen auf Jobsuche zu beraten. Außerdem coacht sie angehende Coaches - die Nachfrage für Karriereberatungen steige.

Die Zukunft erscheint oft beängstigend

Die Klientel, so Busch-Holfelder, sei aber ganz unterschiedlich. Da rufen gestandene Männer an, 40 Jahre alt und nach der ein oder anderen Beförderung mitten im Leben stehend. Die haben sich noch nie gefragt, ob sie noch etwas anderes können oder wollen, aber jetzt wollen sie es wissen, denn der Job macht sie unglücklich. Oder es rufen Eltern an, die besorgt sind, weil der Nachwuchs nicht weiß, was nach der Schule kommen soll.

Für solche Fälle wurden Jobmessen ins Leben gerufen, Quizbögen im Internet entwickelt und Beratungsstellen an Universitäten eingerichtet. Aber das reicht nicht, wenn die Auswahl zu groß oder das Gehalt des Traumjobs zu niedrig ist. Dann geraten Schüler und Studenten in eine sogenannte Quarterlife-Crisis - und wissen nach gut einem Viertel ihres Lebens nicht mehr, woran sie sich orientieren sollen und was sie beruflich tun wollen.

Alle Entscheidungen werden hinterfragt - und die Zukunft erscheint nicht mehr voller Möglichkeiten, sondern als beängstigend, voller Verantwortung und finanzieller Belastungen. Um jetzt die richtige Entscheidung zu treffen, braucht es oft mehr als ein Quiz oder eine Jobmesse.

Die Fülle an Berufen macht es Bewerbern nicht leicht

Katrin Busch-Holfelder beginnt in solchen Fällen, indem sie Fragen stellt: Was wollte man denn als Kind werden? Was kann man eigentlich gut, woran hat man Spaß? Was motiviert einen Menschen, was ist gut am jetzigen Beruf?

Am Ende eines Gesprächs empfiehlt sie niemandem einen konkreten Beruf, sondern die Richtung, in die es gehen könnte. "Wenn Herausforderungen mit den eigenen Fähigkeiten in Einklang stehen und die Arbeit Spaß macht, beflügeln sich die Menschen selbst", resümiert Busch-Holfelder. Viele Menschen können dabei einen Job in ihren Wunschbranchen finden.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung und die Arbeitsagentur sprechen von einer guten Lage am Arbeitsmarkt: Geringe Arbeitslosigkeit, mehr Stellen für Ausbildungsberufe und ein Verhältnis von Angebot und Nachfrage zugunsten der Nachfragenden machen es vor allem Berufseinsteigern leicht, einen Job zu finden. So gibt es laut Arbeitsagentur mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als Bewerber, und im Jahr 2017/18 sank der Anteil der sogenannten "unversorgten Bewerber" im Vergleich zum Vorjahr um 7,5 Prozent. Aber die Fülle an Berufen macht es den Bewerbern nicht leicht.

"Die Sinnsuche kommt heute immer früher"

Busch-Holfelder sieht ihre Aufgabe jedoch nicht darin, ihren Kunden die Lösung zu präsentieren. In Gesprächen "erarbeiten sie sich das selbst", so die Beraterin. "In den Aufgaben, in denen man seine Stärken erkennt, kann man seine Kompetenzen auch selbstbewusst nach außen transportieren." Und Selbstbewusstsein hilft bei der Jobsuche und im Berufsalltag allemal.

Auffällig sind dabei die unterschiedlichen Prioritäten, die je nach Alter gelten. Jugendlichen sind meist Einkommen und Erfolg wichtig. Wenn beides erreicht ist, dann geht es um die Suche nach einer sinnvollen Betätigung. "Die Sinnsuche kommt heute immer früher", erzählt die Expertin.

Die Menschen suchten auch im Job nach Zufriedenheit, so Busch-Holfelder. Ihren eigenen Beitrag beschreibt sie so: "Ich begleite den Prozess, damit die Menschen ihre eigenen Potenziale entfalten können und erkennen, was ihnen wirklich wichtig ist." Das sorgt für mehr Zufriedenheit und weniger Krise.

Von Nadine Vogelsberg


Quelle:
KNA