DOMRADIO.DE: Spiegelt sich der deutliche Anstieg der Austritte der katholischen Kirche im Jahr 2018 auch in den Austrittszahlen für das Erzbistum Köln wider?
Christoph Heckeley (Pressesprecher des Erzbistums Köln): Dieser Trend zeichnet sich leider auch bei uns ab. Die Austrittszahlen sind von knapp 14.000 auf rund 18.500 angestiegen. Das ist ein Anstieg von ziemlich genau einem Drittel gegenüber dem letzten Jahr. Das ist etwas mehr als im bundesweiten Durchschnitt. Das mag vielleicht daran liegen, dass das Erzbistum Köln flächenmäßig eher klein ist, dafür aber viele Ballungsräume hat, wo erfahrungsgemäß andere Austrittszahlen zu verzeichnen sind.
DOMRADIO.DE: Wenn man jetzt mal die Gesamtbilanz für das Erzbistum anschaut und die Todesfälle dazunimmt, wie viel weniger Katholiken gab es dann 2018 im Erzbistum Köln insgesamt? Können Sie das sagen?
Heckeley: Insgesamt waren es 29.000 Katholiken weniger. Die Katholikenzahl beträgt jetzt noch 1,94 Millionen.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn mit Eintritten und Wiedereintritt in die katholische Kirche aus?
Heckeley: Die sind traditionell sehr niedrig und können bei weitem nicht die Austrittszahlen aufwiegen. Wir hatten 243 Eintritte. Das sind 43 weniger als 2017. Zudem gab es 653 Wiederaufnahmen von Menschen, die mal aus der Kirche ausgetreten sind. Auch das sind weniger als im Vorjahr.
DOMRADIO.DE: Warum ist die Zahl der Austritte 2018 noch mal so deutlich angestiegen? Haben Sie eine Idee, woran das gelegen haben könnte?
Heckeley: Zum einen brauchen wir uns eigentlich nur noch einmal zurückzuerinnern, welche Schlagzeilen es im vergangenen Jahr gegeben hat. Und da waren vor allen Dingen die Missbrauchs-Verbrechen das Thema, was sehr viel Glaubwürdigkeit und Vertrauen gekostet hat. Das ist ganz klar. Zum anderen kommt dazu, dass wir die Menschen häufig nicht mehr erreichen. Die sind sozusagen woanders unterwegs. Sie beschäftigen sich mit anderen Themen, sodass Kirche und kirchliche Themen in ihrem Alltag wenig Relevanz haben.
DOMRADIO.DE: Was unternimmt das Erzbistum Köln, um die Menschen davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, Mitglied der Kirche zu sein? Sie haben schon gesagt, sie sind nicht mehr da, wo wir sind. Aber Sie versuchen dorthin zu gehen, wo die Menschen sind - zum Beispiel auf ihren Handys. Da kann man die Leute erreichen.
Heckeley: Da kann man die Leute durchaus erreichen. Wir versuchen sie da auch zu informieren. Wir versuchen da Angebote zu machen. Vor allen Dingen aber haben wir im Erzbistum Köln den sogenannten "Pastoralen Zukunftsweg" gestartet, wo wir als Bistum gerade auf der aktuellen Etappe genau nachschauen: Wo sind denn diese Menschen? Wo stehen die gerade? Oder wo bewegen sie sich? Wo findet deren Leben statt? Und was haben wir in der Kirche an Angeboten, was dazu passt. Wo können wir aber auch Angebote machen, die den Menschen noch mehr entgegenkommen, sodass die merken: Wir Christen und wir Katholiken, wir sind eine Gemeinschaft. Wir haben Angebote, wir haben Antworten anzubieten, die helfen, das Leben zu gestalten.
Und wir merken das auch ein klein wenig an den Zahlen. Denn die Zahl der Taufen und der Trauungen sind fast gleich geblieben gegenüber dem letzten Jahr. Das könnte so ein Hinweis sein. An entscheidenden Punkten im Leben suchen die Menschen Nähe, Begleitung und Gemeinschaft. Das sind Themen, da müssen wir unbedingt weiter dran bleiben.
DOMRADIO.DE: Besorgniserregend für das Erzbistum Köln müsste es auch sein, dass nur rund acht Prozent der Katholiken sonntags die Heilige Messe besucht. Muss es da nicht auch Ziel sein, die Messe attraktiver zu machen?
Heckeley: Wir haben gerade erst die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht. Da sind wir noch einmal bestätigt worden. Die Heilige Messe, der Sonntagsgottesdienst, ist für ganz viele Menschen tatsächlich ein ganz wichtiger Kristallisationspunkt in ihrem Denken. Aber in ihrem Erleben ist das wieder etwas anders. Sie erleben manchmal offenbar Gottesdienste, die lustlos vorbereitet sind, wo der Prediger sich überhaupt gar keine Mühe gibt, wo irgendwie auch die Kirchenmusik in Routine erstarrt, wo sie auf jeden Fall dieses Gemeinschaftsgefühl, von dem ich sprach, gar nicht mitkriegen.
Und auch das ist ein ganz wichtiger Aspekt für das Projekt, das wir "Pastoraler Zukunftsweg" genannt haben, dass wir die Gottesdienste und die Liturgie insgesamt in den Blick nehmen, um die einladender für die Menschen, die wir erreichen wollen, zu gestalten.
Das Interview führte Dagmar Peters.