Die Menschheit lebt ökologisch auf Pump - und zwar zunehmend. Erstmals ist der weltweite "Erdüberlastungstag", den internationale Naturschutzorganisationen jedes Jahr errechnen, in den Juli gerutscht. Ab dem 29. Juli sei das Budget der Natur für dieses Jahr aufgebraucht, teilte das Global Footprint Network in Berlin mit.
Ab diesem Montag beanspruchen die mittlerweile 7,7 Milliarden Erdbewohner für das restliche Jahr mehr Acker- und Weideland, Fischgründe und Wald, als ihnen rechnerisch zur Verfügung stünde. Und sie stoßen weit mehr CO2-Emmissionen aus, als die Wälder und Ozeane der Welt aufnehmen können.
1987 lag der "Erschöpfungstag" noch im Dezember
Der "Erdüberlastungstag" oder "Welterschöpfungstag" hatte im vergangenen Jahr noch auf dem 1. August gelegen. Er ist in den zurückliegenden Jahrzehnten immer weiter nach vorn gerückt. 1987 war das Ökokonto nur leicht überzogen: Damals lag der Earth Overshoot Day am 19. Dezember. Im Jahr 2000 fiel er dann bereits auf den 23. September.
Nach Berechnungen des Global Footprint Network, der Umweltorganisation Germanwatch und weiteren Naturschutzorganisationen bräuchte die gesamte Weltbevölkerung derzeit 1,75 Erden, um den durchschnittlichen Bedarf an natürlichen Rohstoffen nachhaltig zu decken. Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern mit einem ökologischen Defizit. Deutschland ist dabei alles andere als ein Vorbild. Bei einem weltweiten Ressourcenverbrauch wie in den USA wären fünf Erden nötig; Deutschland bräuchte drei Erden, dahinter liegen Frankreich und Großbritannien mit 2,7 und China mit 2,2 Erden.
"Weltweit und auch hierzulande werden die gravierenden Folgen der Übernutzung und der Klimakrise immer sichtbarer", erklärten die beteiligten Umweltorganisationen. Ein Überziehen des ökologischen Kontos sei allenfalls für eine begrenzte Zeit möglich; dann beginne das gesamte System zu kollabieren. Schon jetzt zeigten sich die Auswirkungen: Bodenerosion und Wüstenbildung, abnehmende Fruchtbarkeit der Anbauflächen, Entwaldung und Verluste bei der Artenvielfalt sowie eine wachsende CO2-Konzentration und Klimaveränderungen.
Verkehrssektor besonders problematisch
Nach Darstellung der Autoren macht der CO2-Ausstoß einen immer größeren und den am schnellsten wachsenden Anteil des menschlichen Einflusses auf die Erde aus; er belaufe sich auf mittlerweile 60 Prozent des ökologischen Fußabdrucks. Ihn zu verringern, sei ein zentrales Ziel beim Erhalt des ökologischen Gleichgewichts. Aber auch die wachsende Weltbevölkerung und ein steigender Konsum trügen wesentlich dazu bei, dass die Substanz des Globus aufgezehrt werde.
In Deutschland tragen demnach vor allem die hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Strom, Verkehr und industrielle Landwirtschaft sowie der große Flächenbedarf zur Überlastung der Erde bei. Die CO2-Emissionen seien seit 2009 nicht gesunken; das Festhalten an der Kohle verzögere eine Senkung.
Als besonders problematisch sehen die Autoren der Studie die Lage im Verkehrssektor: Seit 1990 seien die Emissionen im Straßenverkehr nicht gesunken - und im Flugverkehr deutlich gestiegen. Auch der Energieverbrauch pro Kopf sei höher als im EU-Durchschnitt und habe sich in den letzten Jahren nur geringfügig reduziert. Die versiegelte Fläche in Deutschland wachse, kritisieren die Umweltschützer weiter. Von 1992 bis 2017 habe sie um mehr als 22,8 Prozent zugenommen.
"Statt ökologisch gegen die Wand zu fahren, wäre es für Deutschland von Vorteil, wenn sich seine Regierung für eine wesentlich ambitioniertere Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik stark machen und sich von der ressourcenintensiven und wachstumsbesessenen Wirtschaftsweise befreien würde", forderte Mathis Wackernagel vom Global Footprint Network.
Myriam Rapior aus dem Bundesvorstand der BUNDjugend erklärte: "Meine Generation will nicht länger zuschauen, wie wir unserer Lebensgrundlage beraubt werden. Die Politik muss jetzt Entscheidungen fällen, um die systematische Zerstörung unseres Planeten zu beenden. Ansonsten werden wir 2050 auf einer kaputten Erde voller sozialer Konflikte leben."