Dieser zeige sich etwa dort, wo ein "wahrer Glaube" als Unterscheidungsmerkmal zwischen Gläubigen propagiert werde, sagte Striet am Montag in einem Vortrag zum Auftakt der Salzburger Hochschulwochen. Auch werde dabei das religiöse Erleben vorrangig vor jeder wissenschaftlichen Erkenntnis oder theologischen Einsicht betrachtet. Ähnlich dem politischen Populismus sei dessen religiöse Ausprägung unfähig zur Selbstkritik, antipluralistisch und letztlich antiintellektuell, so der Professor.
Komplexität lässt sich nicht durch den Willen reduzieren
Als Beispiele verwies Striet auf eine "Neuevangelisierung" bis hin zur Lehrverkündigung Papst Johannes Paul II., der auf die Einsprüche etwa eines theologischen Freiheitsdenkens mit dem Beharren auf einer "objektiven Wahrheit des Lehramtes" reagiert habe. So versuche ein Religionspopulismus durch die Forderung, "einfach nur glauben" zu müssen, "eine durchsichtige Religionswelt gegen eine immer komplexere und undurchschaubarere Welt außen zu errichten", so Striet. Dagegen gelte es festzuhalten: "Nur, weil man einfache Antworten bietet, werden die Probleme nicht weniger komplex."
"Die Komplexität der Welt und die Sehnsucht nach Einfachheit"
Die Rede von einer "Neuevangelisierung" Europas bleibe für ihn "seltsam phrasenhaft", da sie sich trotz der Nutzung modernster Mittel der Ästhetik und Kommunikation jeder Auseinandersetzung mit modernen wissenschaftlichen und theologischen Erkenntnissen entziehe, so Striet. "Bleibt für Gott da tatsächlich ein Platz? Oder bleibt die Rede von der Neuevangelisierung nur ein rhetorisches Spiel, um zu verschleiern, dass der Kaiser nackt dasteht?", fragte der Theologe.
Die Salzburger Hochschulwochen 2019 stehen unter dem Thema "Die Komplexität der Welt und die Sehnsucht nach Einfachheit". Bis Sonntag nehmen Hunderte Studierende und Wissenschaftler an der ältesten deutschsprachigen Sommeruniversität mit Vorträgen, Diskussionen und einem Kulturprogramm teil.