DOMRADIO.DE: Sie sind zum 1. August offiziell zur Pfarrbeauftragten der katholischen Kirchengemeinde auf Juist ernannt worden. Wie sehr freut es Sie, diese Position einnehmen zu dürfen?
Dr. Michaela Wachendorfer (Pfarrbeauftragte auf Juist): Letztendlich freut es mich, dass der Bischof so viel Vertrauen in die Arbeit hat, die ich jetzt schon einige Jahre mache. Insofern sind wir nicht großartig überrascht und es wird auch kein großes Gewese gemacht. Das läuft hier schon länger so, dass ich die Gemeinde leite. Jetzt hat es nur eine kirchenrechtliche Absicherung bekommen. Das ist gar nichts Neues – die Leute kennen das, dass ich die Ortsgemeinde hier leite.
Ich bin auch schon ziemlich lange die Vorsitzende im Kirchenvorstand. Das hat auch etwas mit der Insellage zu tun. Wir haben hier schon seit vielen, vielen Jahren keinen ständigen Priester mehr sondern es gibt Priester, die hier Ferien machen und dann den priesterlichen Dienst übernehmen.
DOMRADIO.DE: Auch auf Norderney und Langeoog sind zwei Laien offiziell zu Pfarrbeauftragten ernannt worden. Auf Langeoog übernimmt das Amt ebenfalls eine Frau. Diese Art Beförderung ist eine Antwort auf den Priestermangel. Halten Sie die Ernennung von Laien in Leitungsfunktionen für eine positive Entwicklung?
Wachendorfer: Ich finde, es ist die einzig richtige Lösung im Moment. Es ist doch insgesamt die Lage, dass viele Leute überfordert sind. Das führt häufig zu Konflikten, Enttäuschungen und massiver Unzufriedenheit. Auf diese Weise bleiben dann Menschen auf der Strecke. Ich glaube das ist jetzt eine Variante, die auch die Charismen der Laien sehr fördert. Das ist genau das Richtige, finde ich. Die Charismen sind nicht immer an die Weihe gebunden.
DOMRADIO.DE: Auf der Nordseeinsel ist zurzeit auch Hochsaison. Zahlreiche Urlauber sind auf der Insel unterwegs. Wie sieht da Ihre tägliche Arbeit aus?
Wachendorfer: Hier brummt es richtig. Es sind furchtbar viele Gäste da. Das bedeutet für uns dann auch immer: Die Kirche ist voll. Das ist das, was auch die Ferienpriester wunderbar finden. Man hat hier sofort Kontakt. Die Kirche ist voll und die Leute gehen da gerne hin. Ich stehe auch dafür ein, dass wir sagen: Wir wollen einen Ort der Gottesbegegnung hier auf der Insel sein. Die Kirche ist gastfreundlich und immer offen. Wirklich viele Leute gehen hier ein und aus, die einfach eine Kerze bei der Muttergottes aufstellen oder sagen: Ich möchte einfach ein bisschen zur Ruhe.
Die Insel Juist ist dafür natürlich besonders geeignet, weil es hier gar keinen Autoverkehr gibt und solche Sachen. Insofern wir bieten wir Meditationen an, bieten Gottesdienste – auch Familiengottesdienste, die hier sonntags sehr gut besucht sind. Wir haben am Wochenende drei Sonntagsmessen. Da staunen dann viele drüber und sagen: Bei uns zuhause ist es ganz anders. Ich denke, der Sonntag des heutigen Christen ist der Urlaub. Die Leute gehen da dann eben doch zur Kirche und besinnen sich auf das Innere und auf das, was ihnen wirklich am Herzen liegt.
DOMRADIO.DE: Es heißt ja, dass viele Menschen sich immer mehr von der Kirche abwenden. Wie empfinden Sie das denn auf Juist?
Wachendorfer: Ich kann da ehrlich sagen: Das stimmt so nicht. Vielleicht wenden sie sich von der Institution Kirche ab, aber nicht von dem Inhalt, für den wir hier auch wirklich stehen: Wie ist die Beziehung zu Gott? Wie ist die Beziehung zu mir selber? Was ist der Sinn des Lebens? Da sind die Leute total offen.
Es braucht auch gar nicht viel. Du musst einfach Leute vor Ort haben, die sagen: Das verstehe ich. Ich glaube da dran und mir ist wichtig, dass die Seele und das Herz von Gott berührt werden. Es muss dafür Räumlichkeiten geben und auch Menschen, die etwas davon verstehen und dann auch etwas tun. Das ist ein Angebot, das total viele Leute anspricht. Ich glaube, dass jeder so etwas im Herzen trägt und eine Sehnsucht danach hat. Da wird zu wenig getan. Das ist schade.
DOMRADIO.DE: Sie kommen ja ursprünglich aus dem Rheinland. Was hat Sie denn dazu bewegt nach Juist zu gehen? Die Gegend ist ja eher evangelisch geprägt, oder?
Wachendorfer: Speziell auf Juist ist es inzwischen halb katholisch und halb evangelisch. Mich hat die Landschaft hier total verlockt. Ich finde immer, wenn man am Meer ist, ist man dem Ewigkeitsrauschen auf natürliche Weise viel näher. Das ist das Tolle hier. Auch der ständige Wechsel von Ebbe und Flut. Auf unserer Insel ist es auch so: Du kannst nicht mal eben weg oder mal eben hier hinkommen Es dauert eben etwas länger. Die Landschaft hier erweckt sehr heilende Dinge im Herzen. Deswegen, glaube ich, kommen auch viele Leute gerne hierhin.
Das Interview führte Julia Reck.