Es ist jene Institution, die die wichtigste deutsche Literaturauszeichnung vergibt: den Georg-Büchner-Preis. Vor allem deshalb ist die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die insgesamt fünf Preise verleiht, jedes Jahr in aller Munde. Weniger bekannt ist die Gründungsgeschichte der in Darmstadt ansässigen Akademie, die in diesem Jahr 70 Jahre alt wird. Dabei geht es um Meinungsfreiheit sowie den kritischen Umgang mit Sprache und ideologisch kontaminierten Begriffen.
Eine Historie, die ziemlich aktuell klingt? "Leider ja", sagt Bernd Busch, Generalsekretär der Akademie. Ihn erschrecke "die Selbstverständlichkeit, mit der sich seit einiger Zeit die öffentliche Auseinandersetzung in Sprachfelder hineinentwickelt, die historisch kontaminiert sind", sagte Busch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit Blick auf rechtspopulistische Äußerungen. Busch sieht nicht nur eine rein sprachliche Verrohung, sondern auch eine "kulturelle Verrohung" bei den Umgangsformen. Es gebe eine "immer stärker abnehmende Bereitschaft, dem anderen zuzuhören".
Am Anfang wurde die Sprache der Nazis analysiert
Vor 70 Jahren war die Ausgangslage noch düsterer: Nach den Jahren der Nazi-Diktatur wollten Schriftsteller dem unzensierten Wort wieder zur Geltung verhelfen. Dabei gab es heftige Kontroversen zwischen emigrierten Schriftstellern wie etwa Thomas Mann und in Deutschland gebliebenen Autoren, von denen sich einige mit dem NS-Regime arrangiert hatten.
Ein "Ort des freien Gesprächs", eine unabhängige Diskurs-Institution, wurde gebraucht. Am 28. August 1949 - bewusst am 200. Geburtstag Goethes - wurde die Gründung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche verkündet. Die Festansprache hielt der sozialdemokratische Kulturpolitiker Adolf Grimme (1889-1963), der heute für den nach ihm benannten und seit 1964 vergebenen Fernsehpreis bekannt ist.
Die Akademie sah von Beginn an ihre Aufgabe auch darin, die durch die Nazis entstandenen sprachlichen Verheerungen zu durchleuchten. Insbesondere drei Publizisten - Dolf Sternberger, Wilhelm Emanuel Süskind und Gerhard Storz - setzten sich damit auseinander, wie die NS-Propagandamaschine Wortschatz, Satzbau und Grammatik verändert und missbraucht hatte. Die drei Sprachkritiker veröffentlichten 1957 schließlich das Nachschlagewerk "Aus dem Wörterbuch des Unmenschen".
Kritik an Gesetzesnamen wie dem "Gute-Kita-Gesetz"
Noch heute heißt es in der Satzung: "Die Akademie setzt sich zum Ziel, das deutsche Schrifttum vor dem In- und Ausland zu vertreten und auf die pflegliche Behandlung der deutschen Sprache in Kunst und Wissenschaft, im öffentlichen und privaten Gebrauch hinzuwirken."
Ernst Osterkamp, Germanist und Akademie-Präsident, kritisierte im Mai aktuelle Gesetzesnamen. Titel wie "Gute-Kita-, Starke-Familien- oder Geordnete-Rückkehr-Gesetz" verbänden Gesetzgebungsverfahren "mit den Strategien der Reklame", sagte Osterkamp dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Sie geben damit einen Vertrauensverlust gegenüber der Politik zu erkennen; schon deshalb sollte man auf sie verzichten."
Die Akademie hat seit Jahren konstant rund 190 Mitglieder. Zu ordentlichen Mitgliedern können "Persönlichkeiten gewählt werden, die der deutschen Sprache und der deutschen Literatur durch ihr Werk und ihr Wirken gedient haben".
Berichte "zur Lage der deutschen Sprache"
Finanziert wird die Arbeit der Akademie durch den Bund, die Kulturstiftung der Länder, das Land Hessen und die Stadt Darmstadt sowie durch private Förderer. Rund 700.000 Euro kommen jährlich von der öffentlichen Hand, so Generalsekretär Busch. Hinzu kämen jährlich rund 300.000 bis 400.000 Euro an eingeworbenen Projektmitteln.
Die Akademie hat sich nicht nur mit der Rechtschreibreform befasst. In unregelmäßigen Abständen wird ein "Bericht zur Lage der deutschen Sprache" mit herausgegeben. Der erste Bericht von 2013 stand unter dem Titel "Reichtum und Armut der deutschen Sprache". Der zweite Bericht im September 2017 befasste sich mit "Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache". Der dritte Bericht soll, so Busch, in knapp zwei Jahren erscheinen und die Situation der deutschen Sprache in Schulen beleuchten.
Eine öffentliche Feier ist laut Busch zum 70. Geburtstag der Akademie nicht geplant. Da zum 60. Geburtstag 2009 die große Ausstellung "Doppelleben. Literarische Szenen aus Nachkriegsdeutschland" mitveranstaltet worden sei, habe sich die Akademie entschieden, erst das 75-jährige Bestehen wieder größer zu feiern.
Von Norbert Demuth