Sie stürzen sich die steile Half-Pipe hinunter, rasen an der gegenüberliegenden Wand wieder hoch, um auf dem Gipfel der Geschwindigkeit mit dem Rollbrett in der Luft eine Pirouette zu drehen. Nichts Außergewöhnliches unter Skatern, jenen waghalsigen Teenagern - allerdings nicht in einem Gotteshaus. Doch genau das hat der Sankt-Liborius-Kirche in St. Louis (Bundesstaat Missouri) wieder Leben eingehaucht. Die ehemalige katholische Kirche zählt mit ihrer fast vier Meter hohen Rampe direkt unter der früheren Kanzel zu den anspruchsvollsten Half-Pipes der städtischen Skater-Szene. Kein Fall für Kirchen-Puristen, aber durchaus ein spiritueller Erfolg, der echten Gemeinschaftssinn stiftet.
Die nach deutschem Vorbild errichtete Kirche, erbaut im gotischen Stil, ist ein Musterbeispiel dafür, was Städteplaner unter "adaptiver Wiederverwendung" verstehen. Denn wenn die ehemals großen Kirchengemeinden langsam wegsterben, bleibt am Ende immer ein stattliches Gotteshaus zurück. Ein Gebäude ohne Menschen - so wie Sankt Liborius, 1889 aus rotem Backstein erbaut von William Schickel (1850-1907), der auch die denkmalgeschützte Ignatius-Loyola-Kirche in Manhattan entwarf.
Das Gebäude retten
Die nächstliegende Lösung zur Rettung einer großen Kirche, deren Gemeinde nur noch aus einer Handvoll Mitglieder besteht, wäre die Veräußerung an eine andere religiöse Gruppe, sagt der Stadtentwickler der Cleveland State University, Robert Simons. Dies sei aber auch die unwahrscheinlichste Option, da fast alle religiösen Gemeinschaften Mitglieder verlören, so der Autor des Buchs "No Building Left Behind".
Was bleibt, ist der Verkauf an weltliche Interessenten. Restaurants und Brauereien halten dann Einzug. Durchaus mit Erfolg, wie jüngere Umwidmungen zeigen. "Unser Hauptziel war es, dieses Gebäude zu retten, und ich weiß, dass wir das getan haben", so Dave Blum von der neuen Eigentümergesellschaft, die Sankt Liborius in einen Skater-Tempel verwandelt hat. Einige Jahre später, so Blum, wäre der Verfall nicht mehr aufzuhalten gewesen.
"Skater-Kirche"
Was ihn und die Miteigentümer antreibt, ist die Erhaltung der historischen Substanz - und er hat Erfahrung damit. So ist etwa aus einer städtischen Schuhfabrik ein Stadtmuseum entstanden. Was ihn an "SK8 Liborius", wie die "Skater-Kirche" jetzt heißt, fasziniert, ist der soziale Aspekt. Das Gotteshaus sei nun das, was es sein sollte: ein Magnet für Menschen; vor allem für die jungen. Entstanden sei "eine Speerspitze" in der Sozialarbeit des Stadtviertels in der Mississippi-Metropole.
"SK8 Liborius" ist kein Einzelfall in der Metamorphose einstiger religiöser Bauten, wenn auch ein besonders kurioser. Nur acht Meilen südwestlich der "Skater-Kirche" befindet sich die "Missouri History Museum Library", einst Heimstatt der jüdischen Gemeinde der Stadt. Die alternde Gemeinde konnte die Veräußerung an gewinnorientierte Investoren verhindern und verkaufte sie stattdessen an die historische Gesellschaft der Stadt. Diese erhielt das Gebäude nicht nur, sondern machte es der Öffentlichkeit weiter zugänglich.
"Die Arbeit des Herrn tun"
Ein Segen für St. Louis ist auch das "Center of Creative Arts" in der University City draußen vor der Stadt. Bis Mitte der 1980er Jahre war das im Art-Deco- und Modern-Art-Stil erbaute Gebäude die Heimat der konservativen jüdischen B'Nai-Amoona-Gemeinde. Alle wesentlichen Strukturelemente blieben durch die aktuelle Renovierung erhalten. Und nicht nur das: Die neue Verwendung ehemaliger Gotteshäuser hilft den Kommunen, die spirituelle Wirkung ihrer Kirchen zu erhalten - auch in "SK8 Liborius". Unabhängig davon, ob der Herrgott die lärmende Raserei auf den Rollbrettern in seinem Haus mit Wohlwollen betrachtet.
Tatsache ist, dass selbst Ordensschwestern entzückt sind über das neue Leben in Sankt Liborius, wie Dave Blum dem "National Catholic Reporter" berichtet. Schon während der Renovierungsarbeiten hätten sich vier Schwestern ein Bild vor Ort gemacht. Auf Skateboards zogen Blum und sein Team die Frauen an den Händen durch die Kirche. Eine brach in Tränen aus - vor Rührung, so der Skater. "Sie sagten, sie seien so glücklich, dass wir die Kirche gerettet haben - und die Arbeit des Herrn tun."