Unabhängigkeitsproteste in Katalonien spalten auch die Kirche

Erneute Massenkundgebungen zur "Diada" am 11. September geplant

Der Sezessionsstreit in Katalonien erhitzt immer noch die Gemüter. Für Mittwoch werden neue Massendemonstrationen erwartet. Auch die katholische Kirche tut sich schwer mit dem Konflikt.

Autor/in:
Manuel Meyer
Archiv: Studenten demonstrieren in Barcelona für das Referendum über eine Unabhängigkeit Kataloniens / © Matthias Oesterle (dpa)
Archiv: Studenten demonstrieren in Barcelona für das Referendum über eine Unabhängigkeit Kataloniens / © Matthias Oesterle ( dpa )

Hunderttausende Katalanen werden am Mittwoch in Barcelona erneut für ein Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit ihrer Region auf die Straßen gehen. Bis zu 1,5 Millionen Menschen werden zu dem Protestmarsch erwartet. Er findet Jahr für Jahr am 11. September anlässlich des inoffiziellen katalanischen Nationalfeiertags ("Diada") statt. Organisiert wird die Massendemo mit Unterstützung der Regionalregierung.

Auch der Klerus mobilisiert sich

Aber auch ein bedeutender Teil des katalanischen Klerus beteiligt sich an der Mobilisierung. Zahlreiche katholische Bischöfe und Priester riefen in den vergangenen Tagen und Wochen in Gottesdiensten und öffentlichen Stellungnahmen dazu auf, am Demonstrationszug teilzunehmen.

Katalonien sei eine Nation und habe das Recht, seine Zukunft selbst zu bestimmen, erklärt etwa Josep Maria Soler, Abt des Klosters von Montserrat, immer wieder. "Das Selbstbestimmungsrecht ist ein Grundrecht" und "wir sollten den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit zumindest kennen", sprach sich auch Francesc Pardo, Bischof von Girona, für eine Volksbefragung über eine mögliche Abspaltung von Spanien aus.

Besonders heikle Situation

Viele Geistliche gingen in den Sonntagspredigten auf eine besonders heikle Situation in diesem Jahr ein: die der "politischen Gefangenen", wie einige der bekanntesten Köpfe der Unabhängigkeitsbewegung genannt werden. Mitte Oktober soll in Madrid das Urteil im Prozess gegen die Mitstreiter des ehemaligen Regierungschefs von Katalonien, Carles Puigdemont, verkündet werden.

Ihnen wird wegen der Abhaltung eines nicht von der Zentralregierung genehmigten Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 unter anderem Rebellion, Veruntreuung öffentlicher Gelder und ziviler Ungehorsam vorgeworfen. Einigen Angeklagten wie dem damaligen katalanischen Vize-Regierungschef Oriol Junqueras drohen bis zu 25 Jahre Haft. Puigdemont selbst steht nicht vor Gericht, da er nach dem Referendum nach Belgien ins Exil floh. Die meisten Angeklagten sitzen seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft. Auch Carme Forcadell, ehemalige Präsidentin des katalanischen Parlaments sowie mehrere Ex-Minister.

Geistliche ergreifen

Xavier Novell, Bischof von Solsona, gilt als dezidierter Befürworter des Unabhängigkeitsreferendums. Er kritisierte die lange U-Haft jüngst als "völlig überzogen". Dies entspreche einer "Vorverurteilung". Bischofskollege Pardo äußerte sich am Wochenende ähnlich: "Denjenigen, die die Konsequenzen auf sich nahmen, damit Katalonien sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann, gehört mein voller Respekt. Ich kann aber kaum mehr tun, als für sie und ihre Familien zu beten." Eigentlich versucht die katholische Kirche in der Regel, sich aus derlei politischen Konflikten herauszuhalten. Die Unabhängigkeitsfrage erhitzt die Gemüter aber derart, dass immer mehr Geistliche Partei ergreifen.

In Katalonien ist die Gesellschaft in zwei fast gleichstarke Lager gespalten. Laut einer aktuellen Umfrage des katalanischen Meinungsforschungsinstituts CEO fordern derzeit 44 Prozent eine Abspaltung von Spanien, 48 Prozent wollen Spanier bleiben. Der Graben zwischen beiden Lagern scheint unüberbrückbar zu sein. "Dieser Graben zieht sich auch durch den katalanischen Klerus", sagte Sozialwissenschaftler Oriol Bartomeus der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

"Rolle des Vermittlers"

Barcelonas Erzbischof, Kardinal Juan Jose Omella, ruft derweil dazu auf, die Kirche solle die "Rolle des Vermittlers" zwischen den zerstrittenen Lagern einnehmen. Das fordert ebenso Kardinal Ricardo Blazquez. Der Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz sagt aber auch: "Die Gesetze und die spanische Verfassung müssen eingehalten und respektiert werden." Und in diesem Punkt ist die spanische Verfassung klar: Sie garantiert die Einheit Spaniens und sieht kein Recht auf Sezession vor.

So kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen der Spanischen Bischofskonferenz und dem nicht unbedeutenden separatistischen Flügel innerhalb der katalanischen Kirche, dem mindestens 400 Priester, Bischöfe und Ordensleute angehören. Der Wunsch vieler Katalanen nach Unabhängigkeit spaltet die Gesellschaft wie die Kirche. Sollten die Separatistenführer Mitte Oktober schuldig gesprochen werden, dürfte sich die Lage weiter zuspitzen.

Kataloniens amtierender Ministerpräsident Quim Torra warnte bereits, er werde nichts anderes als einen Freispruch akzeptieren und notfalls die Bevölkerung zum zivilen Ungehorsam aufrufen. Wie sich die Kirche in Katalonien in einem solchen Fall verhalten würde, ist zurzeit unklar.


Quelle:
KNA