Siobhan O'Connor hat die Namen der mutmaßlichen Missbrauchstäter des Bistums Buffalo im US-Bundesstaat New York gesehen. Genau 117 Priester standen auf der internen Liste, die Bischof Richard Joseph Malone (73) in einer schwarzen Kladde unter Verschluss hielt. Als Malone unter Druck der Öffentlichkeit im März 2018 seine Liste von Verdächtigten öffentlich machte, war diese auf 42 Namen zusammengeschrumpft.
"Sie ist bearbeitet worden, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen", sagte O'Connor, die in der Verwaltung der Diözese tätig war, der "New York Times", die ausführlich über den Fall Malone berichtete.
Fotos von der Namensliste
Bevor sie ihren Job aufgab, fotografierte O'Connor die Liste in der schwarzen Kladde und andere Schriftstücke, die belegen sollen, dass der Bischof absichtlich die Namen aktiver Priester und Geistlicher, die ihm nahe stehen, löschte.
Einen Teil der Unterlagen gab sie im August vergangenen Jahres an einen örtlichen Fernsehreporter weiter. Im Oktober wandte sich die Whistleblowerin dann selbst in der Sendung "60 Minutes" auf CBS an die Öffentlichkeit.
Spätestens seit diesem Zeitpunkt schien klar zu sein, dass in dem Bistum Buffalo, mit etwa 600.000 Katholiken eines der größten im Nordosten der USA, etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Bischof Malone musste erklären, warum etwa der Priester Fabian J. Maryanski noch im Dienst stand, obwohl seit 1995 bekannt war, dass dieser eine Teenagerin sexuell belästigt haben soll, wie aus internen Dokumenten hervorgeht. Der Geistliche behauptet seine Unschuld, wurde laut "New York Times" aber in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Muster wiederholt sich
Dasselbe Muster wiederholte sich bei Jeffrey Nowak, der einen Seminaristen sexuell belästigt haben soll. Der Betroffene gibt an, Bischof Malone bereits Ende 2018 informiert zu haben. Den Recherchen der Zeitung zufolge versuchte Malone, den Fall auszusitzen. Erst als sich die Angelegenheit nicht mehr unter Verschluss halten ließ, habe er Nowak beurlaubt.
Diese Affäre kam durch den Mitschnitt eines Telefonats zwischen dem Bischof und einem seiner damals engsten Mitarbeiter Ryszard Biernat vom 2. August ans Licht. Biernat selbst soll diesen Mitschnitt angefertigt haben. Darin nennt der Bischof die Anschuldigungen "eine echte Krise", die "mein Ende als Bischof bringen könnten". Nowak sei "gefährlich".
Das Tondokument gelangte unlängst an den örtlichen TV-Sender WKBW. Biernat nimmt seit Mitte August eine bezahlte Auszeit. Malone wies auf einer Pressekonferenz Anfang September Rücktrittsforderungen zurück. "Ich glaube, diejenigen, die mich gehen sehen wollen, sind in der Minderheit."
Brodeln im Bistum
In seinem Bistum brodelt es unterdessen. "Die Leute verlassen die Gemeinden, weil sie die Nase voll haben", zitiert die "New York Times" einen Vertreter einer Laienorganisation, die Malones Rücktritt fordert. Laut einer Umfrage der Zeitung "Buffalo News" wünschen sich inzwischen 86 Prozent der Katholiken im Bistum Buffalo den Rückzug Malones. Eine entsprechende Online-Petition hatte Ende der Woche über 12.600 Unterzeichner.
"Wir können nicht noch eineinhalb Jahre warten", sagt einer der Initiatoren, Robert Zilliox, unter Anspielung auf das Alter des Bischofs. Mit 75 Jahren müsste Malone dem Papst dem Kirchenrecht folgend seinen Rücktritt anbieten. Doch die Spekulationen verdichten, sich, dass es so lange nicht mehr dauern wird.
Eine wichtige Rolle dürfte der New Yorker Kardinal Timothy Dolan spielen. Er könnte Ermittlungen gegen Malone aufnehmen - das Bistum Buffalo gehört zu seiner Kirchenprovinz. Der Sprecher der Erzdiözese New York, Joseph Zwilling, äußerte sich vielsagend. "Ich würde erwarten, dass wir in dieser Sache in naher Zukunft etwas hören werden." Malone wäre nach dem Bischof von Crookston, Michael Hoeppner, der landesweit zweite Fall, in dem ein Erzbischof gegen einen Bischof ermittelt.