Es ist ein ungewöhnlicher Anblick: In der Minoritenkirche in der Kölner Innenstadt stehen im hinteren Bereich der Kirche Biertische und -bänke. Trotz des Regens sind fast 250 Menschen gekommen, um am "Pilgerweg für Menschen mit und ohne Demenz" teilzunehmen. Wegen des schlechten Wetters musste das Kaffeetrinken kurzerhand nach innen verlegt werden.
"Wenn die Leute hören, dass wir in der Kirche Kaffee trinken, dann denken sie erstmal "Oh Gott", sagt Marion Böde, die Küsterin der Minoritenkirche. "Aber die Leute fühlen sich zu Hause. Und Hauptsache ist doch, dass die Kirche für die Menschen offen ist. Die Stimmung ist ruhig, angenehm und ich habe auch den Eindruck, dass alle sich wohlfühlen."
Unter den Anwesenden ist auch Kirchenhistoriker Prof. Dr. Reimund Haas aus Köln. "Vorbildlich", findet er die Veranstaltung. "Das kenne ich persönlich aus anderen Diözesen so nicht. Wer wieder hier her kommt, ist total begeistert." Und: "Wir sind ja alle mehr oder weniger als Nachkriegsgeneration durch die gleichen gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen geprägt. Also ist es gut und anregend, sich darüber auszutauschen."
Bereits zum dritten Mal findet diese Veranstaltung in diesem Jahr statt. Hervorgegangen ist die Idee aus dem Projekt "Mensch.Demenz.Kirche.", das nach drei Jahren in diesem Jahr zu Ende gegangen ist. Das Thema "Demenz" kommt auch in der Kirche oft nur am Rande vor, denn Betroffene werden in Gemeinden häufig nicht wahrgenommen, obwohl sie eigentlich selbstverständlich dazu gehören. Die Projektgruppe wollte das ändern und das Thema nachhaltiger platzieren. Die Dreikönigswallfahrt war dazu ein willkommener Anlass.
Gemeinsames Singen von Kirchenliedern
Auf das Kaffee trinken folgt das gemeinsame Singen von Kirchenliedern. Die Teilnehmer können die Bierbank direkt gegen die Kirchenbank eintauschen. "Durch das Singen können wir Menschen - und das haben viele schon wissenschaftlich untersucht - noch besser erreichen. Sie können dann mit den alten Schlagern, die wir eben auch aus der Kirche kennen, bei ihrem Langzeitgedächtnis ansetzen", erklärt Elmar Trapp, der im Erzbistum Köln in der Abteilung Seelsorge im Sozial- und Gesungheitswesen arbeitet und die Veranstaltung auch in den letzten Jahren maßgeblich mitorganisiert hat. Natürlich geht es nicht um Manipulation durch Musik. Vielmehr soll einfach an dem angeknüpft werden, was alle kennen, an den eigenen Gottesdiensterfahrungen.
Dass Trapp Recht hat, zeigt sich schnell. Es geht direkt mit einem Klassiker los. "Großer Gott, wir loben dich", stimmt die Orgel an, und viele singen inbrünstig mit. Andere sind eher ruhig, aber die meisten haben die Hände gefaltet und hören aufmerksam zu. Eine Teilnehmerin tupft sich die Augen ab und greift gerührt nach der Hand ihrer Begleiterin.
Mit dabei in der Minoritenkirche ist eine Marienstatue. Sie ist die letzten Monate durch verschiedene Heime und Einrichtungen gereist, insgesamt über 600 km. Sie trägt einen blauen Mantel mit vielen Falten. "Maria hat die Sorgen und Nöte der Menschen mit dabei", erklärt Maria Adams, die bei den Cellitinnen in der Mitarbeiterseelsorge tätig ist und die Reise der Statue mitbegleitet hat. Die Bewohner der Einrichtungen, die die Marienstatue besucht hat, haben ihre Anliegen auf Zettel geschrieben und in die Falten ihres Kleides gesteckt – in dem sich auch goldene Fäden befinden, denn, so Adams "aus Wunden kann etwas Wunderbares werden." Die Marienstatue wandert nun durch die Kirchenbänke, und nachdem sie schon so lange gereist ist, wird sie das letzte Stück in den Dom mitgenommen.
Prozession zum und Wortgottesdienst im Kölner Dom
Pünktlich zur Prozession wird das Wetter noch schlechter, es regnet mehr und mehr. Der Stimmung tut das aber keinen Abbruch, fast alle haben ihre Regenjacken dabei und die Prozession wird zu einem Meer bunter Schirme. Von der Minoritenkirche geht die Prozession durch die Kölner Altstadt in Richtung Dom. Über 20 Schülerinnen der Ursulinenschule begleiten sie musikalisch.
Im Kölner Dom, der oft trubelig und voller Touristen ist, herrscht eine besondere ruhige Stimmung, als die 250 Menschen einziehen. Bis alle ihren Platz gefunden haben, dauert es ein wenig, viele Rollatoren stehen im Mittelgang und wer im Rollstuhl gekommen ist, steht ganz vorn, direkt an den Stufen der Altarinsel. Über die Decke des Doms tanzen projizierte Sterne – ganz nach dem Motto der Dreikönigswallfahrt "Wir haben seinen Stern gesehen". Ein älterer Herr bemerkt sie und zeigt aufgeregt nach oben. "Wie die Heiligen Drei Könige damals auf ihrem Weg sind auch Sie heute über Höhen und Tiefen hierhergekommen", begrüßt Domdiakon Witte die Anwesenden. Auch er steht auf der Stufe ganz vorn, direkt bei den Teilnehmern. In seiner Predigt betont er, dass auch die Heiligen Drei Könige auf einer Sinnsuche waren. Schließlich haben sie ihn in Bethlehem gefunden. "Die Heiligen Drei Könige sind ein Vorbild der Wanderschaft. Als sie Jesus gefunden hatten, fielen sie nieder und beteten ihn an. Und das tun auch wir heute durch unsere Musik und durch unser Gebet. Denn wer singt, betet doppelt."
Als Fürbitten werden exemplarisch einige der Bitten aus dem Faltenkleid der wandernden Marienstatue vorgelesen. Mit "Maria, breit' den Mantel aus", der "Kölner Nationalhymne für die Mutter Gottes" – so Witte – geht der Wortgottesdienst zu Ende. Alle machen sich auf zum Pilgerweg unter dem Schrein der Heiligen Drei Könige hindurch. Die Rampe, die über die Stufen gelegt wurde, ist steil und Rollstühle kommen nur mit Schwung hoch. Aber mit vereinter Hilfe der Malteser und der Domschweizer funktioniert auch das. Die Menschen, die auf der Seite wieder unter dem Schrein hervorkommen, strahlen, einige haben Tränen in den Augen.
Spürbare Freude
"Sie können jetzt gleich Ihre Kerze anzünden", sagt eine Begleiterin zu einer älteren Dame und diese nickt erwartungsvoll – vielleicht hat sie genau darauf schon die ganze Zeit gewartet. Als sie endlich an der Schmuckmadonna angekommen ist, lässt sie sich auch nach längerer Diskussion nicht davon abhalten, für eine Kerze fünf Euro in den Opferstock zu werfen.
Zum Schluss versammeln sich alle noch einmal dort an der Schmuckmadonna im Kölner Dom. "Durch Maria kommen wir ans Ziel unserer Pilgerreise", so Domdiakon Witte. "Aber das eigentliche Ziel sind Sie – dass wir ein bisschen der Freude der Heiligen Drei Könige mit in den Alltag nehmen." Und die Freude ist spürbar, auch als alle sich allmählich wieder aufmachen. Natürlich nicht, ohne zuvor stolz ihren Pilgerausweis in Empfang genommen zu haben.
Das Fazit des Tages? "Wow. Wir haben es wieder geschafft", sagt Elmar Trapp. Wie schon in den beiden vorangegangenen Jahren. Und auch im nächsten Jahr sicherlich wieder.