Warum Kirche bei Neuen Medien Berührungsänste hat

"Chancen teils noch nicht erkannt"

Laut einer Studie des Marktforschers Toluna waren 2018 neun von zehn Internet-Nutzern in Deutschland bei Facebook und Co. Die Lebensrealitäten finden dort statt, sagt Beraterin Ariadne Klingbeil. Für die Kirche sei das noch immer ein Knackpunkt.

Facebook – Daumen hoch  / © Friso Gentsch (dpa)
Facebook – Daumen hoch / © Friso Gentsch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wo steht denn die Kirche in Sachen "Neue Medien"? Ist sie auf aktuellem Stand?

Ariadne Klingbeil (Medienberaterin bei der katholischen Unternehmensberatung MDG in München): Ich würde sagen: Die Kirche hat die ersten Schritte unternommen. Seit 2015 hat sich da etwas bewegt. Seit 2018 ist die Kirche in diesen "Neuen Medien" sichtbar geworden und das verstärkt sich weiter. Vor allem beobachten wir das auf den Kanälen Instagram und Facebook.

DOMRADIO.DE: Wo würden hakt es denn am meisten? Wo gibt es Probleme?

Klingbeil: Ich denke, die "Neuen Medien" sind ein wichtiger Bestandteil von den Lebensrealitäten der Menschen. Das ist genau der Knackpunkt der Kirche, eben genau da hinzukommen - diese Lebensrealitäten der Menschen auch anzunehmen. Kirche sieht zwar schon, dass es das gibt. Sie erkennt es auch an, dass es offenbar stattfindet. Aber drin ist sie dadurch noch nicht.

DOMRADIO.DE: Woran liegt das denn?

Klingbeil: Zum einen liegt es an der Sprache, weil die eine etwas andere ist. Sie muss kürzer gehalten sein und die Leute direkter und schneller ansprechen können. Es liegt aber vor allen Dingen auch an der Überforderung durch das Nichtwissen derjenigen, die diese Kanäle betreuen. Keiner von den Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, sind darin unbedingt groß geworden. Man muss sich damit technisch sehr stark auseinandersetzen. Dann werden auch die Hürden genommen. Aber sie sind eben noch da, weil nicht alles bekannt ist.

DOMRADIO.DE: Die Chancen, die man beim Einsatz der "Neuen Medien" gewinnt, sind auf jeden Fall für die Kirche größer als die Risiken?

Klingbeil: Auf jeden Fall. Viele Dinge werden derzeit noch nicht versucht, weil sie einfach noch nicht wissen, wie es richtig funktionieren kann. Einige glauben, dass die Ressourcen fehlen. Aber dem kann man entgegenwirken. Das ist ganz sicher anders möglich.

DOMRADIO.DE: Jetzt könnte man sagen: Es ist doch wichtiger, wenn die Kirche sich auf echte Begegnungen mit Menschen konzentrieren würde. Können Sie diesen Argumenten überhaupt etwas abgewinnen?

Klingbeil: Doch, das Argument kann ich sogar nur bestätigen. Aber das Tolle an den "Neuen Medien" ist, dass man da ja auch auf echte Menschen trifft. Man hat sogar einen unglaublichen Vorteil. Man kann direkt mit diesen Menschen kommunizieren. Früher war es ja so: Da wurde ein Gemeindebrief verteilt. Den konnte man zwar lesen. Aber unmittelbar darauf reagieren konnte man nicht. Ich kann mich nicht mit diesem Medium unterhalten, sondern ich kann das nur rezipieren und dann verarbeiten und dann später darauf reagieren. Aber bei den "Neuen Medien" habe ich eben genau die Möglichkeit, das in einem richtigen Dialog zu tun. Ich habe ein direktes Kommunikationsmittel. Das birgt eigentlich ganz viele Chancen, weil ich ins Gespräch gehen kann.

DOMRADIO.DE: Haben Sie ein positives Beispiel für den gelungenen Einsatz "Neuer Medien" im kirchlichen Bereich?

Klingbeil: Grundsätzlich finde ich es ganz toll, was etwa der Bund der Deutschen Katholischen Jugend in den "Neuen Medien" macht. Dort gibt es ganz viele tolle Beispiele, die auch inspirieren können. Sie nehmen auch andere Themen auf und treten so direkt an die Menschen heran - auf eine andere Art und Weise, als das üblicherweise der Fall ist.

DOMRADIO.DE: Wie wird sich das gesellschaftliche Engagement der Kirche mit den "Neuen Medien" weiterentwickeln?

Klingbeil: Ich denke, dass die neuen die alten Medien langsam durch die technischen Entwicklungen verändern – nicht verdrängen. Von Verdrängung oder gar Auflösung spricht man ja immer wieder. Ich möchte das aber nicht. In erster Linie geht es um Veränderung.

Man wird automatisch in diese neuen Felder hineingezogen und wird sie auch mehr annehmen müssen. Es wird einfach die technischen Möglichkeiten, wie wir sie vorher nutzen konnten, nicht mehr geben. Ein Beispiel, was wir alle kennen und jeder nachvollziehen kann, ist die analoge Fotografie, die ins Digitale übergegangen ist. Das empfinden wir heute alle als ganz toll. Das war damals eine große Katastrophe und viele dachten, sie könnten nie wieder Fotos machen. So ähnlich ist das jetzt eben auch. Es wird sich auf eine positive Art und Weise miteinander ergänzen.

Das Interview führte Aurelia Rütters.


Ariadne Klingbeil (Medienberaterin bei der katholischen Unternehmensberatung MDG in München) / © N.N. (privat)
Ariadne Klingbeil (Medienberaterin bei der katholischen Unternehmensberatung MDG in München) / © N.N. ( privat )
Quelle:
DR
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