DOMRADIO.DE: Was genau soll verboten werden? Welche Symbole?
Pfarrer Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW in Düsseldorf): Es handelt sich um religiöse Symbole, die von einzelnen Personen getragen werden. Das ist vor allem zum Beispiel ein muslimisches Kopftuch. Es kann auch eine jüdische Kippa sein oder ein Kreuz, das jemand um den Hals trägt. Alles was sichtbar ist, was wahrnehmbar ist. Das soll den Personen, die für die Neutralität der Rechtsprechung stehen, verboten sein.
DOMRADIO.DE: Wird es eine Art Katalog geben, in dem dann einzelne Symbole aufgelistet sind? Es ist ja tatsächlich manchmal schwer zu unterscheiden zwischen Schmuck und religiöser Symbolik, oder?
Hamers: Da sprechen Sie schon direkt eines der Probleme an. Es gibt keinen Katalog, sondern in dem Gesetzentwurf steht drin, dass religiöse Kleidungsstücke und religiöse Symbole verboten sind. Das Kreuz zum Beispiel, was auch als Schmuckstück getragen wird, würde dann im Zweifelsfalle sicherlich als religiöses Symbol gelten. Denn ein Kreuz ist eben in erster Linie ein religiöses Symbol.
DOMRADIO.DE: Wen soll das Verbot betreffen? Richter und Staatsanwälte? Auch das Ordnungspersonal in den Gerichtssälen oder für noch mehr Menschen?
Hamers: Es soll für alle gelten, die hoheitlich tätig werden. Das sind – genau wie Sie gesagt haben – Richter und Staatsanwälte. Darüber hinaus auch die ehrenamtlichen Richter. Wir haben zum Teil sowohl bei den Schöffengerichten, aber zum Beispiel auch beim Handelsgericht, ehrenamtliche Richter, die keine Roben tragen. Für die würde das auch gelten. Es gilt auch für andere Justizmitarbeiter, zum Beispiel für die Dame, die im Grundbuchamt Eintragungen vornimmt. Auch sie handelt hoheitlich und auch für sie würde das gelten.
DOMRADIO.DE: Das ist eigentlich doch ein Einschnitt in deren Rechte, oder?
Hamers: Richtig, genau das ist das Problem. Auf der einen Seite steht das hohe Gut der Neutralität, auch der religiösen Neutralität des Staates, der religiös neutral, aber eben nicht religiös ablehnend ist. Wir sind ja kein laizistisches System, wo religiöse Symbole in der Öffentlichkeit überhaupt nicht vorkommen dürfen. Wir haben einen religionsfreundlichen Staat, der zugleich auch neutral ist, der ganz klar sagt, dass niemand aufgrund seiner Religion bevorzugt oder benachteiligt werden darf.
Auf der anderen Seite steht das Recht zur Religionsausübung des Einzelnen, also des Richters, der Richterin, des Staatsanwaltes und der Staatsanwältin. Diese beiden Rechtspositionen stehen sich gegenüber, und die müssen in einen vernünftigen Ausgleich zueinander gebracht werden.
DOMRADIO.DE: Von wem kommt dieser Vorstoß?
Hamers: Das ist eine Vorlage der Landesregierung. Sie hat das jetzt eingebracht. Nordrhein-Westfalen ist da insofern ein Vorreiter, weil es ein solches Neutralitätsgesetz oder vielmehr den Entwurf eines solchen Neutralitätsgesetzes bislang nur in Nordrhein-Westfalen gibt.
DOMRADIO.DE: Nun findet zunächst eine Anhörung statt. Experten sollen zu Wort kommen. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass dieses Verbot religiöser Symbole in Gerichtssälen tatsächlich wirksam wird?
Hamers: Ich denke, dass das an einigen Stellen noch auf einen Kompromiss hinauslaufen wird. Ob es jetzt wirklich alle umfassen wird – Richter, Staatsanwälte und auch sonstiges Justizpersonal – das wird sich erst zeigen. Es gibt eine ganze Reihe verfassungsrechtlicher Bedenken, weil eben in Deutschland das Religionsrecht, das Recht seine Religion auszuüben - und dazu gehört eben auch das Recht religiöse Symbole zu tragen -, sehr stark ausgeprägt ist.
Wir haben diese Diskussion in ähnlicher Art und Weise schon bei der Frage der Kopftücher von Lehrerinnen erlebt. Es ist ja kein Geheimnis, dass dieses Gesetz in erster Linie auf Kopftücher abzielt, also auf religiöse Symbole, religiöse Kleidung gerade von Muslimen. Da gibt es eine ganze Reihe verfassungsrechtlicher Bedenken, die sagen, dass das Recht zur Religionsausübung ein sehr starkes Recht ist, und dass die Neutralitätspflicht des Staates auf andere Weise gewährleistet werden kann, indem man zum Beispiel einen Befangenheitsantrag stellt. Wir haben als Kirchen auf diese Problematik hingewiesen.
DOMRADIO.DE: Werden Sie da jetzt nochmal deutlicher? Positionieren Sie sich vielleicht zusammen mit anderen Religionsgemeinschaften?
Hamers: Wir haben zusammen mit der evangelischen Kirche eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben. Wir haben auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen, wissen aber zugleich, dass das Neutralitätsgebot des Staates ein hohes Gut ist und wir in einer religionspluralen Gesellschaft, in der wir sind, schauen müssen, wie wir eine Lösung finden.
Wir haben auf der einen Seite eine Religionspluralität und auf der anderen Seite eine abnehmende Religiosität vieler Menschen in unserer Bevölkerung. Da muss man gucken, wie man zu einem vernünftigen Ausgleich kommt, dass auf der einen Seite religiöse Rechte gewahrt bleiben und auf der anderen Seite die Neutralität des Staates gewahrt bleibt, die auch ein hohes Gut ist.