Kardinal Newman - ein Champion für Englands Katholiken

Schwieriges Standing in der britischen Gesellschaft

Über Jahrhunderte stand Englands größte Minderheit unter dem Verdacht des Landesverrats. Erst in den vergangenen Jahrzehnten gelang es den "Papisten", sich einen Platz in der britischen Gesellschaft zurückzuerobern.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 Fünf Heiligsprechungen im Vatikan - darunter Kardinal Newman / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Fünf Heiligsprechungen im Vatikan - darunter Kardinal Newman / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Guy Fawkes, katholischer Fanatiker aus York, versuchte 1605, das britische Parlament und die Herrschaft von König Jakob I. mit zwei Tonnen Schwarzpulver in die Luft zu jagen. Das Attentat des 5. November, die sogenannte Pulverfass-Verschwörung gegen die Unterdrückung der Katholiken, misslang - und hatte doch schwerwiegende Folgen: Englands größte Minderheit stand fortan über Jahrhunderte unter dem Verdacht des Landesverrats.

Erst in den vergangenen Jahrzehnten ist es ihr gelungen, sich einen Platz in der britischen Gesellschaft zurückzuerobern. Eine Galionsfigur war der Konvertit und Kardinal John Henry Newman (1801-1890), der nun am 13. Oktober im Vatikan heiliggesprochen wird.

Herrscher musste Anglikaner sein

Reich und mächtig war die Kirche im englischen Mittelalter - wie man bis heute an ihren monumentalen Kathedralbauten sehen kann. Doch mächtiger war König Heinrich VIII. Er brach 1533 mit dem Papst in Rom, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren.

Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. Kirche - das hieß in England fortan anglikanisch. Bis 2015 schloss ein Gesetz von 1701, der sogenannte Act of Settlement, jeden von der Thronfolge aus, der "die päpstliche Religion bekennt oder einen Papisten heiratet". Seither bedeutet die Heirat mit einem Katholiken zwar nicht mehr automatisch das Aus; der Herrscher selbst muss aber Anglikaner sein.

Bild des Katholizismus änderte sich

Katholiken führten über Jahrhunderte ein Schattendasein. Zumeist waren es irische Einwanderer, als arme Hungerleider eingetroffen in mehreren Wellen. Katholiken, das waren Ausländer, Unterprivilegierte aus der Arbeiterklasse. Besonders katholisch: das schottische Glasgow. Intellektuell spielte der britische Katholizismus - einige wenige Beispiele wie die anglikanischen Konvertiten Newman oder Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) ausgenommen - bis in die 1950er Jahre praktisch keine Rolle.

Es waren vor allem das große karitative und schulische Engagement und eine moralische Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche, die in den vergangenen Jahrzehnten eine gewisse Verbürgerlichung ermöglichten. Irgendwann gab es katholische Ärzte, Rechtsanwälte, Parlamentsabgeordnete. Das Bild des Katholizismus begann sich zu ändern hin zu einer lebendigen, zunehmend akzeptierten und integrierten Konfession.

Prinz  Charles und die anglikalische Kirche

Auch die klischeebeladenen Warnungen vor papistischer Unterwanderung sind Vergangenheit. Indizien für eine wachsende Hoffähigkeit des Katholizismus gab es - bis zum jüngsten Rückschlag des Missbrauchsskandals - in den vergangenen Jahren viele. Da war 2002 die Einladung an den Kardinal von Westminister, vor Königin Elizabeth II. zu predigen. Da war der Übertritt von Ex-Premier Tony Blair in die katholische Kirche 2007. Auch die deutlichen Warnungen der katholischen Kirche vor einem ungerechtfertigten Krieg im Irak und andere öffentliche Stellungnahmen sorgten für mehr moralisches Gewicht.

Die vielleicht tiefste Wunde fügte wohl Prinz Charles der angeknacksten anglikanischen Seele zu. Der geschiedene, dann verwitwete, inzwischen wiederverheiratete Thronfolger, womöglich künftiges Oberhaupt der Staatskirche von England, verschob im Frühjahr 2005 seine Hochzeit: aus Rücksicht ausgerechnet auf die Beisetzung von Papst Johannes Paul II., vor dessen Sarg sich in Rom auch die britischen Spitzen von Kirche - und Staat - versammelten.

"Viel Selbstvertrauen verloren"

Experten bescheinigen Großbritanniens Katholiken großen Einsatz im praktischen sozialen Leben, aber einen eher defensiven, wenig missionarischen Geist - typisch für eine lange diskriminierte Minderheitenkirche. Gleichwohl, so der Jesuit Oliver Rafferty, habe es in den 50er Jahren noch rund 10.000 Konvertiten pro Jahr gegeben.

In den vergangenen Jahren sei die Zahl vernachlässigbar geworden - wohl auch eine Folge der allgemeinen Säkularisierung und der Missbrauchsskandale. Rafferty: "Bei allem, was der Katholizismus in den vergangenen 50 Jahren gewonnen hat, hat er doch viel von seinem Selbstvertrauen verloren. Er wird zwar gesellschaftlich voll akzeptiert, hat aber manche Züge aufgegeben, die einst seine besondere Präsenz ausmachten."


Quelle:
KNA