Damit hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) nicht gerechnet: Gefragt wie sie mit Blick auf eine spätere Partnerschaft die Rollenverteilung sehen, neigt eine knappe Mehrheit der Jugendlichen einem traditionellen Familienbild zu: 54 Prozent wünscht sich bei einer Familiengründung zumindest in den ersten Lebensjahres des Kindes das Alleinverdienermodell, bei dem der Mann berufstätig und die Frau vorwiegend zu Hause ist.
Das ist ein Ergebnis der aktuellen Shell Jugendstudie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Dabei gab es deutliche Unterschiede zwischen den Befragten in Ost- und Westdeutschland. So tendieren junge Menschen in Ostdeutschland eher zu einem gleichberechtigten Erziehungsmodell.
"Retraditionalisierung"
Diese "Retraditionalisierung" sei "bemerkenswert", so Giffey, deren Ministerium sich seit Jahren um mehr Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bemüht. Die Unterschiede zwischen Ost und West könnten darauf hindeuten, dass die Befragten das Modell, mit dem sie aufgewachsen seien, gerne weitervermitteln wollten, so die Autoren: In Westdeutschland eher klassisch, in Ostdeutschland in der Regel mit zwei Verdienern.
Dazu passt ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Die allermeisten Jugendlichen (92 Prozent) verstehen sich gut mit ihren Eltern, die große Mehrheit sieht diese auch als Erziehungsvorbilder (74 Prozent).
Ohnehin hat das Thema Familie und Freunde bei den Befragten einen hohen Stellenwert: 97 Prozent finden es demnach wichtig, gute Freunde zu haben, 94 Prozent liegt eine vertrauensvolle Partnerschaft und 90 Prozent ein gutes Familienleben am Herzen.
Bedeutung der "Fridays for future"-Bewegung
Bei den Ängsten zeigt sich bei der Studie die Bedeutung der "Fridays for future"-Bewegung: 71 Prozent bereitet die Umweltverschmutzung und -zerstörung die meisten Sorgen. Vor vier Jahren rangierte noch die Angst vor Terrorismus an erster Stelle, die in der aktuellen Umfrage an zweiter Stelle steht. Auf Platz 3 folgt die Angst vor dem Klimawandel.
Auch bei der Frage nach den Werten ist für die Jugendlichen die Bedeutung von Umweltthemen wichtig. Ein umweltbewusstes Leben finden 71 Prozent der Befragten wichtig, 2002 waren es 60 Prozent. Ähnlich stark zugenommen hat das politische Engagement. Es stieg von 22 Prozent im Jahr 2002 auf 34 Prozent.
Und es zeigt sich besonders bei den Jugendlichen, die aus einem bürgerlichen und gebildeten Elternhaus kommen - "aus dem wohlbehüteten Wohlstandsnest", so nannte es Giffey bei der Vorstellung der Studie. Die frühere Neuköllner Bezirksbürgermeisterin verband das Ergebnis mit einem Werben für bessere Bildungsarbeit in den Schulen. Dass politisches Engagement schichtenabhängig sei, nannte die Ministerin nicht zufriedenstellend.
Politikern und Parteien skeptisch gegenüber
Giffey wies in diesem Zusammenhang auch auf die geplante Jugendstrategie der Bundesregierung hin, die darauf abzielt, junge Menschen stärker an der Politik zu beteiligen. Wie schwierig das werden könnte, zeigt ein anderes Ergebnis: Trotz des gewachsenen Interesses an Politik und der Zufriedenheit mit der Demokratie stehen die Jugendlichen Politikern und Parteien skeptisch gegenüber. So sind 77 Prozent mit der Demokratie in Deutschland zufrieden, deutlich mehr als 2006 (59 Prozent). Zugleich glauben 71 Prozent nicht, dass "Politiker sich darum kümmern, was Leute sich denken".
Skeptisch dürfte die Ministerin auch stimmen, dass sich laut Umfrage zwar 39 Prozent der Jugendlichen als weltoffen sehen, 33 Prozent eher populistisch orientiert sind. Eine knappe Mehrheit glaubt, dass sich der deutsche Staat eher um Geflüchtete als um hilfsbedürftige Deutsche kümmere.
Insgesamt seien die jungen Menschen aber tolerant und optimistisch mit Blick auf die Zukunft eingestellt, so die Autoren der Studie. Sie akzeptierten Minderheiten und blickten positiv auf ein geeintes Europa: 94 Prozent verbänden mit Europa, die Möglichkeit zu reisen und sich frei zu bewegen, in vielen Ländern arbeiten und studieren zu können. Vielleicht könne man ja sogar von einer "Generation Europa", meinte die Ministerin.