Zwei Polizisten stehen vor einem Seitengang von Halle 4, Etage 1. Wer dort einbiegt, landet schnurstracks in der rechten Ecke der Frankfurter Buchmesse: bei der Zeitung "Junge Freiheit", bei den Verlagen Manuscriptum und Jungeuropa. Und beim Antaios Verlag, vor dessen Stand es in den vergangenen zwei Jahren zu tumultartigen Szenen kam. An diesem Vormittag verirren sich nur ein paar Besucher hierher, wo Slogans für "eine Kriegserklärung an die Schrebergärten in den Köpfen" werben.
In direkter Nachbarschaft, aber durch Stellwände abgetrennt, befindet sich ein weiterer "Sicherheitsbereich", der allerdings mit radikalen Parolen überhaupt nichts zu tun hat. Neben den "Schmuddelkindern" der Buchmesse erstreckt sich das Reich der Antiquariate und Kunsthändler. Die "Rare Books & Fine Art" bietet Buchliebhabern Kostbarkeiten aus über fünf Jahrhunderten. Taschenkontrollen sind deswegen an den Zugängen eingerichtet. Wobei es schwer vorstellbar erscheint, dass Besucher das imposante Antiphonar von 1550 herausschmuggeln.
"Es fehlt ein Influencer für alte Bücher"
Die aus Oberitalien stammende und reich verzierte Handschrift mit dem Stundengebet der Kirche in lateinischer Sprache liegt für 7.000 Euro am Stand des Treptower Bücherkabinetts aus. Gut 16 Bananenkisten - "das klassische Transportmittel von Antiquaren" - haben Inhaberin Volha Schultz und Hans-Joachim Jeschke vom Auktionshaus Jeschke van Vliet aus Berlin an die Messestadt am Main gekarrt. Das Spektrum reicht von Kochbüchern aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu einer Jugendstil-Ausgabe der Nibelungen-Sage.
Uraltes Pergament, schillernde Farben, verheißungsvolle Titel wie aus Tausendundeiner Nacht können aber nicht über die für die Branche eher triste Gegenwart hinwegtäuschen. Die Zahl der Kunden, erläutert Jeschke, habe "explosionsartig" abgenommen. Der durchschnittliche Sammler: rund 60 Jahre alt. Der Nachwuchs bleibt aus. "Es fehlt ein Influencer für alte Bücher", sagt der Experte mit Blick auf die stetig wachsende Szene von Youtubern und Instagrammern - die sich allerdings eher einen Namen mit Schönheits- oder Koch-Tipps machen.
Internet Fluch und Segen zugleich
Das Internet, so viel wird bei einem Rundgang über die "Rare Books & Fine Art" deutlich, ist Fluch und Segen zugleich. Das weltweite Netz erweitert zumindest in der Theorie den Kreis der Kunden - treibt aber zugleich die Preise nach unten. Inzwischen wechseln Bücher für 20 bis 30 Euro den Besitzer, die früher 200 oder 300 Euro kosteten. Geld machen professionelle Verkäufer eher im Hochpreissegment oder in speziellen Nischen. Uralte Bibel-Drucke, die englischsprachigen Erstausgaben von James-Bond-Romanen oder der Harry-Potter-Reihe beispielsweise werden für vier- bis fünfstellige Summen gehandelt.
Guiseppe Solmi und sein Team haben sich auf mittelalterliche Handschriften aus Westeuropa sowie dem Nahen und Mittleren Osten spezialisiert. Handtellergroße Koran-Ausgaben für mehrere Tausend Euro liegen in den Glasvitrinen aus. Speziell das Geschäft mit den arabischen und persischen Manuskripten floriert, heißt es am Stand.
Für den Reichtum der Buchkunst begeistern
Das bei Bologna ansässige "Studio Bibliografico" ist eines der wenigen Unternehmen, die die filigranen Kostbarkeiten anbieten. Bei Solmi legt man Wert auf persönliche Kontakte zu den Kunden, Restauratoren und Paläographen - Experten für Schriftlehre - stehen dem Händler zur Seite. Vom Internet halten sich die Italiener fern. "Man muss die Dinge anfassen können", lautet das Credo.
Ähnlich sehen das auch Mediävist Edwin Bloemsaat und seine Frau Liesbeth Bloemsaat-Voerknecht, Spezialistin für den österreichischen Autor Thomas Bernhard. Seit drei Jahren betreiben sie das Antiquariat "Florisatus", lateinisch für "Bloemsaat", in Den Haag. Die Menschen für den Reichtum der Buchkunst neu zu begeistern ist ihre Mission.
"Wir sind wie Bibliotheken wichtige Kulturträger", betont Edwin Bloemsaat, der Besucher ausdrücklich dazu ermuntert, die Raritäten am Stand in die Hand zu nehmen. Blätternd erschließen sich neue Welten, etwa in Gestalt des am Treptower Bücherkabinett ausliegenden "Theatrum Botanicum", ein Kräuterbuch von 1696. Kulturelle Weite anstelle enger "Schrebergärten in den Köpfen".