Die Tür öffnet sich per Knopfdruck. Eine schlanke Frau mit kurzen, schlecht geschnittenen Haaren tritt hinaus ins Freie. So beginnt ihr drittes Leben. Die beiden vorigen sind in diesem Moment unwiederbringlich verloren. Schwester Lukas ist wieder Gabrielle van der Mal, Arzttochter aus Brügge. Als Ordensfrau ist sie gescheitert – an ihrem eigenen Stolz oder an der Unerbittlichkeit ihrer Vorgesetzten?
Würde ein Filmdrama wie dieses heute noch das Vierfache seiner Drehkosten einspielen? 149 Minuten, ganz langsam entwickelt, quasi ohne Zugeständnisse an ein Unterhaltungsbedürfnis. Das Thema: Eine junge Ordensfrau kämpft über Jahre um ihre religiöse Berufung, opfert sich für andere auf - und scheitert am Ende am unbedingten Gehorsam, den ihre Gemeinschaft einfordert. Die junge Frau: Audrey Hepburn.
Zwischen Stolz und Gehorsam
Ihre Geschichte: die einer Nonne. Vor 60 Jahren, am 3. November 1959, startete der Film in den bundesdeutschen Kinos.
Generationen von Zuschauern des TV-Feiertagsprogramms kennen den Klassiker über die junge Nonne aus Brügge, die in den Kongo geht, um zu helfen. An ihrer erzwungenen Rückkehr nach Belgien durch den Einmarsch der Deutschen im Zweiten Weltkrieg droht sie zu zerbrechen. Nach dem Tod ihres Vaters verlässt sie den Orden.
Ehrgeiz und Stolz sind von Beginn an Stolpersteine für Schwester Lukas. "Wenn es mir gelingt, die Regel zu befolgen, dann fehle ich im selben Moment, weil ich stolz darauf bin, gehorcht zu haben", seufzt sie verzweifelt. Als Tochter eines berühmten Chirurgen ist sie Klassenbeste in Biologie und Tropenmedizin - und doch verlangt ihre Oberin, dass sie als Übung in Demut vor dem Prüfungskomitee vorsätzlich durchfällt. Sie schafft es nicht loszulassen, besteht - und darf doch noch nicht in den Kongo.
Vom Staubfänger zum Oscar-Abräumer
Für die Rolle von "Schwester Lukas" wurde ursprünglich Ingrid Bergman vorgeschlagen; aber Bergman selbst hielt sich mit damals 43 Jahren für zu alt - und schlug stattdessen die ebenfalls schon oscargekrönte Audrey Hepburn vor. Die 29-jährige Belgierin liebte die Rolle; "The Nun's Story" wurde einer ihrer Lieblingsfilme - und auch einer ihrer erfolgreichsten.
Dabei hatte die Filmadaption des umstrittenen Romans von Kathryn Hulme von 1956 zunächst wie Blei im Regal gelegen. Das Setting schien zu tempo- und handlungsarm, der Stoff zu weltfern. Erst als Hepburn die Hauptrolle bekam, begann ein regelrechter Bieterwettbewerb der Studios; die Warner Brothers machten schließlich das Rennen. Und sie sollten es nicht bereuen - denn die "Geschichte einer Nonne" wurde der Kassenschlager des Jahres und erhielt acht Oscar-Nominierungen.
Hepburn bereitete sich akribisch vor. Unter anderem lernte sie die echte Marie-Louise Habets (1905-1986) kennen, Inspiration für die Romanfigur. Die beiden Frauen freundeten sich an - und Habets pflegte Hepburn später nach deren schwerem Reitunfall am Set von "Denen man nicht vergibt" (1960).
Audrey Hepburn, mit vollem bürgerlichen Namen Edda van Heemstra Hepburn-Ruston, brachte einige biografische Nähe zu "Schwester Lukas" mit. Geboren im Brüsseler Stadtteil Ixelles, wurde sie viktorianisch streng erzogen; ihre Mutter hielt sie für "nicht sehr interessant".
Die Besatzung der deutschen Wehrmacht und ihre schwere Mangelernährung im Krieg waren prägende Kindheitserfahrungen. Nach dem Ende ihrer Filmkarriere wurde Hepburn für das UN-Hilfswerk Unicef eine engagierte Kämpferin gegen Hunger und Kindersterblichkeit in Afrika.
Bild eines untergegangenen Ordenslebens
"Geschichte einer Nonne" räsoniert über das Verhältnis von Nächstenliebe und Gehorsam. Dem Film wurde vorgeworfen, er konstruiere einen Gegensatz, so als schlösse klösterlicher Gehorsam Barmherzigkeit aus. Über den intensiv gespielten Seelenkonflikt hinaus zeichnet "The Nun's Story" ein eindrückliches Bild des Ordenslebens im katholischen Milieu der 1920er/30er Jahre, das in dieser Form längst untergegangen ist.
Einige der Nonnen wurden durch Mitglieder des Ballettkorps der Oper Rom gespielt; Klosterrituale wurden für sie buchstäblich choreographiert. Zu Auseinandersetzung führte die berühmte Schlussszene, als sich die Tür mit einer ungewissen Zukunft vor Schwester Lukas öffnet.
Regisseur Fred Zinnemann (1907-1997) lehnte die Forderung des Studios kategorisch ab, dafür Musik einzusetzen. Er wollte die Szene still, tiefgründig und anmutig. Jack Warner gab nach – und Zinnemann am Ende Recht.