Die Deutschen sind so glücklich wie zur Zeit des Mauerfalls

"Wir sind kein Jammertal"

Die Ostdeutschen sind so glücklich wie noch nie seit dem Fall der Mauer. Sagt jedenfalls der neue "Glücksatlas". Warum die AfD dann trotzdem so hohe Zustimmungsraten erhält, sagt er nicht.

Autor/in:
Von Birgit Wilke und Christoph Arens
Deutsche so glücklich wie zur Zeit des Mauerfalls / © simona piolla 2 (shutterstock)
Deutsche so glücklich wie zur Zeit des Mauerfalls / © simona piolla 2 ( shutterstock )

"Glück besteht aus einem hübschen Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung." Diese Definition stammt, man ahnt es, von einem Franzosen. Und zwar von Jean Jacques Rousseau.

Deutsche Denker waren da verdrießlicher: "Gott, was ist Glück? Eine Grießsuppe, eine Schlafstelle und keine körperlichen Schmerzen, das ist schon viel", so Theodor Fontane. Die Deutschen gelten weltweit nicht gerade als die Glücksexperten: Effizienz, Sauberkeit und Ordnung, das sind eher Eigenschaften, die ihnen international zugeordnet werden. Im seit 2012 jährlich veröffentlichten "Weltglücksreport" lag die Bundesrepublik in den vergangenen drei Jahren trotz guter wirtschaftlicher Daten lediglich auf den Plätzen 15 bis 17.

Glück im Osten fast wie im Westen

Doch glaubt man dem am heutigen Dienstag in Berlin vorgestellten "Glücksatlas" der Deutschen Post, sind die Deutschen so glücklich wie zuletzt 1989. Das Lebensglück liegt auf einer Skala von 0 bis 10 bei 7,14 Punkten. Im Jahr zuvor betrug der Wert demnach 7,05.

30 Jahre nach dem Fall der Mauer sei das ostdeutsche Glücksniveau sogar um 0,11 Punkte auf das Allzeithoch von 7,0 Punkten gestiegen, den höchsten Wert seit der friedlichen Revolution, betonen die Wissenschaftler. Der Glücksabstand zwischen West- und Ostdeutschland verringerte sich weiter auf aktuell 0,17 Punkte.

Bessere Einkommenssituation

Nach Ansicht des Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen, der die Studie vorstellte, liegt das vor allem an einer guten Einkommenssituation. "Wir sind die reichsten Deutschen, die jemals in Deutschland gelebt haben" und an stabileren Familienkonstellationen - die Scheidungsraten gehen zurück, so Raffelhüschen, der Glück im Sinne von Zufriedenheit interpretiert. Er meint: "Wir sind kein Jammertal!"

Schon Griechen und Römer haben dicke Wälzer geschrieben und tiefe Gedanken zum Thema Glück gewälzt. Die Gründerväter der USA nahmen das individuelle "Streben nach Glück" als eines der "unveräußerlichen Rechte" in ihre Unabhängigkeitserklärung auf.

Was macht glücklich?

Die UNO, die 2012 den 20. März zum jährlichen Weltglückstag ernannt hat, nennt einfache Grundbedingungen für Glück: mindestens 2.500 Kalorien und 100 Liter Wasserverbrauch am Tag, mindestens sechs Quadratmeter Wohnraum, ein Platz zum Kochen sowie sechs Jahre Schule.

Im dazu gehörenden "World Book of Happiness" zählen 100 Forscher allerdings weitere Faktoren auf: neben stabilen Beziehungen und Gesundheit, ein angemessener Beruf, Freunde, Kinder und Geld für Grundbedürfnisse.

Reichtum allein hilft nur begrenzt: Mit steigendem Wohlstand wächst Glück nicht immer weiter. Glücksforscher Stefan Klein betont in seinem Buch "Die Glücksformel", dass Lotteriegewinner sechs Monate lang auf Wolke sieben leben, dann jedoch genau so glücklich oder unglücklich sind wie vorher.

Wem diese Definitionen nicht reichen, der kann tiefer bohren, um das Geheimnis des Glücks zu enträtseln. So lässt sich etwa unterscheiden zwischen dem Zufallsglück (englisch: luck) und dem Lebensglück (happiness). Oder zwischen einem kurzfristigen Hochgefühl und einer eher auf lange Sicht angelegten Lebenszufriedenheit.

Ans Glück glauben

Umstritten ist, ob man selber zum Glück beitragen kann: Manche Forscher argumentieren, es sei genetisch festgelegt, ob man ein Glas als halb voll oder als halb leer ansieht. "Dein Glück hängt von den guten Gedanken ab, die du hast", meinte demgegenüber der römische Kaiser Marc Aurel. So ähnlich argumentieren auch aktuelle "Glücks"-Ratgeber. Ihre Botschaft: Glück kann man wie ein Handwerk lernen, positive Gedanken trainieren.

Dieser Ansicht ist auch Raffelhüschen, der erklärt, dabei seien laut "Glücksatlas" vor allem die Menschen in Schleswig-Holstein Spitze. Sie seien am glücklichsten - was womöglich auch an ihrer Nähe zu Skandinavien liegen könnte, wo die weltweit glücklichsten Menschen leben sollen. 

Arthur Schopenhauer, als Menschenhasser bekannt, wandte sich grundsätzlich gegen das Glücksverlangen der Menschen. Der Mensch sei nicht geboren, um glücklich zu sein. Man müsse schon zufrieden sein, wenn er keine Schmerzen und kein Unglück empfinde.


Sind religiöse Menschen glücklicher? / © Evgeny Atamanenko  (shutterstock)
Sind religiöse Menschen glücklicher? / © Evgeny Atamanenko ( shutterstock )
Quelle:
KNA