Auch die katholische Jugend redet mit - und hat Hoffnung, das sich was bewegt.
DOMRADIO.DE: Der Skandal um sexuellen Missbrauch hat die katholische Kirche in Deutschland in eine erschütternde Krise gestürzt. Mit dem sogenannten "Synodalen Weg" plant sie notwendige Reformen. Mit dabei ist der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Wie beteiligen Sie sich denn am "Synodalen Weg"?
Thomas Andonie (Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend / BDKJ): Der BDKJ ist auf ganz unterschiedliche Weise am "Synodalen Weg" beteiligt. Einmal haben wir den Prozess über den Bundesvorstand des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK) mitgestaltet. In der gemeinsamen Konferenz der Bischöfe, Laiinnen und Laien haben wir als Jugendvertretung mitgearbeitet und die Satzung mit auf den Weg gebracht. Jetzt freuen wir uns natürlich sehr, dass es 15 zusätzliche Plätze für junge Menschen über das Zentralkomitee der deutschen Katholiken gibt, die der BDKJ als selbstorganisierte katholische Jugendarbeit auch entsprechend vergeben darf.
DOMRADIO.DE: Nun hat Benno Schwaderlapp von der Katholischen Bewegung "Initiative Pontifex" dem BDKJ indirekt vorgeworfen, einseitig eigene Reforminteressen zu vertreten und konservative Jugendliche nicht zu beteiligen. Ist dem so?
Andonie: Ich glaube, es ist sehr wichtig, erst einmal zu schauen, wer ist denn der BDKJ? Der BDKJ ist der Dachverband der katholischen Jugendverbände in Deutschland und gemäß dem Motto "Jugend leitet Jugend" demokratisch organisiert. Im BDKJ ist ein sehr breites Spektrum junger Menschen abgebildet. Es gibt 17 Jugendverbände und 660.000 Mitglieder. Und das reicht von der Unitas, den Studentinnen und Studenten-Verbänden, bis hin zu "progressiveren" Gruppen, die vielleicht noch eine andere politische Haltung einbringen.
Aber der BDKJ an sich vertritt das, was die jungen Menschen in ihm beschließen. Wir sind eine demokratische Organisation, die mit einem Bezug zur Glaubens- und Lebenswelt handelt. Ich weiß nicht, wie Herr Schwaderlapp auf diese Idee kommt, aber wir suchen keine politische Gesinnung, sondern wir überlegen: Wie kriegen wir den "Synodalen Weg" auf einen guten Weg und wie können junge Menschen sich beteiligen und einbringen? Das ist für uns der Maßstab.
DOMRADIO.DE: Auf die Bewerbungen zur Teilnahme am "Synodalen Weg" der Initiative "Pontifex" habe sich der BDKJ nicht gemeldet - das hat Benno Schwaderlapp im Deutschlandfunk gesagt. Haben Sie etwas gegen die Initiative?
Andonie: Nein, natürlich nicht. Es soll jeder so wirken, wie er es für richtig erachtet. Es ist richtig und gut, wenn man den Glauben leben und mit anderen teilen möchte. Ich persönlich habe keine Rückmeldung oder Anfrage von Herrn Schwaderlapp oder anderen Mitglieder der "Initiative Pontifex" bekommen. Das Bewerbungsverfahren zum "Synodalen Weg" wurde am 1. Dezember geschlossen, aber der Auswahlprozess steht noch an. Ab Freitag wird der BDKJ-Hauptausschuss beraten.
Die Entscheidung, welche jungen Menschen dann diese 15 Plätze in der Synodalen Versammlung bekommen, wird erst vor Weihnachten bestätigt. Das Ergebnis des BDKJ-Hauptausschusses muss erst vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken bestätigt werden. Von daher weiß ich gar nicht, was Herr Schwaderlapp erwartet.
DOMRADIO.DE: Viele Menschen sagen, dass dieser Reformprozess des "Synodalen Weges" nur zu Frustrationen führe, weil grundsätzliche Fragen wie das Frauenpriestertum oder das Zölibat schon vorab entschieden würden. Da werde und könne sich nichts bewegen. Was meinen Sie: Wird sich etwas bewegen oder bleibt am Ende nur Frustration?
Andonie: Wichtig ist, realistisch zu gucken, was möglich ist. Wir wissen ja auch, dass die Kirche kein Monolith ist, der fest steht. Die Kirche ist auf dem Weg durch die Zeit. Entsprechend muss sie sich auch stetig ändern, um die Zeichen der Zeit zu erkennen und die frohe Botschaft verkünden zu können. Die Kirche ist im 19. Jahrhundert nicht so gewesen, wie sie im zweiten Jahrhundert war.
Der "Synodale Weg" soll in erster Linie die Fragen der katholischen Kirche in Deutschland beantworten. Und trotzdem sollen die großen Fragen, die auch weltkirchlicher Natur sind, formuliert und dann auf weltkirchlicher Ebene diskutiert werden. Ich glaube, dass Veränderung immer möglich ist. Wir haben jetzt bei der Amazonas-Synode gesehen, dass darüber gesprochen wurde, ob Priester nicht auch verheiratet sein können. Das Thema Zölibat ist nicht in Stein gemeißelt und hat auch nicht der liebe Gott der Kirche vorgeschrieben. Das sind irgendwann Entscheidungen gewesen, die getroffen wurden.
Wir müssen auch immer daran denken, woher dieser "Synodale Weg" kommt. Der "Synodale Weg" kommt durch Machtmissbrauch. Weil durch die geballte Konzentration von Macht bei einzelnen geweihten Häuptern sexualisierte Gewalt möglich war und vertuscht wurde. Weil dies im Endeffekt einen so immensen Schaden an der Kirche angerichtet hat, dass man sich fragt, wie denn eine Kirche glaubwürdig die frohe Botschaft verkünden und Jesu Christi in die Welt tragen kann, wenn sie selber so falsch handelt und unbeschreibliches Leid über Menschen bringt. Daher kommt dieser "Synodale Weg", und an diese Strukturen müssen wir ran.
Und das ist nicht alles in Rom geregelt. Rom sagt nicht, ob in einer Ordinariatkonferenz eine junge Frau sitzt, die vielleicht nicht geweiht ist, sondern eine ganz normale junge Frau wie zum Beispiel die BDKJ-Diözesanvorsitzende. Das sind Schritte, die möglich sind. Es gibt viele junge Menschen, die Kirche mitgestalten wollen. Ich freue mich sehr, dass wir über 230 Bewerbungen bekommen haben. Wir könnten quasi jeden der 15 Plätze mit 15 Leuten besetzen. Das wird natürlich ein sehr schwerer Auswahlprozess. Wir werden überlegen, wie wir die jungen Menschen am "Synodalen Weg" beteiligen können, die jetzt leider nicht die Chance bekommen, in der Synodalversammlung mit dabeizusein.
DOMRADIO.DE: Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich in der Kirche etwas entscheidend ändert?
Andonie: Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ich habe sehr viele ermutigende Worte gelesen und gehört, und ich hoffe, dass diesen auch Taten folgen. Wenn man sieht, dass sich 230 junge Menschen für diesen "Synodalen Weg" interessieren und aktiv mitwirken wollen, wäre es eine große Enttäuschung und ein richtiges Armutszeugnis für Kirche, wenn sie es nicht schafft, diesen jungen Menschen zu zeigen: Es geht um die Botschaft Jesu Christi an die Welt, nicht um rigide Vorstellungen von Macht und Machterhaltung, System und Einflussnahme aufs persönliche Leben. Sondern geht es darum, die frohe Botschaft in die Welt zu tragen.
Ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind, wenn diese Reformbemühungen auch wirklich ehrlich sind und nicht immer alles schon im Keim erstickt wird. Wir sind auf einem Weg durch die Zeit. Und auf einem Weg muss man sich auch bewegen und auch gehen.
Das Interview führte Martin Bornemeier.