Vatikan-Bibelexperte: Aussagen zu Sexualität differenziert sehen

Studie zu Sichtweisen biblischer Schriften

Ein Bibelexperte des Vatikan hat sich gegen vereinfachende Anwendungen biblischer Aussagen zur Sexualität gewandt. Zum Thema ist im Vatikanverlag eine Studie erschienen, die Aussagen zu Homosexualität und Eheschließung untersucht.

Holzkreuz auf einer alten Bibel / © alexkich (shutterstock)
Holzkreuz auf einer alten Bibel / © alexkich ( shutterstock )

Die Entwicklung des Menschenbilds innerhalb der Schriften der Bibel könne nicht nach einem "naiven Evolutionsmodell" als geradliniger Fortschritt oder aber als Aufweichung gelesen werden, zitierte die katholische italienische Tageszeitung "Avvenire" (Donnerstag) den Sekretär der Päpstlichen Bibelkommission, Pietro Bovati. Auch eine von der Kommission jüngst herausgegebene biblische Anthropologie sei "kein moraltheologischer Traktat und ebenso kein Handbuch für die Seelsorge", so der Jesuit.

Der kürzlich auf Italienisch im Vatikanverlag erschienene Band "Was ist der Mensch? Ein Gang durch die biblische Anthropologie" beleuchtet unter anderem Aussagen zu Homosexualität und Ehescheidung im jeweiligen kulturgeschichtlichen Zusammenhang. Kommentatoren deuteten dies teils als Öffnung der katholischen Morallehre.

Studie untersucht Aussagen zu Homosexualität und Eheschließung

Die 336-seitige Studie ist das Ergebnis einer fünfjährigen Arbeit von rund 20 internationalen Bibelexperten. Sie untersucht unter anderem das Verständnis der alt- und neutestamentlichen Schriften von Polygamie, Mischehen, Scheidung, Ehebruch und Homosexualität. Den Anstoß dazu gab Papst Franziskus. Kardinal Luis Ladaria, Präfekt der Glaubenskongregation und Vorsitzender der Bibelkommission, betonte in seiner Vorstellung des Bands, die biblische Anthropologie stelle eine "maßgebliche Grundlage für Entwicklungen der philosophischen und theologischen Disziplinen" dar.

Die Beiträge zeichnen eine komplexe, mitunter widersprüchliche Entwicklung von Moralvorstellungen in der Welt und der Geschichte der Bibel nach. Teils werden die Sichtweisen aus bestimmten geschichtlichen Zusammenhängen erklärt, teils auch Deutungsspielräume aufgezeigt, die schon in den biblischen Texten angelegt sind. Bovati resümierte dies als "Einladung zur Hoffnung auf die annehmende Barmherzigkeit Gottes".


Quelle:
KNA