DOMRADIO.DE: Sie haben lange damit gerungen, welche Orte sie verlassen werden. Wie haben Sie das letztendlich entschieden?
Bruder Markus Fuhrmann (Franziskanerbruder und Provinzialvikar der Deutschen Franziskanerprovinz): Die Probleme, die dazu führen, dass wir Niederlassungen von uns schließen müssen, sind ja bekannt: Wir haben nicht genügend Nachwuchs, und viele Mitbrüder sind sehr alt. Das erleben auch andere Ordensgemeinschaften so. Wir haben nur noch 15 Brüder unter 50 Jahren. Wir sind zwar noch immer rund 340 Brüder in Deutschland, haben allerdings einen sehr hohen Altersdurchschnitt. Ohne die Brüder zu überfordern, können wir nicht alle bisherigen Standorte halten. In der Vergangenheit hangelten wir uns mit dieser Herausforderung von Provinzkapitel zu Provinzkapitel; das sind die alle drei Jahre stattfindenden Vollversammlungen.
Die Schließungen fanden dann nach der "Salami-Taktik" statt. Für die Brüder vor Ort war das immer etwas Willkürliches, Verletzendes und Unbefriedigendes. Wir stellten uns die Frage, nach welchen Kriterien die Provinzleitung die Klöster schließt. Wir haben uns deshalb dazu entschieden, einen gemeinsamen Prozess zu starten. Die Fragen sollten sein: Wo wollen wir unsere inhaltlichen Schwerpunkte setzen? Wie wollen wir als Franziskaner leben? Welches Zielbild haben wir? Und daraus folgend: An welchen Orten wollen wir bleiben?
DOMRADIO.DE: Diese Abstimmung haben Sie "Projekt Emmaus – Zukunftsweg Deutsche Franziskanerprovinz" genannt. Nach welchen Kriterien ist entschieden worden, welche Standorte für die Zukunft erhalten werden sollen?
Bruder Markus: Zum einen hat eine Arbeitsgruppe nach Befragung aller Brüder relevante Punkte für ein Leitbild zusammengestellt. Dabei kam heraus, dass wir eher in kleineren und flexibleren Gemeinschaften leben möchten. Wir möchten zudem vielmehr vernetzt mit anderen Gruppen und Initiativen zusammenarbeiten. Gastfreundschaft und das Leben und Arbeiten mit Menschen am Rande von Kirche und Gesellschaft sind uns wichtig.
Zusätzlich haben wir Fragebogenaktionen unter allen Brüdern zu unseren bisherigen Standorten gemacht. Das Ganze wurde extern von zwei Organisationsberatern, Frau Hahmann und Herrn Dessoy, begleitet. Die Beiden sind auch im Erzbistum Köln ganz gut bekannt. Es gab ein Treffen aller Brüder, wo wir intensiv miteinander gearbeitet haben, sowie ein Treffen für die Brüder unter 60 Jahren, deren Stimme nochmals ein eigenes Gewicht bekommen sollte.
Durch die Fragebogenaktion zur Zukunftsfähigkeit unserer Niederlassungen sind verschiedene Listen entstanden, die immer wieder überarbeitet wurden. Vertragliches und Finanzielles musste mit berücksichtigt werden: Wo sind wir vertraglich gebunden, welcher Investitionsbedarf besteht in den Häusern?
In vier Schritten gingen wir vor: Erst wurden alle Brüder befragt und so ergab sich eine erste Ranking-Liste. Dann überarbeitete eine Finanz- und Rechtskommission diese Liste, woraus sich dann Liste 2 ergab. Beim Treffen der Brüder unter 60 Jahren machten wir eine eigene Abstimmung, deren Ergebnis mit hineingerechnet wurde: Es entstand Liste 3. Schließlich gab es noch einmal eine Revision durch die Provinzleitung unter personellen und Leitbild-Aspekten, und so kamen wir zur vierten und endgültigen Liste mit den 12 Standorten, wo wir längerfristig bleiben wollen.
DOMRADIO.DE: Im Internet gibt es auch Bilder davon. Da sitzen die Brüder zusammen, diskutieren, es werden Stichpunkte gesammelt. Also das heißt, dass es eine demokratische Entscheidungsfindung war. Sind denn da jetzt alle mit einverstanden?
Bruder Markus: Orden ist ja wie Kirche im Kleinen bzw. wie Gesellschaft im Kleinen: Alle waren eingeladen, aber nicht alle machen mit. Teilweise aus Krankheitsgründen oder weil sie den Prozess nicht gut finden und möchten, dass alles so bleibt wie es ist. Es gibt auch Brüder, die den Prozess mittragen, sich aus Altersgründen aber nicht aktiv daran beteiligen. Ganz aktiv mitgearbeitet haben ungefähr 140 bis 160 Brüder. Das ist aufgrund des Altersdurchschnitts keine schlechte Zahl.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie einen Wunsch äußern dürften für die Zukunft der Franziskaner: Wo soll es denn hingehen?
Bruder Markus: Ich kann mich unserem erarbeiteten Leitbild schon voll anschließen. Wir verkleinern uns, aber dort, wo wir aktiv sind, wollen wir vernetzt mit Menschen sein, die unsere franziskanische Spiritualität teilen. Wir sollten uns noch mehr mit anderen vernetzen. Das ist der richtige Weg. Ich würde mir wünschen, dass wir offen bleiben, gastfreundliche Konvente haben, dass wir unser Leben mit den Menschen teilen. Das ist das franziskanische Proprium: Bruder sein und brüderlich leben! Bei den Franziskanerinnen dann entsprechend: Schwester sein! Unser Charisma ist es, geschwisterlich zu leben mit der ganzen Schöpfung.
Das ist sehr wichtig und da haben wir gerade in unserer Zeit, die sehr auf das Ich, auf Narzissmus oder auf "irgendwelche Länder first" getrimmt ist, etwas Alternatives anzubieten. Wir müssen zeigen, dass wir als Geschöpfe alle zusammenhängen, oder wie der Papst es sagt: Wir sind aufgerufen, uns um "das gemeinsame Haus" zu sorgen. Das ist franziskanisch! Da, wo wir das leben können und vor allem mit anderen zusammen, da ist unsere Zukunft!
Das Interview führte Verena Tröster.