"Wir haben keine zwei Päpste, es gibt nur einen Papst, Franziskus", sagte Müller der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" (Dienstag). Die Anrede als Papst emeritus sei eine Höflichkeitsform. "In Wirklichkeit ist Benedikt XVI. ein emeritierter Bischof", so der Kardinal.
Gemeinsame Verantwortung für das katholische Glaubensgut
Müller, von 2012 bis 2017 Präfekt der römischen Glaubenskongregation, widersprach Deutungen, Benedikt XVI. mische sich durch Briefe und Aufsätze in die Amtsführung von Franziskus ein. Alle Bischöfe, auch emeritierte, hätten teil am Lehramt der Kirche und besäßen gemeinsam die Verantwortung für das katholische Glaubensgut, betonte Müller.
In der Zeitung "Il Giornale" bezeichnete er die Gegenüberstellung von Benedikt XVI. und Franziskus als "antikirchliches Spiel". Es sei "absolut klar", dass alle Kardinäle, Bischof und Katholiken an der Seite von Papst Franziskus stünden, so der frühere Glaubenspräfekt, dessen fünfjähriges Mandat 2017 Franziskus nicht verlängerte und der sich wiederholt kritisch über Positionen des amtierenden Papstes geäußert hatte.
Müller: "Benedikt XVI. ist noch nicht tot"
Müller sagte dem "Giornale", Benedikt XVI. habe sich "zu keiner Zeit in die aktuelle Leitung der Kirche einmischen wollen". Das heiße aber nicht, dass er als emeritierter Papst still bleiben müsse. "Benedikt XVI. ist noch nicht tot", und der Auftrag eines Bischofs dauere bis zum Lebensende.
Zur Debatte um verheiratete Priester sagte der Dogmatikprofessor Müller, innerhalb der katholischen Kirche des lateinischen Ritus seien Ausnahmen aus seiner Sicht nicht möglich, weil eine kirchenferne Öffentlichkeit dies als Abschaffung des Zölibats an sich interpretieren würde.
Eine Buchveröffentlichung des konservativen Kurienkardinals Robert Sarah zum Priesteramt hatte die Diskussion um die Rolle des früheren Papstes neu entfacht. Der Band "Des profondeurs de nos coeurs" (Aus den Tiefen unserer Herzen), der im französischen Verlag Fayard erscheinen soll, enthält auch einen Beitrag von Benedikt XVI. und nennt dessen Name auf dem Titel. Dessen Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein sagte (Dienstag) der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), das Buch könne so nicht erscheinen.