Wie das "Expertenzentrum für aktive Sterbehilfe" ("Expertise Center Euthanasia") in Den Haag mitteilte, erhielt es 3.122 Anfragen, das waren 22 Prozent mehr als 2018 und "viel mehr als erwartet". Bei einem Drittel der Patienten sei tatsächlich Sterbehilfe geleistet worden. "Auffällig" sei dabei ein Anstieg der Anfragen aufgrund von Demenz: von 70 (2018) auf 96 (2019). Die Deutsche Stiftung Patientenschutz nannte die Entwicklung "zutiefst bedrückend".
Mangel an Psychiatern und Ärzten
Nach den Worten des Direktors des Sterbehilfe-Zentrums, Steven Pleiter, wenden sich an jedem Arbeitstag im Schnitt 13 Menschen an die Einrichtung. 2017 und 2018 habe sich die Zahl der Anfragen erstmals seit Gründung stabilisiert. Mitte 2019 habe die Zahl der Sterbehilfe-Anfragen erneut deutlich zugenommen. Im Juli 2019 gingen erstmals mehr als 300 Unterstützungsanträge pro Monat ein, ebenso im Oktober, wie Pleiter sagte. Inzwischen bestehe Mangel an Psychiatern und anderen Ärzten sowie an weiterem Personal. Demzufolge sei die Wartezeit für Sterbehilfe mit psychiatrischen Diagnosen auf ein Jahr oder mehr gewachsen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz äußerte sich besorgt über die Entwicklung. "Immer mehr Menschen wählen diesen Weg, um von einem medizinischen Profi getötet zu werden", sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Sonntag. "So wird deutlich, dass es objektive Kriterien zu Gewährung von Tötung auf Verlangen nicht gibt." Denn in der Praxis seien "eine aussichtslose Krankheit und ein unerträgliches Leiden" dehnbare Begriffe.
Niederländisches Vorgehen zeige Gewöhnungsprozess
Auch wenn zwei Ärzte dies beurteilen müssten, sei keine objektive Einschätzung möglich, so Brysch. "Schließlich wird aus zwei subjektiven Meinungen keine objektive Beurteilung."
So sei es nicht verwunderlich, dass die Diagnose Demenz die höchste Zuwachsrate habe. "Solchen orientierungslosen Patienten ist es nicht möglich, mehrfach um Tötung auf Verlangen zu bitten." Daher sollte sich Deutschland "davor hüten, Kriterien für die staatliche Vergabe von Tötungsmitteln festzulegen", forderte Brysch. "Denn die niederländische Praxis macht überdeutlich, dass ein Gewöhnungsprozess mit der Zeit kommen wird." Auch sei die organisierte Hilfe zur Tötung oder Selbsttötung kein humaner Akt, hob Brysch hervor.