Wie arbeitet ein Kinder- und Jugendhospiz?

"Wenn ein Kind so schwer krank ist, dann ist immer die ganze Familie krank"

Einen Menschen im Hospiz zu begleiten, ist sowohl für die Angehörigen als auch für die Mitarbeiter eine schwierige Aufgabe. Wie geht man im Kinder- und Jugendhospiz in Olpe mit dem Thema Tod um? Weitreichender als man denken könnte.

Mutter bei einem Kind am Bett / © BlurryMe (shutterstock)
Mutter bei einem Kind am Bett / © BlurryMe ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der Tag der Kinderhospizarbeit heute soll das Thema "Tod und Sterben von Kindern und Jugendlichen" ein bisschen aus dem Tabu-Bereich holen. Wie geht man das am besten an?

Rüdiger Barth (Leiter des Kinder- und Jugendhospizes Balthasar in Olpe): Zunächst einmal ist es ganz wichtig, dass man darüber informiert, was die Inhalte der Kinderhospizarbeit sind. Wo sind zum Beispiel die Unterschiede zur Erwachsenenhospizarbeit? Dann stellt man ganz schnell fest, dass Kinderhospizarbeit nicht nur mit dem schweren Wort Sterbebegleitung zu tun hat, sondern dass es vielmehr eine Lebensbegleitung über längere Zeit ist.

Wir begleiten die Familien mit ihren Kindern, die schwer krank sind, schon ab der Diagnose, also schon viel früher als ein Erwachsenenhospiz.

DOMRADIO.DE: Wie unterscheidet sich denn Ihre Arbeit konkret vor der in einem Erwachsenenhospiz?

Barth: Die ganze Familie ist bei uns zu Gast. Bei uns sind die Eltern mit ihrem schwerkranken Kind oder dem Jugendlichen dabei. Auch die Geschwister sind dabei. Wenn ein Kind so schwer krank ist, dann ist immer die ganze Familie krank. So kann man sagen, alle brauchen Hilfe. Das ist einer der großen Unterschiede zum Erwachsenenhospiz, dass man eben nicht nur in der letzten Lebensphase in dieses Haus, sondern schon früher mit der ganzen Familie kommen kann. Man kann dieses Thema ab der Diagnose und diese besonders schwere Zeit gemeinsam mit den Mitarbeitern hier erleben und sozusagen bearbeiten.

DOMRADIO.DE: In Ihrem Kinderhospiz geht es zum Beispiel auch um die Verarbeitung eines Sterbefalls. Da gibt es beispielsweise für Erzieher oder auch Lehrer den "Schreck-lass-nach-Koffer". Was hat es damit auf sich?

Barth: Wir haben festgestellt, dass man jüngere Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter nicht in feste Gruppenstunden fassen kann. Wir haben diesen "Schreck-lass-nach-Koffer" mit unterschiedlichen Dingen zusammengestellt, um diesen Kindern dieses Thema näherzubringen. Es bedeutet ja ganz konkret: Mein Bruder wird sterben oder ein Kind ist schon gestorben. Da sind ganz praktische Dinge drin, wie ein Stethoskop, um herauszufinden, ob das Herz noch schlägt. Das sind auch Geschichten dabei, Lieblings-Kuscheltiere und weitere unterschiedliche Materialien.

DOMRADIO.DE: Wie schafft man das als Mitarbeiter, sich dieser Aufgabe jeden Tag anzunehmen?

Barth: Ich glaube, dass wir sehr viel von der Lebensfreude sterbenskranker Kinder profitieren und davon hier in so einer Einrichtung leben. Das muss man sich zunächst mal so auf der Zunge zergehen lassen: von der Lebensfreude sterbenskranker Kinder.

Zum anderen: Man ist nicht nur jeden Tag traurig, sondern wir erleben vielmehr noch diesen Lebenswillen, den die Kinder auch haben. Dann ist es natürlich ganz wichtig, dass man als Team zusammenarbeitet, wie in vielen anderen Bereichen auch. Aber dass man viel von dem, was man erlebt, auch an Emotionen hier lassen, mit den Kollegen besprechen und mit Supervision aufarbeiten kann. Es ist nicht gut, viel mit sich selbst herumzutragen und es mit nach Hause zu nehmen.

DOMRADIO.DE: Heute hätten Sie auch eine Veranstaltung zu dem Anlass des Tags der Kinderhospizarbeit gehabt. Die wurde wegen des Sturms abgesagt. Was wäre da passiert?

Barth: Wir nehmen uns jedes Jahr eine andere Zielgruppe, eine andere Altersgruppe, vor. Dieses Jahr wären es Schüler gewesen, die wir aus dem nahe gelegenen Gymnasium eingeladen hätten. Wir hatten drei Kinosäle hier in Olpe blockiert und gerne den Film "Der Club der roten Bänder" gezeigt. Also es geht uns darum, Jugendliche schon mit dem Thema zu beschäftigen und zu sensibilisieren, dass eben auch Gleichaltrige eine unheilbare Erkrankung haben könnten.

Diese Veranstaltung war geplant, 900 Schüler wären gekommen. Aber leider ist uns das Wetter dazwischen gekommen.

DOMRADIO.DE: Wird sie noch nachgeholt?

Barth: Wir werden das wahrscheinlich nächstes Jahr nachholen. Wir halten das für so wichtig, dass man es nicht einfach streichen sollte, sondern dass man die gleiche Veranstaltung, die wir ja nun mit viel Elan und Ideen geplant haben, einfach auf nächstes Jahr verschieben.

Das Interview führte Michelle Olion.


Kinderhospiz Balthasar in Olpe / ©  Wolfgang Radtke (KNA)
Kinderhospiz Balthasar in Olpe / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Im Kinderhospiz Balthasar in Olpe / © Harald Oppitz (KNA)
Im Kinderhospiz Balthasar in Olpe / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR