DOMRADIO.DE: Um mal einen Überblick zu bekommen – für uns hier ist das ja unvorstellbar. Wie ist gerade die Lage vor Ort?
Martin Schömburg (Länderbüroleiter Kenia, Malteser International): Die Lage ist wirklich sehr erschreckend. Nach langen Phasen von Dürre und anschließendem Dauerregen in Ostafrika und dem ganzen Horn von Afrika verbreiten sich nun in Somalia, Äthiopien, Kenia, Dschibuti, Eritrea... mit rasender Geschwindigkeit ganze Schwärme, die sogar bis zu 2500 Quadratkilometer groß sind. Sie zerstören ganze Landstriche, und es ist eine der schlimmsten Heuschreckenplagen seit Jahrzehnten. Kenia hat seit 70 Jahren solch eine Plage nicht mehr erlebt.
DOMRADIO.DE: Warum bringt diese Plage denn für Mensch und Tier jetzt so ein riesiges Problem mit sich? Das muss man vielleicht noch mal erklären.
Schömburg: Nehmen wir an ich bin kenianischer Landwirt und bestelle heute mein Feld. Oder ich bin Viehhirte und treibe mein Vieh in Weidegründe, um es zu ernähren. Am nächsten Morgen wache ich auf und ganze Landstriche sind komplett leergefressen, meine Ernte ist vernichtet. So gestaltet sich die aktuelle Situation.
DOMRADIO.DE: Nach UN-Angaben kann schon ein einziger Schwarm an einem Tag so viel Nahrungsmittel vernichten, wie 35000 Menschen essen könnten. Woran liegt es denn jetzt, dass die Wüstenheuschrecke sich gerade jetzt so extrem vermehren konnte?
Schömburg: Aufgrund erhöhter Temperaturen im Indischen Ozean gab es eine große Ausbreitung von Heuschrecken auf der Arabischen Halbinsel, die sich dann Ende letzten Jahres und dann Anfang dieses Jahres auch in Somalia, Äthiopien und Kenia ausgebreitet haben. Sie bevorzugen einen feuchten Wüstenboden, und durch die erhöhten Regenfälle Ende letzten Jahres haben sie dann für sich perfekte Nahrungsgründe gefunden.
DOMRADIO.DE: Kommen wir zu Ihrer Arbeit. Wie sind die Malteser vor Ort aktiv?
Schömburg: Wir beobachten die Lage seit einiger Zeit, seit Ende letzten Jahres schon sehr aktiv, auch mit unseren lokalen Partnern in Marsabit (Nordkenia), mit denen wir auch schon langjährige Dürreresilienzprojekte haben, koordinieren uns da mit den Ernährungs- und Landwirtschaftprogrammen der Vereinten Nationen und fangen jetzt mit Mitteln des Deutschen Auswärtigen Amtes eine Bargeldverteilung, Nahrungsmittel- und Futterverteilung an, ebenso wie eine Koordination dieser Echtzeitüberwachung. Denn Marsabit ist ein sehr weitläufiges Gebiet. Wir brauchen die lokale Bevölkerung, wir brauchen die lokalen Organisationen, um Echtzeitinformationen über die Ausbreitung, über die Flugphase der Heuschrecken zu bekommen, um dann adäquat reagieren zu können.
DOMRADIO.DE: Was hilft denn gegen die Plage? Hilft da nur Chemie?
Schömburg: Im Moment hilft nur Chemie, eingesetzt von der lokalen Regierung und den Vereinten Nationen. Wir eruieren im Moment noch, ob wir dies trotz der Umweltbelastung unterstützen. Aber dabei wird immer geguckt, möglichst wenig Schaden für Menschen und Tiere zu verursachen. Deshalb konzentrieren wir uns zurzeit eher auf die Information an die Bevölkerung, sich nicht in der Nähe des Sprühnebels aufzuhalten.
Das Interview führte Michelle Olion.