Dies sei nicht leicht, weil er wegen des bisher bekannten Verhaltens im Zweiten Weltkrieg sehr belastet sei, räumte Johan Ickx, Archivar im Staatssekretariat, am Donnerstag vor Medienvertretern im Vatikan ein. Je weniger jemand mit der politischen Logik des Heiligen Stuhls im Zweiten Weltkrieg vertraut sei, desto mehr könne er von den zu erwartenenden Funden überrascht sein. "Ich selber habe bereits ein anderes Bild von Pius als das, was ich andernorts lese", so Ickx.
Nach der Aufarbeitung des Archivmaterials kenne er bereits einen guten Teil. Das gelte aber nicht nur für die Themen Holocaust und Pius' Haltung zu den Kriegsparteien. So habe es bisher oft geheißen, Pius XII. habe sich nach dem Krieg mit dem Kommunismus nicht mehr befassen wollen. Das stimme nicht, so Ickx, man könne sogar von einer beginnenden "geheimen Ostpolitik" des Pacelli-Papstes sprechen. So wisse man aus Archiven in Ungarn, dass es über den Jesuitenorden Versuche gab, mit dem Politbüro Kontakt aufzunehmen.
Neue Erkenntnisse zu erwarten
Auch zu der Haltung und möglichen Protesten des Papstes angesichts der Rassengesetze unter Italiens Diktator Benito Mussolini könne man sicher neue Erkenntnisse erwarten, deutete der aus Belgien stammende Kurienmitarbeiter an. Ähnliches gelte für die Razzia der deutschen Besatzer im römischen Ghetto; diese hatten am 16. Oktober 1943 über 1.000 Juden verhaftet und dann in deutsche Vernichtungslager geschickt.
Dass der Vatikan beim deutschen Botschafter von Weizsäcker protestierte, sei bekannt aus bereits vorab veröffentlichtem Material, so Ickx. Dazu wie auch zu den ebenfalls bekannten Aktionen römischer Klöster, die damals Juden bei sich zu versteckten, sei nun weiteres Material zu erwarten, mit dem das Geschichtsbild differenzierter und genauer werde. Das werde aber mindestens ein bis zwei Jahre gründlicher Arbeit erfordern.
Seit Bekanntgabe der Öffnung der Pius-XII.-Archive durch Benedikt XVI. (2005-2013) hatten Mitarbeiter der Vatikan-Archive das Material neun Jahre lang aufbereitet, damit Geschichtsforscher damit arbeiten können. Vor gut einem Jahr hatte Papst Franziskus entschieden, die Archive zum 81. Jahrestag der Wahl Eugenio Pacellis zum Papst am 2. März zu öffnen.