Kölner Pfarrer blickt auf Karnevalssitzungen als Präsident zurück

Wird es immer politischer in der "Bütt"?

Der Karneval geht mit der Nubbelverbrennung in die letzte Runde. Pfarrer Thomas Frings war in diesem Jahr zum ersten Mal Sitzungspräsident einer Kölner Karnevalsgesellschaft. Wie blickt er auf die eher politisch geprägten Sitzungen zurück?

Thomas Frings mit dem Kölner Karnevalsprinz Christian II. / © Rainer Gries (privat)
Thomas Frings mit dem Kölner Karnevalsprinz Christian II. / © Rainer Gries ( privat )

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie oben auf der Bühne stehen und ins "Volk" schauen?

Pfarrer Thomas Frings (Seelsorger in Herz Jesu und St. Mauritius, Köln und Sitzungspräsident der Kölner Karnevalsgesellschaft "Die Große von 1823"): Oben gesessen habe ich früher schon im Elferrat. Aber wenn Sie jetzt oben in der Mitte sitzen, ist man noch ein bisschen erhöht. Die Verantwortung liegt in ihrer Hand, wie gut das Ding über die Bühne gebracht wird.

DOMRADIO.DE: Wie hat es denn insgesamt geklappt?

Frings: Da müssen Sie die anderen fragen. Die Rückmeldungen waren ausgesprochen gut. Im Vorfeld hatte ich richtig Lampenfieber, wirklich Lampenfieber. Sie stehen da vor dem Saal, da sitzen dann tausend und mehr Menschen im Gürzenich, und man zieht ein und weiß, es liegt jetzt in deiner Hand und auf deiner Zunge, welche Stimmung im Saal entsteht. Wenn dann eine falsche Bemerkung aus der Spontanität heraus kommt, selbst wenn sie gut gemeint war, aber falsch rüberkommt, kippt die Stimmung im Saal. Das will ja keiner. Das ist schon eine Herausforderung.

DOMRADIO.DE: Aber grundsätzlich sind Sie es ja eigentlich gewöhnt, als Pfarrer vor dem Volk zu stehen.

Frings: Ich bin gewohnt, vor den Menschen zu stehen und ich stehe auch gerne da. Ich predige seit 25 Jahren immer frei mit Headset oder Mikrofon in der Hand, also nicht an einer Stelle stehend auf der Kanzel oder hinterm Ambo. Ich gehe möglichst nah auf die Menschen zu. Das habe ich jetzt ähnlich gemacht.

Ich habe die An- und Abmoderation nicht vom Präsidentensitz aus gemacht, sondern bin ganz oft herunter gegangen und habe mich vorne an die Bühne gestellt, eben nah bei den Leuten. Totzdem ist es eine Herausforderung bei dieser Menge von Menschen. Es ist eine andere Stimmungslage. In der Kirche ist auch immer etwas Besinnlicheres, etwas Ruhigeres vorhanden. Da kommen Sie rein und der Saal tobt und der soll bitteschön nach fünf Stunden immer noch toben. Es ist wirklich eine Herausforderung.

DOMRADIO.DE: Sie sehen ehrlich gesagt sehr zufrieden aus. Machen Sie das denn nochmal?

Frings: Ich denke schon, wenn man mich lässt. Ich glaube, ich bleibe in dem Posten jetzt auch erstmal hängen. Aber ich kann nicht verhehlen, dass ich Spaß an der Freud habe.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht es im Karneval ja manchmal ganz schön wild zu bei den Witzen oder Büttenrednern. Hatten Sie den Eindruck, man hat ein bisschen zu Ihnen als Pfarrer geschielt, nach dem Motto, da kann man nicht ganz so vom Leder ziehen?

Frings: Nein, ich denke nicht, dass irgendeiner der Redner das gesagt hat. Sie sind wohl hier und da darauf eingegangen, als sie es gehört haben und haben ein bisschen damit gespielt, dann haben sie mich auch persönlich angesprochen.

An einer Stelle habe ich reagiert, und zwar beim kölschen Schutzmann Jupp Menth. Der zieht ja richtig vom Leder, nimmt kein Blatt vor den Mund und überlegt nicht, ob das korrekt ist oder nicht. Er nutzt einfach die Atmosphäre des Fastelovends. Er hat natürlich auch deutlich über Kirche und Missbrauch geredet. Da hat er nicht nach hinten geschielt, sondern das Publikum angeschaut. Das konnte man deutlich merken. Am Ende habe ich ihn dann abmoderiert und gesagt: "Jetzt haben einige an dir vorbei geguckt und sich gefragt, wie heiß wird dem Präsidenten jetzt der Stuhl, auf dem er sitzt?". Er wurde schon sehr warm, weil er etwas angesprochen hat, das man auch ansprechen sollte.

DOMRADIO.DE: Nach den Morden in Hanau wurde es automatisch ein sehr politischer Karneval. Viele Sitzungen haben das direkt aufgenommen. Wie haben Sie das aufgegriffen? War da Platz in so einem kochenden Saal?

Frings: Ja. Deswegen habe ich bei der letzten Sitzung auch noch mal ordentlich Lampenfieber, weil ich mir vorgenommen hatte, es in der Begrüßung unterzubringen. Ich habe es sehr persönlich gemacht und gesagt: "Wir kommen jetzt zusammen, um Spaß an der Freud zu haben. Aber der Karneval ist immer das ganze Leben. Er ist nicht nur oberflächlich und nur Freude, sondern 'zo laache und zo krieche' haben wir genug." Beides gehört da rein. Es gibt eben auch Menschen in unserem Land, die Angst haben, und denen vergeht die Freude.

Es liegt an uns, ob wir Position beziehen. Ich habe dann sehr deutlich von meiner Familie gesprochen, und zwar haben wir seit über 25 Jahren einen Adoptivbruder in der Familie, der Schwarzafrikaner und praktizierender Moslem ist. Immer, wenn eine rassistische Äußerungen kommt oder ein Attentat, ist das auch ein Attentat gegen jemanden aus meiner Familie.

Ich finde es gut, dass der Rosenmontagsumzug mit einem aktuellen Wagen aufgepeppt worden ist, denn es wurde ja noch ein Wagen in Köln an den Umzugsanfang gesetzt. Das neue Motto für die nächste Session greift ja auch diesen Gedanken auf, denn es heißt: "Nur zesamme sin mer Fastelovend". Es ist gut, dass der Karneval in Köln ein bisschen politischer geworden ist, so wie er es in Düsseldorf ja schon immer war.

DOMRADIO.DE: Aber allein, wie Sie das jetzt erzählen, wird einem doch ganz schummrig ums Herz. Dann müssen Sie ja doch wieder die Kurve kriegen und Gas geben. Das stelle ich mir unglaublich schwer vor.

Frings: Natürlich muss man dann wieder die Kurve kriegen und am besten hat man dann einen eleganten Bogen. Aber wir werden hier und draußen Position beziehen. Hoffentlich steht jeder von uns auf der richtigen Seite, wenn es darauf ankommt. 

DOMRADIO.DE: Der Karneval ist nun noch nicht ganz vorbei. Heute ist Veilchendienstag, heute Abend wird der Nubbel verbrannt. Mit ihm werden ja alle Sünden verbrannt. Sind Sie als Sitzungspräsident, als Pfarrer oder privat auch dabei?

Frings: Da bin ich sogar als Pfarrer dabei – und das schon zum dritten Mal. Das Schöne daran ist die Initiative vom Veedelsverein in Köln Raderberg. Der evangelische Pfarrer und ich wurden angesprochen, ob wir uns vorstellen können zusammen die Nubbelverbrennung zu machen.

Wir machen im Brauhaus am Kloster in Raderberg eine öffentliche Pinnwand, wo alle ihre Karnevalsünden anpinnen können. Wir kommentieren sie und werfen sie dann ins Feuer. Das machen wir jetzt das dritte Mal und leiten das jedes Mal so ein, dass der evangelische Mitbruder, Klaus Eberhardt, mir sein Beffchen umbindet, ich setze ihm mein Birett auf und wir setzen uns gegenseitig eine rote Nase ins Gesicht. Dann wird klar, es wird jetzt auch lustig.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Information: Am Aschermittwoch bietet die katholische Kirchengemeinde Herz Jesu und St. Mauritius, zu der Seelsorger Thomas Frings gehört, das "Aschekreuz to go" an. An der Kirche Herz Jesu am Zülpicher Platz verteilt die Gemeinde von 12-13 und 16-18 Uhr das Aschenkreuz im Nordportal, direkt an der KVB-Haltestelle "Zülpicher Platz". 


Pfarrer Thomas Frings als Sitzungspräsident / © Thomas Frings (privat)
Pfarrer Thomas Frings als Sitzungspräsident / © Thomas Frings ( privat )

Thomas Frings mit dem Elferrat der Karnevalsgesellschaft "Die Große von 1823" / © Rainer Gries (privat)
Thomas Frings mit dem Elferrat der Karnevalsgesellschaft "Die Große von 1823" / © Rainer Gries ( privat )

Karnevals-Motivwagen mit trauerndem Dom und Hätz für Hanau / © Michael Kramp (Festkomitee Kölner Karneval)
Quelle:
DR