Eine Woche nach der Wahl des neuen sächsischen Landesbischofs, Tobias Bilz, hat sich sein Amtsvorgänger Carsten Rentzing in der Öffentlichkeit zurückgemeldet. In einem Vortrag in Ottendorf-Okrilla bei Dresden sprach Rentzing am Samstag über die politische Verantwortung von Kirche. Zur aktuellen Situation der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens wollte er sich nicht äußern.
"Ich bin froh, dass die Landeskirche wieder einen Landesbischof hat", sagte Rentzing lediglich und bat, für Bilz und seinen Dienst zu beten. Der im Oktober 2019 zurückgetretene Bischof war einer Einladung der als konservativ geltenden Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft Sachsens gefolgt, die am Samstag in Ottendorf-Okrilla zu ihrer Mitgliederversammlung zusammengekommen war. Der Verein kooperiert mit dem Netzwerk Sächsische Bekenntnisinitiative, das sich innerhalb der Landeskirche für Bibel- und Bekenntnistreue einsetzt. Beide Gruppen hatten sich gegen einen Rücktritt Rentzings ausgesprochen.
Kirche und Politik
"Kirche ist immer politisch in ihrem Wirken", betonte Rentzing vor rund 200 Zuhörern. Politisches Auftreten bestehe dabei in der "Verkündigung des Evangeliums". Der Vortrag in der evangelischen Kirche in Ottendorf-Okrilla wurde mehrfach von Applaus begleitet. Kirche müsse aber mit der ihr eigenen Sprache auftreten, sagte er weiter. Ein Beispiel dafür sei das Wort "Barmherzigkeit", denn dieses benenne die "Quelle des politischen Einwurfs in der Debatte". Diese Art der Teilnahme am politischen Diskus sei dann auch "nachvollziehbar und verantwortbar". Ein Beitrag der Kirche bleibe "bedeutungslos, wenn er nicht mit kirchlichen Inhalten gefüllt" werde, fügte Rentzing hinzu. Die Anzahl der kirchlichen Wortmeldungen sei so hoch wie nie zuvor, die "Wirkmächtigkeit" werde damit aber nicht größer, kritisierte er.
Weiter betonte Rentzing, die Kirche müsse zu politischen Fragen in einer Weise Stellung nehmen, dass ihre Aussagen in der Gesellschaft nicht bedeutungslos würden. Als Beispiel nannte er die Äußerung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, während der Flüchtlingskrise, wonach es für "Humanität keine Obergrenze" gebe. Indem er säkulare Begriffe verwende, habe Bedford-Strohm seine Äußerung anschlussfähig machen wollen, so Rentzing. Doch damit habe die Aussage ihre christliche Eindeutigkeit verloren und die Kirche in die politische Entzweiung gestellt.
Eindeutiger sei dagegen die Formulierung des damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, gewesen, dass Barmherzigkeit keine Grenzen kenne, so Rentzing. Dies sei eindeutiger, weil es auf die Barmherzigkeit Gottes als Quelle verweise. Zudem brandmarke es die Befürworter einer Obergrenze nicht als inhuman. Marx habe sich politisch geäußert, ohne Partei zu werden. Die Verkündigung des Evangeliums sei die politischste Art der Kirche, wirksam zu werden, betonte Rentzing. "Alle anderen Worte verflüchtigen sich in Schall und Rauch."
Gegen aktive Sterbehilfe
Zudem äußerte sich Rentzing zur aktivn Sterbehilfe. Für ihn sei der Wert des Lebens so hoch, dass er eine aktive Sterbehilfe damit nicht vereinbaren könne, sagte er. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Februar das gesetzliche Verbot einer gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung für grundgesetzwidrig erklärt.
Rentzing äußerte die Sorge, dass die Grenzen zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe aufgelöst werden könnten. Aktive Sterbehilfe meint die Tötung eines Menschen auf dessen ausdrückliches Verlangen durch Eingreifen von außen, passive Sterbehilfe bedeutet dagegen unter anderem Unterlassung oder Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen wie künstliche Ernährung und Beatmung.
Rentzing im Wartestand
Nach seinem Rücktritt im Oktober und seiner Verabschiedung Mitte November hatte sich der als streng konservativ geltende Theologe weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Offiziell ist er im sogenannten Wartestand. Laut Landeskirchenamt übernimmt er derzeit Predigtdienste in Gemeinden der sächsischen Landeskirche. Welche Aufgabe Rentzing künftig übernehmen wird, ist offen. Auch dazu sagte er am Samstag nichts.
Rentzing war zurückgetreten, nachdem von ihm in der Studentenzeit verfasste, antidemokratische Texte bekanntgeworden waren. Er hatte mehrfach betont, die Entscheidung zurückzutreten allein getroffen zu haben. Von den Texten distanziert er sich heute.
Über seinen Rücktritt als Landesbischof gehen die Meinungen in den Gemeinden der Landeskirche weit auseinander. Während einige Kirchenmitglieder den Schritt als notwendig ansehen, sprechen andere von "Rufmord" und "Hetzkampagne" gegen Rentzing. Der künftige Bischof Bilz sicherte nach seiner Wahl Ende Februar Rentzing einen Platz in der sächsischen Landeskirche zu. Bilz wird am 25. April ins Amt eingeführt.