DOMRADIO.DE: Gottesdienste vorm Fernseher, vorm Radio und vorm PC mitzufeiern sind für viele nicht nur ungewohnt, die Frage nach der Gültigkeit kommt auch auf.
Prof. Alexander Saberschinsky (Liturgie-Referent des Erzbistums Köln): Ja, das ist wirklich eine Frage, aber zum Glück ist für die Theologen die Frage nicht ganz so neu, weil nämlich alte Menschen, kranke Menschen schon lange auf diese Möglichkeit zurückgreifen müssen. Und jetzt betrifft es viele, auch die Gesunden, weil sie eben nicht zusammenkommen sollen, um weiter gesund zu bleiben.
Also konkret sieht das so aus: Gottesdienstfeiern setzen eigentlich immer voraus, dass man anwesend ist. Das geht jetzt aber im Augenblick nicht, wir halten uns seitens der Kirche daran, aus Vernunftgründen. Was machen wir jetzt aus der Not? Eine Tugend, möchte ich schon fast sagen, indem wir die Möglichkeit bieten, zum Beispiel hier aus dem Kölner Dom oder aus anderen Diözesen die Gottesdienste über Medien zu verfolgen, Internet zum Beispiel oder über DOMRADIO.DE.
Dann kommt immer sofort die Frage: Ist das eine gültige Messe? Ein klares Jein. Es ist natürlich nicht exakt das Gleiche, als ob ich vor Ort wäre und mitfeiern würde. Aber wenn dieser Gottesdienst tatsächlich im Augenblick live stattfindet und es dort eine feiernde, wenn auch im Augenblick sehr kleine Gemeinschaft gibt und ich die Absicht habe, diesen Gottesdienst mitzufeiern, dann ist das über die Medien möglich. Die Theologen sprechen dann von intentionaler Mitfeier.
DOMRADIO.DE: Und wenn ich mir die Gottesdienste in der Mediathek ansehe?
Saberschinsky: Dann gibt es ja diese konkrete Gemeinschaft, die im Augenblick feiert, nicht. Das heißt, ich kann mir diesen Gottesdienst nach wie vor anschauen, manche tun das vielleicht nur aus Neugierde, manche auch nur, um nochmal zu hören, was denn in der Predigt gesagt wurde.
Aber wenn mir das persönlich eine Hilfe ist, um ins Gebet zu kommen, wenn ich zum Beispiel nochmal die Gebetstexte höre, die in der Messe gesprochen werden, dann ist das kein Mitfeiern, sondern eher eine Hilfe für mein privates Gebet. Das ist auch hilfreich, auch eine gute Sache, allerdings etwas anderes, als ob da gerade gefeiert wird.
DOMRADIO.DE: Man kann ja auch nicht zur Kommunion gehen. Aber es gibt ja die sogenannte geistliche Kommunion?
Saberschinsky: Das hat schon das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert erwähnt und nun wird es wiederentdeckt. Aber das ist genau der schmerzliche Punkt: Wenn ich nicht in der Messe mit dabei bin, sondern über die Medien anschaue, kann ich nicht zur Kommunion hinzutreten.
Da läuft ja alles darauf hinaus, dass ich Christus sakramental begegnen kann, in diesen eucharistischen Zeichen des gewandelten Brotes und Weines, dass sie mir seine Gegenwart in Gestalt seines Leibes und seines Blutes schenkt. Das fällt ja genau aus.
Da sagen die Theologen schon ganz lange: Es geht ja nicht um den äußeren Empfang von Brot und Wein, sondern eigentlich geht es darum, was das im Inneren bei mir bewirken soll, nämlich eine Christusbegegnung, eine Vereinigung mit Christus. Wenn diese Vereinigung in diesen sakramentalen Zeichen nicht möglich ist, ist damit nicht ausgeschlossen, dass diese Vereinigung aber trotzdem geistlich da ist.
Das heißt, in dem Augenblick, wo die anderen tatsächlich kommunizieren und mir das nicht möglich ist, mich intensiv Christus zuzuwenden, am besten Form eines Gebets etwa aus dem Gotteslob, kann ich mich trotzdem innerlich mit ihm vereinigen. Und das nennen wir geistliche Kommunion.
DOMRADIO.DE: Welche Möglichkeiten gibt es noch, sich von zuhause aus im Gebet mit anderen zu verbinden? Das ist ja auch das, was Kommunion ausmacht.
Saberschinsky: Genau, in Kommunion steckt "Communio" (Gemeinschaft) drin. Verwandt ist es auch mit unserem Begriff "Kommunikation" im Sinne von Austausch. Und wir tauschen uns im Gebet ja mit Gott aus. Wir sind aber auch solidarisch untereinander.
Ich möchte es so ausdrücken: Weil wir jetzt im Augenblick leider die öffentlichen Gottesdienste absagen müssen, heißt das ja nicht, dass wir das Beten einstellen. Im Gegenteil, es kommen ja manchmal kritische Stimmen nach dem Motto "Früher haben wir in Krisenzeiten auch in Zeichen von Seuchen und Epidemien noch mehr Gottesdienste gefeiert. Und jetzt? Jetzt verbietet ihr die Gottesdienste".
Zum einen haben wir natürlich heute andere Erkenntnisse, warum es sinnvoll ist, solche öffentlichen Versammlungen nicht stattfinden zu lassen. Aber das heißt nicht, dass wir das Beten einstellen. Und deswegen macht es durchaus Sinn, alleine zu beten oder aber auch gerne mit anderen Menschen zu beten, sofern es Menschen sind, mit denen ich ja ohnehin zusammenlebe.
Wer diese Möglichkeit nicht hat und nicht alleine beten kann oder will, kann sich einem Kloster anschließen, das anbietet, das Stundengebet im Internet zu übertragen. Und dann kann ich ähnlich wie bei der Messfeier zu Hause mitfeiern, mitbeten oder aber das auch nochmal sozusagen aus der "Konserve" abspielen und als Hilfe nutzen, um persönlich ins Gebet zu kommen. Unter Twitter gibt es Gebetsangebote, da kann man sich sogar in einer Gemeinschaft zusammenfinden.
DOMRADIO.DE: Schauen wir noch mal auf die Sakramente, zum Beispiel auf die Taufe. Welche Auswirkungen hat die Coronakrise da jetzt auf das Erzbistum Köln. Wie können die Geistlichen damit umgehen?
Saberschinsky: Da haben wir tatsächlich im Augenblick viele Anfragen. Das ist jetzt schwierig, weil wir alle unsicher sind, was noch angemessen ist. Wir wollen ja nicht über die Stränge schlagen. Aber was müssen wir auch tatsächlich vermeiden?
Also grundsätzlich kann ich sagen, die Seelsorge ist nicht eingestellt. Es werden zum Beispiel weiter Beichtgelegenheiten angeboten, natürlich als Einzelbeichte unter Wahrung der Hygienevorschriften.
DOMRADIO.DE: Taufen und Trauungen werden aber verschoben?
Saberschinsky: Ja, da gehört ja eigentlich dazu, dass mehrere Menschen zusammenkommen. Vor allem möchte sicher kaum einer seine Trauung im ganz, ganz kleinen Kreis feiern.
Wir folgen im Erzbistum Köln momentan folgender Linie: Wenn es irgendwie geht, sollte man das jetzt verschieben, auch alleine im Hinblick auf die eigene Feier, damit die schöner gestaltet werden kann. Und wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht zu verschieben ist, dann nach Möglichkeit nicht mehr Menschen zusammenbringen als ohnehin schon zusammen wären, also nicht neue Menschen miteinander mischen, damit die Infektionsgefahr sinkt.
Kleine Bemerkung noch: Die Nottaufe ist nach wie vor natürlich immer möglich.