DOMRADIO.DE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit der Monstranz die Kirche zu verlassen und durch die Fußgängerzone zu gehen?
Florian Ganslmeier (Kaplan im Pfarrverband Elsbach/Erft, Grevenbroich): Es war ja zu hören, dass einige Priester in Österreich und Italien das so schon seit Wochen praktiziert haben. Sie haben eine kleine Prozession mit der Monstranz durch die Straßen und durch die Gemeinde gemacht. Das jetzt hier vor Ort auch mal auszuprobieren, war eigentlich eine ganz spontane Idee, die uns zu dritt gekommen ist, eigentlich erst am Samstagabend davor. Wir haben zuerst in der Kirche die heilige Messe gefeiert, natürlich ohne Gemeinde, wir waren also in einer leeren Kirche.
Aber die Leute waren in unserem Herzen und im Gebet natürlich dabei. Es war eine sehr tiefe Erfahrung, die wir drei hatten. Nach der Messe sind wir dann zum Angelusläuten um 12 Uhr mit der Monstranz raus. Wir sind die Fußgängerzone einmal rauf, an den Geschäften vorbei und haben den Segen in alle vier Himmelsrichtungen gegeben, dabei gesungen, gebetet. Am Kirchenportal haben wir dann das "Tantum ergo" gesungen und noch einmal den Segen gegeben.
DOMRADIO.DE: Wie hat sich das für Sie angefühlt? Das war ja sicher das erste Mal, dass sie mit einer Monstranz nur zu dritt durch die Fußgängerzone gegangen sind.
Ganslmeier: Ja, theoretisch hätte es ein bisschen was von Fronleichnam haben können. Aber es waren natürlich nur ganz wenige Menschen auf der Straße. Wir hatten das natürlich nicht angekündigt, um Ansammlungen zu vermeiden, wie es ja im Moment das Gebot der Stunde ist. Aber man sah dann, dass einige Fenster aufgingen, und die Leute haben geschaut, wahrscheinlich überrascht und erstaunt.
Aber ich gebe ihnen recht, so zu dritt mit dem Heiland durch die eigentlich leeren Straßen zu ziehen, das hatte schon etwas Eigenartiges, vielleicht sogar ein bisschen etwas Gespenstisches. Aber ich denke, so ist ja unsere Zeit im Moment. Die Situation hat eben auch etwas sehr Gespenstisches. Was uns dann alle drei völlig überrascht und überwältigt hat, waren die Reaktionen, die per E-Mail oder Telefon bei uns landeten. Die Leute sagten, sie haben das gesehen, waren ganz überrascht und hatten wirklich auch Tränen in den Augen. Man hat schon gespürt, die Menschen haben Sehnsucht, sie vermissen tatsächlich etwas.
Es fehlt ihnen etwas seit dieser Woche oder in diesen Tagen: Etwas Wichtiges fehlt ihnen. Auch wenn wir im Herzen ja wissen: Gott ist da, er lässt uns nicht allein. Aber man merkt doch, die Leute haben diese Sehnsucht, Gott auch nahe sein zu wollen, nahe kommen zu können, dass sie ihn erfahren können. Dazu sollte das eine Idee, ein kleines Zeichen sein, um ihn auch präsent in unseren Gemeinden, bei den Menschen, zu halten.
DOMRADIO.DE: Natürlich sind Sie den Menschen dabei nicht zu nahe gekommen. Das geht ja wegen Corona nicht. Auch Weihwasser zum Segnen kam wahrscheinlich nicht zum Einsatz, oder?
Ganslmeier: Nein, wir waren ja nur zu dritt und wir wollten vor allem natürlich mit der Monstranz, mit dem Heiland die Menschen in unserer Gemeinde, alle Leute, die hier wohnen, segnen.
DOMRADIO.DE: Werden Sie das jetzt häufiger machen?
Ganslmeier: Das wissen wir noch nicht ganz genau. Erstens werden wir ja nie bekannt geben, wo wir hinziehen, um Ansammlungen zu vermeiden. Jetzt sind ja gestern auch wieder neue Richtlinien rausgekommen, wie man sich zu verhalten hat. Das müssen wir erst mal mal reflektieren und selber für uns prüfen. Es war ja in der Hinsicht eine spontane Idee.
DOMRADIO.DE: Nach den Richtlinien könnten Sie nur noch zu zweit unterwegs sein.
Ganslmeier: Ja, wir müssen uns überlegen, ob wir das machen und wie wir das machen. Vielleicht ergeben sich auch andere Ideen. Ich denke, das ist ja insgesamt jetzt die große Herausforderung für uns als Kirche, wie wir mit dieser gesamten Situation umgehen. Kirche, ohne dass man zusammenkommen kann, eine Kirche ohne Versammlung. Geht das überhaupt?
Da ging es uns um ein kleines Zeichen, um das an diesem Sonntag klarzumachen, Jesus ist da, selbst jetzt und gerade jetzt. Und natürlich ging es auch darum, zu zeigen, auch die Kirche ist da – also wir als Priester, Diakone, Seelsorgerinnen und Seelsorger. Sei es, dass wir die Sonntagsmesse per Live-Stream übertragen oder eine eigene Telefonnummer eingerichtet ist, für Leute in Einsamkeit, Isolation oder Seelennot. Auch karitativ gibt es ganz viele Projekte – zum Beispiel zur Nachbarschaftshilfe. Wir müssen weitere Ideen sammeln.
Das Interview führte Dagmar Peters.