In den Tagen zwischen Palmsonntag und Ostersonntag umhüllt die andalusische Hauptstadt Sevilla eine ganz besondere Stimmung. Die Semana Santa, die heilige Woche, ist das größte religiöse und kulturelle Fest in Südspanien.
Besonders traditionsreich sind die Prozessionen, bei denen die "hermandades", die Bruderschaften, ihre Heiligenstatue kilometerweit durch die Stadt tragen. Dabei geht es darum, die Passion Christi, seinen Tod und seine Auferstehung nachzuempfinden und zu erinnern. Allein in Sevilla finden in der Karwoche über 60 Prozessionen statt. Hunderte Menschen begleiten die Märsche durch die Stadt, mal feierlich schweigend, mal fröhlich musizierend.
Ein Fest der Freude und des Glaubens
Für Francisco Polo Blanco sind es die wichtigsten Tage im Jahr. Der Architekt engagiert sich in einer Bruderschaft in Sevilla und nimmt schon seit Kindertagen an den Osterprozessionen teil: "Sowohl persönlich als auch gesellschaftlich sind das große Tage. Man teilt den Glauben und drückt seine Emotionen aus. Es ist ein Fest der Freude und ein Zusammenkommen von Menschen aus aller Welt."
Doch dieses Jahr bleiben die Straßen leer. Die Krise des Coronavirus hat Spanien hart getroffen. Seit Wochen befindet sich das Land im Ausnahmezustand, die Ausgangssperre wurde zuletzt verlängert, das öffentliche Leben steht still. Alle religiösen Feierlichkeiten, die in Gemeinschaft stattfinden, wurden abgesagt – auch die Semana Santa. Für viele Andalusier ist das ein harter Schlag, denn sie bereiten sich das ganze Jahr auf die Karwoche vor.
"Semana Santa" abgesagt
Auch für Marcelino Manzano Vilches, Priester und Vertreter der Bruderschaften in der Erzdiözese Sevilla, war das keine leichte Nachricht. Er kümmert sich um die Koordination und Kommunikation mit den Bruderschaften. Für viele war die Absage eine große Enttäuschung, erzählt Manzano Vilches.
Nichtsdestotrotz hat die Kirchengemeinschaft sehr verantwortungsbewusst reagiert und blickt zuversichtlich in die nächsten Monate: "Die Arbeit für den Glauben hört ja dadurch nicht auf, auch die Bruderschaften führen ihre Arbeit das ganze Jahr fort. Außerdem ist jetzt die Hauptsache, dass wir alle gemeinsam die Epidemie bekämpfen."
Feierlichkeiten seit 400 Jahren
Dass die Absage der Prozessionen einen absoluten Ausnahmezustand bedeutet, zeigt auch ein Blick in die Geschichte. In den 400 Jahren, in denen die Semana Santa in Andalusien schon gefeiert wird, konnte sie nur in den Jahren 1932 und 1933 nicht stattfinden.
Damals, in den Vorwehen des spanischen Bürgerkriegs, erlebte die katholische Kirche Repressionen und Anfeindungen. Aus Sicherheitsgründen entschloss sich die Erzdiözese, keine Prozessionen stattfinden zu lassen. Nur eine Bruderschaft, die hermandad "La Estrella", trug ihre Heiligenstatue im Jahr 1932 raus.
Auch wirtschaftlich bringt die Absage der Feierlichkeiten schwere Folgen mit sich. Allein der Stadt Sevilla drohen dadurch 400 Millionen Euro Einbußen. Die Semana Santa lockt viele Touristen in die Stadt, jetzt bleiben die Hotels und Restaurants leer. Aber auch für viele handwerkliche Betriebe sind die Prozessionen eine wichtige Einnahmequelle. Floristen, Schreiner und Schneider müssen jetzt mit schweren Verlusten rechnen.
Der Geist der Osterwoche
Doch gerade hier wird deutlich, dass der Geist der Osterwoche auch ohne Semana Santa weiterlebt. Die Bruderschaften bieten den bedrohten Betrieben Unterstützung an und helfen auch anderen Menschen, die unter der Krise des Coronavirus leiden, wie Francisco Polo Blanco berichtet: "Wir bieten auch materielle Unterstützung, zum Beispiel in Form von Lebensmitteln oder Zuschüssen für Miete oder Strom- und Gaszahlung."
Darüber hinaus kümmern sich die Bruderschaften darum, dass sich in diesen Zeiten niemand alleingelassen fühlt. In sozialen Netzwerken organisieren sie gemeinschaftliche Gebetsstunden und rufen ältere Menschen an, die womöglich einsam sind. So bleibt auch ohne Prozessionen genug zu tun. Auch die Vorbereitungen für das nächste Jahr laufen schon. Dann wird die Semana Santa in ganz besonderem Glanze erstrahlen.