DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat der Palmsonntag für uns?
Alexander Saberschinsky (Liturgiereferent im Erzbistum Köln): Der Palmsonntag eröffnet die gesamte Karwoche, die dann auf Ostern zuläuft. Wenn man sich das Evangelium vom Palmsonntag anschaut, dann hat man auch schon genau diese Spannung da drin, die auch Ostern kennzeichnet.
Einerseits die Freude, hier festgemacht an dem Einzug in Jerusalem, aber dann auch das erste Mal diese lange Passionslesung, bei der es natürlich auch um das Leiden Jesu Christi geht. Wir stehen am Palmsonntag sozusagen an einer Schwelle, an der Eingangstüre zur Kar- und Osterwoche.
DOMRADIO.DE: Eine große Rolle spielen dabei die Palmzweige, bei uns in Deutschland sind das meistens Buchsbaumzweige. Die soll man nicht in den Müll schmeißen, höchstens verbrennen oder vergraben. Warum haben die Zweige so einen wichtigen Charakter für uns?
Saberschinsky: Das ist – und das meine ich jetzt nicht despektierlich - eher im Bereich der Volksfrömmigkeit so groß geworden. Wenn wir nämlich in die Bibel schauen, ist da lediglich die Rede davon, dass die Gläubigen damals grüne Zweige - deswegen muss es gar nicht Buchsbaum sein - abgerissen haben.
Das wird dann auch am Palmsonntag, normalerweise beim Evangelium, wenn es eine Palmsegnung gibt, vor der Prozession in der Gemeinde vorgelesen. Und daraus ist ein ganzes Brauchtum geworden, dass wir nämlich Christus auch mit grünen Zweigen begleiten, wenn er in Jerusalem einzieht. Und die Zweige werden dann auch gesegnet.
In der Volksfrömmigkeit wurden dann - und dann wird es doch ein bisschen kritisch - ganz große Vorstellungen damit verbunden. Dass diese Zweige magische Kräfte haben. Man hat - das ist sehr regional - sich dann teilweise damit auf den Rücken gehauen, um keine Rückenschmerzen zu bekommen und das Vieh "geschlagen", damit es fruchtbar ist. Sie merken schon, da wird es ein bisschen magisch.
Das verbinden wir heute natürlich nicht mehr mit den Palmzweigen. Der Sinn der Palmzweige kommt ganz deutlich beim Segensgebet zum Ausdruck. Da ist nämlich die Rede davon, dass sie uns zum Zeichen des Lebens und des Sieges werden sollen, mit denen wir dann Christus als unserem König huldigen.
Genau das ist es nämlich, worauf alles hinausläuft: auf Ostern, die Auferstehung, die grünen Zweige jetzt im Frühling, wenn das Leben neu sprosst. Das können wir ja wirklich in diesen Tage beobachten. Dann werden diese grünen Zweige für uns zum Zeichen für die Auferstehungshoffnung, auf die wir uns natürlich jetzt schon ausstrecken.
DOMRADIO.DE: "Urbi et orbi" gilt ja offiziell als Segen - auch über die Massenmedien. Kann man es denn auch bei Palmzweigen so machen? Kann man sich am Sonntag beim Gottesdienst einfach einen Buchsbaum vor den Fernseher legen?
Saberschinsky: Ja, das geht auf jeden Fall. Man muss jetzt nicht zusehen, dass man einen originalen Zweig aus der Kirche bekommt. Das wird nämlich schwierig, weil es im Augenblick keine öffentlichen Gottesdienste gibt. Man muss nicht glauben, dass es nur "second best" ist, wenn ich mir selbst einen Zweig abgerissen habe. Das ist überhaupt nicht nur zweiter Güte.
Der entscheidende Punkt ist, dass dieser Zweig mir zu diesem Zeichen des Lebens und des Sieges Jesu Christi wird. Und es geht nicht darum, dass der mit dem Segen magisch aufgeladen wird. Wenn man sich jetzt fragt, ob das mit dem Segen auch übers Internet geht, darf man sich nicht vorstellen, dass der Segen in Bits und Bytes zerlegt wird. Ich glaube so mancher hat diese Vorstellung im Hinterkopf.
Sondern, wenn man auf das lateinische Wort für segnen schaut, nämlich "benedicere", dann heißt das wörtlich "etwas Gutes zusagen". Und das Gute ist in dem Fall die Auferstehungshoffnung. Und dieses "etwas Gutes zusagen", ist auch genau das, was bei "Urbi et orbi" passiert. Das geht natürlich auch, wenn ich weiß: Jetzt steht mein Pfarrer da, oder der Priester im Kölner Dom, und sagt auch mir diese Auferstehungshoffnung zu.
Und dann kann auch mein grüner Zweig, den ich vor den Bildschirm oder ans Kreuz gelegt habe, während ich mir diesem Gottesdienst anschaue, zum Zeichen des Sieges und der Auferstehungshoffnung werden. Dann ist er gesegnet.
Manche Gemeinden haben die Möglichkeit, ihre Zweige, die im Gottesdienst gesegnet werden, Menschen nach Hause zu bringen. Wo das nicht passiert - kein Problem! Eine ausdrückliche Einladung, selbst diesen Zweig abzureißen oder zusammenzupflücken, und zu Hause ans Kreuz zu stecken. Und wer dazu noch ein Gebet sprechen möchte, der findet das auf der Internetseite des Erzbistums Köln.
DOMRADIO.DE: Das heißt, man kann sich theoretisch auch den eigenen Zweig segnen, ohne einen Gottesdienst zu verfolgen?
Saberschinsky: Ja, segnen darf ja - etwas salopp gesagt - jeder alles. Nur soll es jeder in seinem Zuständigkeitsbereich machen. Bei "Urbi et orbi" sieht man es ganz deutlich. Für was ist der Papst zuständig? Für die Stadt Rom und die gesamte Welt. Das meint ja "Urbi et orbi". Der Papst segnet die gesamte Welt.
Unser Bischof segnet immer dann, wenn es für das ganze Bistum von Belang ist. Der Pfarrer segnet auf der Ebene seiner Pfarrei. Und im häuslichen Bereich darf auch jeder segnen. Wenn meine Mutter krank ist, darf ich ihr ein Kreuzzeichen auf die Stirn machen, sie segnen. Und auch umgekehrt, wenn die Eltern ihre Kinder segnen.
Viele haben den Brauch, das Brot zu segnen, bevor sie es anschneiden. Natürlich darf ich auch als "normaler Gläubiger", als Getaufter, Dinge segnen, auch meinen Palmzweig.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.