DOMRADIO.DE: Die Aussendung des Altenberger Lichts ist für Sie seit Jahren ein fester Bestandteil im Jahresablauf. Gehen wir mal kurz gedanklich zum Beispiel ins letzte Jahr und damit auch zu den Bildern, wie dieser große Gottesdienst und alles drumherum normalerweise aussieht.
Pfarrer Tobias Schwaderlapp (Diözesanjugendseelsorger im Erzbistum Köln): Normalerweise ist es so, dass wir nicht erst am 30. April eine Veranstaltung haben, sondern bereits am 28. und 29. April, und dann werden es langsam mehr. Erst kommt der Initiativkreis des Altenberger Lichts, die jungen Leute, die sich das Motto und das Programm überlegen und gestalten. Dann kommt der erweiterte Helferkreis dazu. Das sind so etwa 40 junge Leute, die kommen, um anzupacken, mitzuhelfen, den Zeltplatz herzurichten und diese ganzen Dinge zu tun.
Das heißt, wir haben vor der Vigil und dem eigentlichen Altenberger Licht zwei Tage intensive Zeit miteinander, um alles herzurichten. Dann trudeln am Abend des 30. April so langsam die Gruppen ein, schlagen ihre Zelte auf, fangen an zu grillen, schauen mit bangem Blick nach oben, ob es wohl trocken bleibt oder nicht. Und dann gibt es ein buntes Abendprogramm, teilweise geistliche Dinge, teilweise einfach Spaßprogramm gerade für die jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer, um dann am Abend des 30. in die Vigil zu gehen und dann gemeinsam um 23 Uhr eine intensive nächtliche Gebetsstunde im Dom zu feiern. Der Dom ist dann schon voll.
Am nächsten Tag kommen noch Fahrradgruppen, Pilgergruppen an, sodass dann normalerweise 2.000 Menschen im Dom sind. Wir sind dann alle völlig platt - man schläft in der Nacht kaum, gegebenenfalls ist auch alles nass und klamm, weil es leicht geregnet hat oder was auch immer. Überall sitzen die Leute auf Isomatten im Dom. Es ist eine total erschöpfte Stimmung, aber gleichzeitig eine totale positive Aufgeregtheit. Und wenn dann alle zusammen singen, dann trägt das jeden mit. All das fehlte in diesem Jahr und das hat es so eigenartig gemacht.
DOMRADIO.DE: Geregnet hat es ja, aber es ist keiner nass geworden. Und es war auch niemand sonderlich erschöpft, weil Sie einen digitalen Gottesdienst in Mini-Besetzung gefeiert. Das Altenberger Licht ist ja nach den schrecklichen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges entstanden - als Zeichen der Katholischen Jugend für Versöhnung und Frieden in Europa. Dieses Licht haben Sie nun heute mehr oder weniger alleine auf die Reise geschickt. Wie war das?
Schwaderlapp: Es waren noch einige Mitglieder vom Initiativkreis dabei, die dann die Sternstafette des Altenberger Lichts mitgenommen haben und damit jetzt kreuz und quer durchs Bistum unterwegs sind. Aber der Morgen heute ist mir besonders nahe gegangen. Gestern Abend hatten wir im Altenberger Dom eine schöne Lichtatmosphäre, und wir wollten einfach eindrucksvolle Bilder in der Nacht produzieren, dass Leute auch am Bildschirm mitgenommen werden von schönen Bildern und guter musikalischer Gestaltung, damit man ein Gespür dafür kriegt: Wir sind hier gemeinsam im digitalen Raum unterwegs und beten.
Heute Morgen konnten wir diese Atmosphäre schon aufgrund der Lichtverhältnisse in der Kapelle nicht mehr so erzeugen wie in der Nacht. Und da ist es mir einfach nochmal besonders aufgefallen, wie anders es in diesem Jahr ist. Alleine in die Kamera rein zu sprechen, das ist mir echt schwergefallen und nahe gegangen. Und dennoch: Es war gleichzeitig eigenartig und schön. Wir haben die ganze Nacht über und auch heute Morgen schon unglaublich viele Nachrichten bekommen von Leuten, die die Feier gestern Abend mitverfolgt und gesagt haben: Wir sind auch gleich wieder mit dabei. Zu wissen, wir sind überall verstreut im Bistum, in der Republik, in Europa - eben haben wir noch eine Nachricht aus Norwegen bekommen - und doch versammelt und feiern das Gleiche, nämlich ein Licht der Hoffnung, dass wir dann weitergeben und teilen. Das hat es dann doch wieder schön gemacht.
DOMRADIO.DE: Normalerweise wird das Altenberger Licht in Form einer Sternstafette weitergegeben. Wie wird das jetzt funktionieren?
Schwaderlapp: Ja, normalerweise ist es so, dass die Gruppen einfach nach Altenberg kommen und das Licht mitnehmen. Und ab und zu bringt es auch der Initiativkreis zu besonderen Ereignissen wie dem Kirchentag. Aber normalerweise läuft es eben so, dass die Leute kommen und das Licht aus Altenberg mitnehmen. Dieses Jahr ging das nicht, und deshalb haben wir neun Kirchen im Bistum und eine in Essen - Gemeinden, die häufig mit großen Gruppen am Altenberger Licht teilnehmen - gefragt: Wie wäre das, wenn wir euch dieses Jahr das Licht bringen und ihr es dann in der Kirche aufstellen könnt?
Wir haben dann große Kerzen anfertigen lassen, im Format der Osterkerze, und das Altenberger Licht-Logo draufdrucken lassen und diese auf die Reise geschickt. Die sind jetzt in diese Kirchen gesendet zusammen mit einem kleinen Erklärtext, sodass man weiß, worum es sich handelt. Die Leute können sich dann in diesen Kirchen das Altenberger Licht nach Hause holen und von dort weitergeben - zum Beispiel an die Oma im Seniorenheim oder wie auch immer.
Es gibt zum Beispiel eine 94-jährige Dame in Köln, die jahrzehntelang immer am Altenberger Licht teilgenommen hat und jetzt auch aufgrund des Alters nicht mehr teilnehmen kann. Der haben zwei von uns das Licht nach Hause gebracht, es im Treppenhaus hingestellt und sie hat es genommen und mit in ihre Wohnung genommen. Dann haben sie noch kurz im Treppenhaus miteinander geredet. Das sind einfach schöne Nebengeschichten, wo man merkt, hier hat man Leuten schlicht eine Freude und Hoffnung gemacht. Und dafür lohnt es sich dann auch.
DOMRADIO.DE: Das klingt tatsächlich sehr schön. Die Veranstaltung in Altenberg ist ja nur eines der großen Events für die Jugend, wo Gemeinschaft zelebriert wird. Wenn solche und ähnlich große Zusammenkünfte ausfallen müssen - haben Sie Sorge, junge Katholiken zu verlieren? Oder kann das Ausweichen ins Digitale das wettmachen?
Schwaderlapp: Sowohl als auch. Man muss der Sache realistisch ins Auge sehen. Gerade in den kommenden Wochen wird es sicherlich auch für junge Leute noch einmal eine besondere Herausforderung. Wir hatten die letzten Wochen gar keine Gottesdienste, und so ein gestreamter Gottesdienst ist nicht für jeden etwas. Viele haben - das hat mich sehr gerührt - an den gestreamten Gottesdiensten intensiv teilgenommen. Andere haben gesagt: Irgendwie springt da der Funke nicht über, das fällt mir schwer. Da sind wir viel im telefonischen Austausch.
Aber wenn wir jetzt wieder langsam das gottesdienstliche Leben hochfahren, können auch die Erfahrungen, die dann damit verbunden sind auch im Kirchenraum eine gewisse Isolation mit sich bringen - das wird das auch Verstörung verursachen, weil das Gemeinschaftserlebnis natürlich gerade dann, wenn man nicht singen kann, einfach schwer gestört sein wird.
Es kann durchaus sein, dass es dann auf der einen Seite zu Entfremdungen kommen wird. Auf der anderen Seite stelle ich auch fest, dass der digitale Raum aufgrund seiner Grenzenlosigkeit und aufgrund seiner Niederschwelligkeit es vielen erleichtert, ohne sich selbst gleich exponieren zu müssen, indem man zu so einer Veranstaltung fährt, sich zu trauen, sich dem Thema des Religiösen zu nähern.
Ich habe die Klickzahlen noch nicht richtig angeschaut, aber ich glaube, es haben sich viele Leute sich die Vigilfeier und auch heute Morgen den Stream angeschaut. Mehr Leute auf jeden Fall als das jetzt normalerweise hier im Altenberger Dom gewesen wären. Darüber hinaus gibt es viele unterschiedliche Formate, wo junge Leute, gerade im digitalen Bereich, ihre Talente noch einmal anders einbringen können.
Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.