Kölner Kunstmuseum Kolumba wieder mit Jahresausstellung am Start

Aufbrüche in Krisenzeiten

Krisen drücken nieder - bewegen aber auch zu neuen Aufbrüchen. Das spiegelt sich auch in der Kunst, wie eine Schau im Kölner Museum Kolumba zeigt. In der aktuellen Zeit hat die Ausstellung einen nicht geplanten Gegenwartsbezug.

Autor/in:
Andreas Otto
Kölner Diözesanmuseum Kolumba / © Oliver Berg (dpa)
Kölner Diözesanmuseum Kolumba / © Oliver Berg ( dpa )

Die Erde unter dem Gotteshaus glüht rot wie ein Vulkan. Das Mittelschiff hebt sich und bricht aus der Horizontalen aus. Die drei Türme drohen in alle Richtungen wegzukippen. Eine apokalyptische Stimmung liegt auf dem Bild "Dorfkirche" von Walter Ophey. Und doch lässt es den Betrachter nicht ganz resignativ zurück: Nur klein, aber doch deutlich strahlt durch eines der Fenster ein helles Licht: Hoffnungszeichen inmitten des Chaos.

Ausstellung mit nicht geplantem Gegenwartsbezug

Das Bild entstand in den Jahren 1919/20 und damit unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs. Es ist eines der ersten Werke, das dem Besucher in der Jahresausstellung des Kunstmuseums Kolumba des Erzbistums Köln ins Auge fällt. Die nach dem Corona-Lockdown wiedereröffnete Schau mit dem Titel "1919 49 69ff. Aufbrüche" stellt Künstler vor, die sich mit den Tiefpunkten des 20. Jahrhunderts befassten und neue Perspektiven aufscheinen ließen. In der Pandemie-Krise gewinnt die Präsentation damit einen nicht geplanten Gegenwartsbezug.

"Die Herausforderungen aus der Entstehungszeit der Exponate und die Aufbrüche sind heute so aktuell wie damals", betont Museumsdirektor Stefan Kraus. Gerade in der gegenwärtigen Zeit der Erschütterung könne das Kolumba mit den ausgestellten Werken zum "Reflexionsraum" werden.

Die Ausstellungen von Kolumba kommen fast ohne Leihgaben aus, weshalb das Museum im Gegensatz zu anderen Einrichtungen nahtlos an die Zeit vor der coronabedingten Unterbrechung anknüpfen kann. Das Depot des von Stararchitekt Peter Zumthor über der kriegszerstörten gotischen Kirche Sankt Kolumba erbauten Hauses umfasst mehrere 10.000 Objekte von der Spätantike bis in die Gegenwart. Unter einem jeweils neuem Jahresthema präsentieren Kraus und sein Team eine Auswahl der Arbeiten.

Rund 250 Werke aus dem 20. Jahrhundert

"Aufbrüche" setzt schwerpunktmäßig rund 250 Werke aus dem 20. Jahrhundert in Szene - aber auch in Beziehung mit Arbeiten aus anderen Epochen. Die Nöte und Utopien der 1920er Jahre spiegelt das Bauhaus oder die Künstlergruppe "Junges Rheinland", die von Walter Ophey (1882-1930) mitbegründet wurde. Seine Dorfkirche zeigt für Kraus "die ganze Katastrophe der Zeit", die das Kolumbateam mit einem anderen Bild des Verderbens konfrontiert: das vom Kölner Ursulameister gemalte Tafelbild "Jüngstes Gericht" (um 1500), bei dem die Verdammten in den Höllenschlund stürzen.

Auf die Untergangsphase im "Dritten Reich" und dem wieder beginnenden Leben stimmt ein Ensemble aus drei auf den ersten Blick zusammenhanglos wirkenden Exponaten ein. Ein schwarzes Telefon, drei abstrakte Malereien in einer Vitrine und eine barocke Madonnenfigur. Der sogenannte Nebenstellenapparat mit einer Kurbel aus dem Jahr 1933 steht für die NS-Verwaltungs- und Vernichtungsmaschinerie. Die drei Gouachen stammen von Otto Freundlich (1878-1943), der bei den Nazis als "entartet" galt und bei der Ankunft im Vernichtungslager Sobibor in Polen oder auf dem Weg dorthin starb. Die "Muttergottes mit Kind" von Jeremias Geisselbrunn (1595-1660), einst Teil des Marienaltars von Sankt Kolumba, wurde bei den Bombenangriffen zerstört. Anfang der 1990er Jahre wurde die Alabaster-Figur aus über 70 Bruchstücken rekonstruiert und in die Nachwelt gerettet.

Wie sehr in bedrängten Zeiten die Natur zum Fluchtort werden kann, zeigen die Gartenbilder von Werner Schriefers (1926-2003), der sich in der Nachkriegszeit in eine paradiesische Welt wegträumte. Eine Leihgabe aus der Kölner Kirche Sankt Pantaleon markiert einen besonderen Aufbruch: Der Albinus-Schrein war Teil der großen Schreinprozession beim Domjubiläum 1948 durch die Ruinen Kölns, die Tausende Menschen verfolgten - eine Art "Remythologisierung einer entwürdigten Stadt", so Kraus.

Für die - auch technischen - Aufbrüche Ende der 1960er Jahre steht Marek Poliks' "Interdictor", eine raumschiffartige Konstruktion. 640 Computerlüfter lassen das Teil ab und an erzittern und zur Klangkunst werden. Das akustische Erlebnis korrespondiert mit einem visuellen: Norbert Prangenberg (1949-2012) lässt auf einer übergroßen Leinwand den Betrachter ins Universum schauen - in der beschränkten Corona-Zeit ein willkommener Blick in die Weite.


Quelle:
KNA
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