"Toll!" Matthias muss nicht lange überlegen und schiebt strahlend noch ein "richtig cool" hinterher. Wie er das findet, dass die Schule endlich wieder auf hat? Da fallen ihm gleich noch ein paar solcher Superlative mit Ausrufezeichen ein. Denn nach dem wochenlangen Shutdown freut sich der Zehnjährige wie ein Schneekönig über jede Abwechslung. Auch wenn er weiß, dass es nur schrittweise – und gefühlt viel zu langsam – wieder Richtung Schulalltag geht.
Immerhin: Am jedem vierten Tag kann er nun wieder in die Kölner Domsingschule, da seine Freunde treffen und "mit ihnen in den Pausen quatschen", wie er munter erzählt. Sehr viel mehr ist erst einmal nicht drin – die neuen Abstandsregeln, die vor allem auch für die Schüler im Umgang miteinander gelten, müssen strikt eingehalten werden. Das heißt, sich umarmen oder miteinander herumtollen oder gar raufen geht absehbar erst mal nicht.
Aber Spiele draußen auf dem Freigelände miteinander verabreden könne man ja auch auf Distanz, zeigt sich der Viertklässler einsichtig. "Ich habe jedenfalls keine Lust, in Quarantäne zu gehen oder im Krankenhaus zu liegen", erklärt er. Daher habe er am ersten Schultag auch gleich fünf Schutzmasken mit dabei gehabt. Man wisse ja nie. Wenn eine nass werde, habe er eben umgehend Ersatz, betont der Junge mit großer Ernsthaftigkeit.
Annähernd normaler Unterricht an den Präsenztagen
In wenigen Wochen soll Matthias wie viele seiner Klassenkameraden von der Kölner Domsingschule auf die benachbarte Liebfrauenschule wechseln. Auf ein großes Abschiedsfest, wie ihm das noch lebhaft von seiner älteren Schwester Laura in Erinnerung ist, hat er seit Monaten hingefiebert. Nun aber wird diese Feier für seine Klasse allenfalls im kleinsten Rahmen ausgerichtet. Und auch die vielen Gemeinschaftsaktionen, die zum Ende eines Schuljahrs hin üblicherweise stattfinden und von den Eltern gerne fürs Familienalbum festgehalten werden, fallen der Corona-Krise zum Opfer. "Irgendwie schon komisch", findet Matthias und mag sich das so richtig gar nicht ausmalen. "Eigentlich wollten wir zum Abschied ein lustiges Video mit der ganzen Klasse drehen. Schon doof, dass das nun nicht geht." Naja, wenigstens die sieben Präsenztage, an denen wieder so etwas wie annähernd normaler Unterricht stattfindet – wenn auch nur im halbierten Klassenverband – die habe er jedenfalls bis zu den Sommerferien noch vor sich, tröstet er sich. "Die will ich auch so richtig genießen – nach langen und auch langweiligen Wochen des Homeschoolings", räumt er entwaffnend ehrlich ein.
Vormittags habe er sich immer gut mit den digital gestellten Aufgaben beschäftigen können und zwischendurch viel mit Oma und Opa telefoniert. Trotzdem sei ihm die Zeit, in der die Eltern arbeiten mussten und für ihn die Kontaktsperre galt, oft endlos vorgekommen. Noch schlimmer aber wäre gewesen, wenn er sich vor den Sommerferien nicht einmal mehr von den Lehrern und Mitschülern hätte verabschieden können. "Im Vergleich zu dem, was stattdessen noch alles hätte sein können, ist in die Schule gehen jetzt wie ein überraschendes Geburtstagsgeschenk", findet Matthias.
"Mir hat das Singen sehr gefehlt"
Unbändige Freude hat die Nachricht von der Wiedereröffnung der Domsingschule auch bei Mila ausgelöst. "Die ersten zwei Wochen waren ja ganz entspannt, aber dann hat mir vor allem das Singen sehr gefehlt", resümiert die Zehnjährige, die in den letzten Wochen regelmäßig alle musikalischen Angebote aus der Schule über Videoschalte genutzt hat. "Und dass ich zu meinem Geburtstag im April keine Gäste einladen durfte, hat mich natürlich auch traurig gemacht."
Umso glücklicher sei sie gewesen, als sich die Stimmbildnerin per Skype gemeldet habe. "Ich wollte gar nicht mehr aufhören zu singen, weil es mir so viel Spaß macht und mir irgendwie auch der Dom fehlt. Da gibt es immer so ein schönes Echo in dem großen Raum, wenn wir bei den Messen auftreten und so viele Zuhörer haben", schwärmt das Mädchen. Die viele freie Zeit habe sie fleißig zum Üben genutzt. "Schließlich will ich meine Stimme trainieren und weiterentwickeln, gerade auch wenn im Moment die wöchentlichen Chorproben ausfallen", sagt Mila. Selbst zum Geige Spielen sei einmal richtig viel Ruhe gewesen. "Schade nur", so die Viertklässlerin, "dass beide Unterrichtseinheiten nur einmal in der Woche stattfinden. Ich hätte solche Lust auf mehr. Hoffentlich wird schon bald alles wieder so wie früher, auch wenn Unterricht per App zur Abwechslung ja mal etwas Spannendes ist."
Große Freude auf die Klassenkameraden
Dass der Chor fehlt, was sonst eine feste Größe im Wochenplan ihrer Kinder ist, stellt auch Stephanie Holtz, die Pflegschaftsvorsitzende der Domsingschule, fest. Als Mutter von vier Kindern, die vier unterschiedliche Schulen besuchen, macht sie gerade die Erfahrung, dass Homeschooling in Kombination mit den vielen Fahrdiensten, die zurzeit zusätzlich anfallen – zumal jedes Kind an einem anderen Tag Präsenzunterricht hat – ein Fulltime-Job ist. "Bei voller Berufstätigkeit ginge das gar nicht, zumal ja auch die digitalen Hausaufgaben schon allein wegen der technischen Herausforderungen ständig begleitet werden müssen", argumentiert sie. Trotzdem täte das Ende des Lockdowns den Kindern gut. Sie freuten sich auf ihre Klassenkameraden und auch darüber, dass gerade wieder ein Stück Normalbetrieb einsetze. Rückblickend sei es für die Familie dennoch auch ein Gewinn gewesen, einmal viel Zeit füreinander zu haben, weil eben nicht ständig Termine anfielen und zu den Mahlzeiten auch mal alle an einem Tisch säßen. "Trotz Corona so etwas wie Luxus", meint Stephanie Holtz.
Endlich wieder in der vertrauen Umgebung
Dankbar für alles, was nur annähernd mit gewohnten Abläufen zu tun hat, ist auch Schulleiterin Gertrud Trebels. Die meisten Sozialkontakte und Freundschaften spielten sich für die Kinder nun mal in der Domsingschule, einschließlich des angeschlossenen Chorzentrums der Kölner Dommusik, ab. Daher schaue sie zurzeit nur in leuchtende Augen, wenn sie die Kinder, die sich über jede Begegnung auf dem weitläufigen Schulgelände freuten, auf den Fluren treffe. Zumal mehr hinter einer Maske, die im gesamten Gebäude – außer während des Unterrichts – getragen werden muss, im Moment auch nicht erkennbar sei. Doch die Erleichterung über die allgemeine Entwicklung sei allen deutlich anzumerken. Das hat Trebels bei ihrer Begrüßungsrunde durch alle Klassen schnell feststellen können. Wie befreit fühlten sich die Schülerinnen und Schüler, nun endlich wieder – wenn auch nur an jedem vierten Tag – in der vertrauten Umgebung sein zu können, beobachtet sie. Trotzdem bleibe die Stimmung immer noch auch gedämpft. Ungehemmt fröhlich springe zurzeit niemand durchs Treppenhaus. Auf dem Schulhof dürften Gruppen ohnehin nicht eng zusammenstehen. Auch das häufige Händewaschen sei bereits gut eingespielt. "Insgesamt machen die Kinder das super, als hätten sie nie etwas anderes gemacht", lobt die Rektorin deren schnelle Lernbereitschaft.
Dankbar für "jeden Hauch in Richtung Normalität"
"Mir haben die Kinder sehr gefehlt", gesteht die 63-Jährige, auch wenn sie in den zurückliegenden Wochen mit viel Organisatorischem völlig ausgelastet gewesen sei und ständig engen Kontakt zum Schulträger, dem Erzbistum, und zum Landesschulministerium gehalten habe, um die sich stetig ändernden Erlasse für den Tagesbetrieb zeitnah umzusetzen. "Dass wir hier seit Mitte März rund um die Uhr beschäftigt waren – allein schon um eine Notbetreuung sicher zu stellen – ist in der Öffentlichkeit zwar kaum präsent, war aber nur mit großem zeitlichen Einsatz und einem hochengagierten Kollegenteam möglich." Alle Maßnahmen – bis heute – seien anstrengend und ungewohnt, aber eben zum Schutz der Kinder und ihrer Familien auch unverzichtbar. "Deshalb arbeiten wir mit unserer ganzen Kraft daran, das System zu stützen."
Dass sich mittlerweile rund 60 Kinder täglich in der Schule aufhielten – immer gut über 40 im Präsenzunterricht und etwa 20 parallel in der Notbetreuung – stimme sie zuversichtlich, sagt Gertrud Trebels. "Ich bin dankbar für jeden Hauch in Richtung Normalität."