Bischof Ackermann über die Corona-Einschränkungen in Gottesdiensten

"Mehr Gelassenheit lernen"

Abstand, Hygiene, kein Gesang und Friedensgruß: Wie kommt es zu diesen Gottesdienstregeln? Und warum entscheidet jedes Bistum anders? Bischof Ackermann gibt als Vorsitzender der Liturgiekommission der deutschen Bischöfe Antworten.

Bischof Stephan Ackermann / © Bistum Trier (Bistum Trier)
Bischof Stephan Ackermann / © Bistum Trier ( Bistum Trier )

Himmelklar: Wie ist die Situation im Bistum Trier? 

Bischof Stephan Ackermann (Bistum Trier): Wir versuchen, uns wieder zu lockern. Das ist ja die Lage, in der wir uns alle befinden. Nach dieser Situation des Lockdowns, des Homeoffice, wo es im Grunde nichts anderes gab außer die nicht-öffentlichen Gottesdienste, müssen wir sehen, was Zug um Zug wieder geht. Und wie wir uns im Analogen, im Physischen mehr annähern. Ich bin froh, dass diese ganz strenge Phase jetzt vorbei ist. Wir hoffen ja, dass es auch hält.

Himmelklar: Die Umstände erfordern eine große Umstellung, oder?

Ackermann: Das geht. Man hat sich jetzt auch schon daran gewöhnt, jemandem nicht die Hand zu geben. Ich merke das bei mir selber, wenn man Bilder sieht, etwa im Fernsehen, wo Menschen sich umarmen. Dann denkt man, das müssen aber ältere Bilder sein. Man gewöhnt sich an die Dinge.

Himmelklar: Welche Erfahrungen haben Sie bis jetzt mit den Bedingungen für Gottesdienste im Bistum Trier gemacht?

Ackermann: Wir haben ein Schutzkonzept vorgelegt und an die Pfarreien verschickt. Wir haben deutlich gemacht, dass es keine Verpflichtung ist, wieder öffentliche Gottesdienst zu feiern. Die Gemeinden sollen schauen, was sie möglich machen können - mit einem Empfangsdienst, mit Abständen und Schutzmaßnahmen. Und wir merken an verschiedenen Stellen: Es beginnt.

Aber es ist natürlich eine Abwägung zu treffen, ob die Gemeinden das mit diesen Vorgaben hinbekommen. Wie geht das gut mit der Feier des Gottesdienstes zusammen, damit es keine skurrilen Situationen gibt? Das ist die Abwägung, und da muss man ein bisschen ausprobieren. Ich selber habe an einem Wallfahrtsort zur Eröffnung der Wallfahrtszeit erlebt, das es eigentlich ganz gut geht. Selbst bei der Kommunion hatte ich keine Plexiglasscheibe vor mir und keinen Mundschutz. Natürlich habe ich mir vorher gründlich die Hände gewaschen. Und wenn man das Spendewort vorher deutlich sagt und dann wortlos die Kommunion reicht, dann, so hatte ich den Eindruck, beinträchtigt das auch nicht die Würde dieses Vorgangs. Das geht ohne Körperkontakt.

Himmelklar: Sie sind Vorsitzender der Liturgie-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz. Wie liefen da die Überlegungen?

Ackermann: Es wurden eigentlich gar keine Gespräche geführt. Ich muss das ehrlich sagen, weil die Liturgie-Kommission selbst gar nicht zusammengetreten ist oder auch keine Telefonkonferenz abgehalten hat. Wir haben als Fachstelle der Bischofskonferenz das Deutsche Liturgische Institut hier in Trier. Die haben sehr gute Vorschläge aufgestellt - abgestimmt mit dem Sekretariat der Bischofskonferenz - und diese sind dann eingegangen in den Vorschlag, der auch auf der Bundesebene abgestimmt wurde. Da brauchte es keine große Diskussion im Vorfeld. Und dann wurde es auf die einzelnen Bistümer heruntergebrochen.

Himmelklar: Gab es gar keine Widerstände?

Ackermann: Nein, auf der Ebene der Bischofskonferenz gab es da gar keine Probleme. Das ist mehr eine Frage auf der Ebene der Bistümer, da erlebe ich es schon so. Wir haben ja in Trier verschiedene Krisenstäbe eingerichtet, auch einen pastoralen Krisenstab. Ich denke, dass es in den anderen Bistümern auch so. Und da gibt's natürlich Rückfragen von Pfarrern, von Gemeindereferentinnen, von Gläubigen, auch zum Beispiel zum Thema Mundkommunion. Und die Mitglieder dieses Krisenstabes beantworten die Rückfragen oder gucken auf Alternativvorschläge, die gemacht werden, um die zu prüfen. Das geht aber auch ganz gut. 

Himmelklar: Wie haben Sie die leeren Gotteshäuser bei der Heiligen Messe zuvor empfunden?

Ackermann: Natürlich war das zunächst ein sehr eigenartiges Gefühl. Die Gottesdienste wurden natürlich gestreamt. Ein bisschen hat man dabei den Eindruck, man liege unter dem Mikroskop. Man ist in einem ganz kleinen Kreis zusammen. Aber man weiß doch: Es gibt viele, die über den Livestream oder den offenen Kanal im Fernsehen mitfeiern. Jetzt haben wir die Situation, dass die Gottesdienst-Gemeinde sehr überschaubar ist, weil ja nicht so viele Menschen in der Kirche Platz nehmen können.

Menschen sitzen mit Mundschutz in der Kirche. Man sieht weniger Mienenspiel, etwa bei der Predigt. Man kann das im Grunde nur an den Augen ablesen: Nehmen Menschen auf, was ich sage, oder schlafen sie ein? Das ist natürlich gewöhnungsbedürftig, und ich hoffe, dass wir uns jetzt nicht auf lange Zeit daran gewöhnen müssen.

Ich halte aber die konkrete Feier des Gottesdienstes für wichtiger als dass wir sagen, wir kommen erst dann wieder zusammen, wenn wir in Hochform feiern können und wenn es keine Beschränkungen mehr gibt. Wir feiern auch unter Einschränkungen die Eucharistie und hören das Wort Gottes und empfangen das Sakrament.

Himmelklar: Es gab ja schon immer Zeiten, wo es für die Christen schwierig gewesen ist, Gottesdienst zu feiern...

Ackermann: Absolut, zum Beispiel in Pestzeiten. Wir haben hier in Trier die große Tradition der Heilig-Rock-Wallfahrten zur Tunika Christi, der kostbaren Reliquie unseres Domes. Da gab es auch Zeiten, wo Wallfahrten ausgefallen sind und ein Domkapitel aus Schutz vor Ansteckung nicht getagt hat. 

Himmelklar: Kann die Kirche aus dieser Krise auch etwas lernen?

Ackermann: Man spricht jetzt über den Wert der Feier der Eucharistie. Wie steht es um die Bedeutung des Sonntags? Wie ist der Zusammenhang zwischen der inneren, der geistigen, spirituellen Verbindung und dem konkreten Zusammenkommen? Natürlich muss man da auch Acht geben, dass man nicht vorschnell Dinge zu sehr deutet. Da bin ich auch zurückhaltend.

Man muss das nach ein paar Monaten sehen: Was sind wirklich Dinge, die sich weiter tragen? Haben Gebetsgemeinschaften in Familien, in Häusern, eine Nachhaltigkeit oder gehen sie doch wieder verloren? Ich glaube, wir sollten nicht vorschnell allzu große theologische Schlüsse ziehen, sondern das in Ruhe beobachten und wahrnehmen, was da in uns selber vorgeht.

In unserem Glauben und in der Botschaft Jesu geht es oft um Paradoxien. Jesus sagt, wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst, dann habt ihr das Leben nicht in euch. Es braucht den konkreten Empfang. Aber Jesus sagt wenige Verse später: Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts.

Da hat man den Eindruck, dass ist genau das Gegenteil. Das ist genau das, was wir jetzt auch erleben: Das konkrete physische Zusammenkommen ist wichtig, das gehört dazu. Ohne das können wir nicht sein. Aber wenn Menschen nebeneinander in der Bank sitzen und innerlich Lichtjahre voneinander entfernt sind, dann gibt es auch keine Communio, keine Kommunion. Vielleicht können wir auch lernen, in dieser Zeit mit solchen Paradoxien unseres Glaubens umzugehen. Und nicht immer versuchen, alles auf einen Punkt bringen zu müssen und nur ein Richtig und Falsch zu kennen. Mehr Gelassenheit zu lernen - das könnte auch eine Erfahrung dieser Zeit sein.

Himmelklar: Was gibt Ihnen im Moment Hoffnung?

Ackermann: Mir gibt Hoffnung, dass es viel Engagement  und Zusammenhalt gibt. Die Gesellschaft ist bereit, wirkliche Opfer zu bringen - wirtschaftlich, menschlich, gesellschaftlich. Es gilt eben nicht das Recht des Stärkeren. Wir achten gerade auch auf die, die hilfsbedürftig und verletzlich sind. Und wir lassen uns das etwas kosten, im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist doch ein Hoffnungszeichen, wenn wir sonst immer von der Ellbogenmentalität sprechen. Und viele Menschen sagen, sie spürten jetzt doch noch einmal die Bedeutung des Glaubens für ihr Leben. Diese Wochen haben vielen zu einer Vertiefung des Glaubens verholfen. Das sind doch wirklich hoffnungsvolle Ansätze.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Das Interview ist Teil des Podcasts Himmelklar – ein überdiözesanes Podcast-Projekt koordiniert von der MD GmbH in Zusammenarbeit mit katholisch.de und DOMRADIO.DE. Unterstützt vom Katholischen Medienhaus in Bonn und der APG mbH. Moderiert von Renardo Schlegelmilch.


Podcast: Himmelklar - Fürchtet Euch nicht (MDG)
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